Aus der Stadt des ersten protestantischen Bündnisses
Wenn man, mit der Werrabahn von Eisenach kommend, die Station Wernshausen erreicht hat, so bemerkt man links ein Seitenthal, durch dessen Oeffnung die grünen Berge des Thüringer Waldes grüßend herniederschauen. Eine erst kürzlich vollendete Zweigbahn führt in diesem Thale aufwärts bis zu der Stadt Schmalkalden, die dem Leser der Gartenlaube aus der Reformationsgeschichte und als Geburts- und Sterbeort des Componisten der „Wacht am Rhein“ dem Namen nach bereits bekannt ist.
Besteigen wir den wartenden kleinen Zug! Er führt uns im Fluge über die nette eiserne Werrabrücke, an den Dörfern Nieder- und Mittelschmalkalden, Haindorf und Aue mit den Eisenwerken von Utendörffer und Eichel vorüber, der ehrwürdigen Stadt zu.
Bald liegt sie vor uns, zwischen anmuthigen Höhen, am Fuße des Questenberges, auf dessen Vorsprunge das Schloß Wilhelmsburg thront. Die altmodischen, bunten Häuser sind um die stattliche Hauptkirche geschaart, wie die Küchlein um die Henne, wenn der Habicht in der Luft kreist und ihr ängstliches Glucksen vor der Gefahr warnt, und doppelte Ringmauern umgeben schützend Stadt und Schloß. Es ist die Bauart des Mittelalters, die dem Bedürfnisse der Sicherheit alle anderen Rücksichten opferte. Aber kein bärtiger Geselle mit der Blechhaube auf dem Kopfe und der Armbrust auf der Schulter macht mehr die Runde hinter den schmalen Schießscharten; der breite Wallgraben ist ausgefüllt und in freundliche Gärten verwandelt; die Mauern sind stark verwittert und stellenweise halb verfallen. An drei Punkten ist der graue Doppelgürtel ganz durchbrochen, und Vorstädte sind über ihn hinaus an den Ufern der hier sich vereinigenden Schmalkalde und Stille entlang gewachsen. Ringsum ziehen sich Gärten, Baumpflanzungen und wogende Saatfelder an den Bergwänden hin, und im Hintergrunde erheben sich rechts die schroffen, tannengekrönten Gipfel der Stillersteine und die steilen Buchwaldkuppen der Asbacher Berge, während links von der Queste der majestätische zweitausendsiebenhundert Fuß hohe Höhnberg, mit einem prachtvollen Mantel von dunkeln Tannenwäldern
[231][232] und frischgrünen duftigen Waldwiesen bekleidet, das altersgraue Felsenhaupt in die klare, blaue Frühlingsluft emporreckt und stolz herabsieht auf den mit gekrümmtem Rücken zu seinen Füßen kauernden Haderholz mit der zähen, röthlichen Porphyrklippe, auf die Menge der umliegenden niedrigeren Waldberge, stillen, lauschigen Wiesgründe und halbversteckten, lieblichen Dörfer. Trillernd steigen die Lerchen über den Kornfeldern in die Höhe. Schaaren schreiender Schwalben tummeln sich über den braunen Ziegeldächern, und aus den blühenden Obstgärten tönt der melodische Gesang der Grasmücken und der schmetternde Schlag der Finken.
Und doch ist es weniger die schöne Umgebung als die Geschichte Schmalkaldens, die unser Interesse in Anspruch nimmt.
Die Entstehung der Stadt ist, wie die vieler anderen, in undurchdringliches Dunkel gehüllt und mit Sagen umwoben. Eine derselben nennt den Grafen Smalko im achten Jahrhundert, eine andere sogar Julius Cäsar als den Erbauer; aber das schmale Thal mit seinem kalten Wasser bietet eine bessere Erklärung des Namens, und der römische Imperator ist bekanntlich nie in diese Gegend gekommen. Dieselbe gehörte, nach der Zertrümmerung des mächtigen Reiches der Thüringer durch die Sachsen und Franken, zu dem zwischen Rhön und Thüringer Wald gelegenen fränkischen Gau Grabfeld und ist wahrscheinlich, des vortrefflichen Eisensteins wegen, schon lange besiedelt gewesen, ehe sie von Bonifaz, der hier das Bild des Götzen Svantevit zerstört haben soll, zum Christenthume bekehrt wurde. Der Ort besteht wenigstens schon tausend Jahre; denn im Jahre 874 schenkte die reiche Kunhild dem Kloster in Fulda ihre Güter im Grabfelde, und die Schenkungsurkunde erwähnt unter den Ortschaften auch Smalacalta, welches eine Villa (Gut, Hof, Weiler) genannt wird. Nachdem die Gaugrafschaft erblich geworden, kam Schmalkalden als Heirathsgut der Gräfin Gisela an ihren Gemahl, Kaiser Konrad den Zweiten, der es ihrem Vetter Ludwig dem Bärtigen schenkte. Als dessen Nachkomme, Ludwig der Heilige, der Gemahl der heiligen Elisabeth, mit Kaiser Friedrich dem Zweiten in’s gelobte Land ziehen wollte, versammelte er hier seine Familie, seine getreuen Räthe und Freunde. Er übertrug seinem Bruder Heinrich Raspe die Regierung und die Sorge für die Seinigen und nahm einen thränenreichen Abschied von Weib und Kindern. Diese riefen ihm noch weinend nach: „Gute Nacht, lieber Vater! Viel tausend gute Nacht, herzgüldener Vater!“
Zwei Bilder, das eine von Schwind’s Meisterhand, auf der Wartburg, das andere in der Elisabethenkirche zu Marburg, verherrlichen diese rührende Scene. Es war am 24. Juni 1227, als der fromme Fürst mit einem stattlichen Gefolge von zweihundert Rittern und Reisigen „oppido suo Smalcaldin“ (aus seiner Stadt Schmalkalden), wie der alte Chronist sagt, den Zug antrat, von welchem er nicht wiederkehren sollte; in Otranto raffte ihn im Alter von nur achtunddreißig Jahren eine bösartige Seuche weg. Nach dem Tode Heinrich Raspe’s, der sorglos und pflichtvergessen Thüringen an sich gerissen, kam die Stadt noch vor Ende des Thüringer Erbfolgekrieges an Hermann den Zweiten von Henneberg, einen Sohn des Grafen Poppo des Siebenten und der Jutta, der Schwester der letzten thüringischen Landgrafen. Das Henneberger Geschlecht hielt große Stücke auf die neue Besitzung; namentlich begünstigte sie Fürst Berthold der Siebente. Er wählte sie zur Residenz, umgab sie mit Mauern, wirkte ihr reichsstädtische Freiheiten aus und bestimmte in seinem Testamente, daß sein Herz daselbst aufbewahrt werden sollte. Im Jahre 1360 erwarb sie der hessische Landgraf durch Kauf zur Hälfte, und dieses Fürstenhaus besaß sie hinfort mit den Hennebergern gemeinschaftlich bis 1583, wo sie durch das Aussterben der letzteren ganz an Hessen fiel.
Inzwischen war der großartige Kampf für Geistes- und Gewissensfreiheit entbrannt, in welchem deutscher Geist und Muth, deutsche Gelehrsamkeit, Frömmigkeit und sittliche Kraft die tausendjährigen, von herrschsüchtigen Päpsten geschmiedeten Fesseln brachen und die durch willkürliche, starre Dogmen und verknöcherte Formen zum bloßen äußerlichen Cultus herabgesunkene christliche Religion wieder zur innersten Herzensangelegenheit machten. Mit der Reformation tritt der Name des bescheidenen Städtchens in den Vordergrund der Weltgeschichte, und diese seine Glanzperiode verdient eine genauere Betrachtung.
Wie die aufgehende Sonne mit ihren Strahlen die grauen Nebel zertheilt und lichtscheue Eulen in ihre dunkeln Schlupfwinkel scheucht, so zerriß Luther’s Lehre und Bibelübersetzung das große Spinnengewebe, mit welchem Päpste und Concilien das reine Evangelium umhüllt und bis zur Unkenntlichkeit entstellt hatten, und verbreitete Schrecken unter der unwissenden und lasterhaften Geistlichkeit. Es war Licht geworden, und massenhaft war der Abfall von der „alleinseligmachenden Kirche“. Mochte das Wormser Edict den „Ketzer“ Luther mit all seinen Anhängern und Beschützern in die Reichsacht erklären und seine Schriften streng verbieten; mochte der Kaiser, dem ersten Speier’schen Reichstag zum Trotz, geheime Instructionen zur Ausrottung der neuen Lehre ergehen lassen; mochten die katholischen Fürsten zu diesem Zwecke einen Bund schließen; mochte der Reichstag zu Augsburg die evangelische „Secte“ mit dem Interdict und der weltlichen Macht bedrohen, wenn sie nicht binnen sechs Monaten in den Schoß der katholischen Kirche zurückkehrte: es schreckte weder den kühnen Reformator, noch die protestantischen Fürsten und das Volk. Täglich wuchs die Zahl der Evangelischen. Aber Vorsicht war der drohenden Haltung der katholischen Mächte gegenüber geboten; darum beriefen die Häupter der Protestanten ihre Glaubensgenossen nach Schmalkalden zum Abschluß eines Bündnisses, das im März 1531 auch zu Stande kam. Von 1529 bis 1543 sind dort überhaupt neun Versammlungen gehalten worden; die wichtigste war die im Jahre 1537.
In den ersten Tagen des Februar jenes Jahres belebten sich die nach Schmalkalden führenden Straßen mit glänzenden Zügen von Fußvolk, Reitern und Wagen, mit klingendem Spiel und fliegenden Fahnen und Standarten. Fünfundzwanzig evangelische Fürsten und Herren, zunächst die Häupter des Bundes, der biedere Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen und der ritterliche Landgraf von Hessen Philipp der Großmüthige, dann die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg, die Fürsten Wolfgang, Georg und Joachim von Anhalt, die Grafen Albrecht und Gebhard von Mansfeld, die Herzöge Philipp von Pommern, Ulrich von Würtemberg und Philipp von Braunschweig-Grubenhagen, die Grafen Heinrich von Schwarzburg, Wolfgang und Georg von Henneberg, vier Grafen von Nassau, die Markgrafen Johann und Georg von Brandenburg, die Herzöge Ruprecht von Zweibrücken, Friedrich von Liegnitz und Heinrich von Mecklenburg, jeder mit einem zahlreichen Geleite edler Vasallen und handfester Krieger, zogen unter dem Geläute aller Glocken und den Klängen kriegerischer Musik, von den begeisterten Jubel- und Hochrufen einer zahllosen Menschenmenge begrüßt, in die festlich geschmückte Stadt ein. Ihnen hatten sich die Gesandten des Königs von Dänemark und der Städte Ulm, Augsburg, Straßburg, Kempten, Constanz, Eßlingen, Memmingen, Lindau, Schwäbisch-Hall, Magdeburg, Braunschweig, Hamburg, Bremen, Soest, Minden, Nordhausen, Vacha, Salzungen etc. angeschlossen. Im Gefolge der Fürsten waren ferner zweiundvierzig der hervorragendsten Gottesgelehrten, darunter vor allen Luther, der Gegenstand allgemeinster Begeisterung und Verehrung, dann Melanchthon Bugenhagen, Spalatin, Jonas, Agricola, Amsdorf, Menius, Mykonius, Buzer, Melander, Fontius, Kraft, Schnabel, Corvinus, Draconites, Noviomagus und andere.
Von katholischer Seite waren erschienen der alte Graf Wilhelm von Henneberg, der angeblich gegen die Versammlung protestirt hatte, und der kaiserliche Vicekanzler Held mit mehreren Räthen, wozu später noch der päpstliche Legat Peter Forst, Bischof von Acqui, kam.
Die Bundesfürsten nahmen ihre Wohnung auf dem Schlosse Wallrab, an dessen Stelle jetzt die Wilhelmsburg steht; das Gefolge war in den herrschaftlichen Häusern, die Abgeordneten und Theologen waren in Gasthäusern und Privatwohnungen untergebracht.
Am 7. Februar, einem Donnerstage, wurden nach einem feierlichen Gottesdienste in der Hauptkirche die Verhandlungen auf dem Rathhause eröffnet. Der kaiserliche Gesandte trug der Versammlung vor, daß der Papst auf Verwendung des Kaisers ein allgemeines Concil nach Mantua ausgeschrieben habe, und lud zum Besuche desselben ein. Man erwiderte, mit dem Papste, der offen Partei gegen die Evangelischen ergriffen habe, könne man sich nicht einlassen; jetzt gebühre es dem Kaiser, wie einst Constantin gethan, ein Concil anzuordnen; eine italienische Stadt [233] gewähre ohnehin nicht die nöthige Sicherheit, auch sei es billig, daß deutsche Angelegenheiten auf deutschem Boden entschieden würden; man verwerfe also das Concil ganz und gar. Auf die Forderung von Hülfe gegen die Türken und Franzosen erklärte der Kurfürst, daß weder er noch seine Bundesgenossen sich zur Stellung von Hülfstruppen entschließen könnten, ehe ein dauerhafter Friede im Innern gesichert sei. – In den folgenden, theils im Rathhause, theils im Gasthofe zur Krone und in Luther’s Wohnung gehaltenen Versammlungen schritt man zur Ordnung von Bundesangelegenheiten und zur Berathung der „Schmalkalder Artikel“, einer neuen von Luther verfaßten Bekenntnißschrift, die von den Fürsten, Abgeordneten und Theologen einstimmig angenommen und am 24. Februar unterschrieben wurde.
An demselben Tage, wo sich die Evangelischen durch diesen Act entschiedener als je vom Papste und der katholischen Kirche losgesagt hatten, kam der Legat an mit zwei päpstlichen Schreiben an den Kurfürsten. Johann Friedrich empfing ihn kalt; der Landgraf ließ ihn gar nicht vor, sondern entfernte sich, um dem kranken Luther einen Besuch zu machen.
Dieser war am Stein heftig erkrankt und wurde von den entsetzlichsten Schmerzen gefoltert. Aber weder diese, noch die drohende Todesgefahr vermochten den gewaltigen Mann zu beugen. Er blieb sich gleich im felsenfesten Vertrauen auf den Sieg der guten Sache, gleich auch in seiner Liebe und in seinem Hasse. Mit fester Hand hatte er auf seinem Bette die Artikel unterschrieben mit den Worten: „In Gottes Namen! Ich kann nun in Frieden hinfahren! Beiß Dir die Zähne an diesen Artikeln aus, Papstdrache!“ Und nun verlangte er heim, um Weib und Kind noch einmal zu sehen, und damit seine Feinde nicht sagen könnten, er sei nach Schmalkalden gefahren, das Concil zu verwerfen, aber dort habe ihn die Hand des Herrn getroffen. Am 26. Februar bestieg er mit seinen Freunden Bugenhagen und Spalatin, seinem Famulus Tipontius und dem aus Erfurt herbeigeholten Arzte Dr. Sturz den kurfürstlichen Wagen, der ihn nach Wittenberg bringen sollte. Weinend und wehklagend umstanden ihn seine Freunde und Verehrer; da lehnte er sich aus dem Schlage heraus und rief ihnen zum Abschiede mit lauter Stimme zu: „Lebt wohl, lebt wohl! Gott erfülle Euch mit Haß gegen den Papst!“ In dem nahen Tambach, auf der anderen Seite des Gebirges, trat unerwartet Besserung in seinem Befinden ein. Er schrieb dies seinem Freunde Melanchthon und sandte den Famulus mit dem Briefe zurück. Als Tipontius an der Wohnung des Legaten vorüberkam, schrie er so laut, daß dieser es hören mußte: „Luther lebt!“ Dann brachte er den besorgten Freunden die frohe Kunde.
Bis zum 6. März blieben die Verbündeten noch, dann zog Jeder seine Straße; das Städtchen wurde wieder still; die Einwohner kehrten zu ihren gewohnten Beschäftigungen zurück, und von all der Pracht und Herrlichkeit blieb nur die Erinnerung.
Schwere Zeiten brachen später herein; erst der schmalkaldische, dann der dreißigjährige Krieg, in welchem die Stadt von beiden Parteien abwechselnd gebrandschatzt, geplündert und angezündet wurde, von den Kaiserlichen, weil sie protestantisch, von den Schweden, weil sie dem auf Seiten des Kaisers stehenden Landgrafen von Hessen-Darmstadt verpfändet war. Mehr als einmal griffen die verzweifelten Bürger zu den Waffen und vertrieben die verwilderten Kriegerschaaren, wofür sich diese freilich jedesmal blutig rächten.
Trotz dieser und anderer Stürme sind die aus der Reformationszeit merkwürdigen Gebäude noch wohl erhalten, so daß sich ein Gang durch die unregelmäßigen, aber reinlichen Straßen reichlich lohnt.
Hat man von den zierlichen Bahnhofsgebäuden aus den Altenmarkt erreicht, so fällt einem zunächst die imposante Kirche in die Augen, in deren hohen gothischen Hallen im Jahre 1537 vier Wochen lang Tag für Tag die berühmtesten Gottesgelehrten der damaligen Zeit vor einem glänzenden Auditorium predigten. Nicht weit davon steht das alte, steinerne Rathhaus; in dem Rathszimmer hinter jenem großen Bogenfenster wurden die Hauptversammlungen gehalten. Gegenüber ist das Gasthaus zur Krone, ein anderes Versammlungshaus, wie ein daran angebrachtes Wappen und ein Schild anzeigen. Gehen wir von hier über die „Salzbrücke“, die enge Steingasse hinauf, so fällt uns dort, wo sie auf den Luthersplatz (ehemals Töpfermarkt) mündet, am Fuße des Schloßbergs ein Haus auf, aus dessen Giebelseite ein Schwan hervorragt. Das ihn umgebende Schild zeigt rechts das Siegel Luther’s (Herz, Kreuz und Rose), links das Melanchthon’s (die eherne Schlange) und die Inschrift: „Versammlungshaus der evangelischen Stände und Theologen bei Verfertigung der Schmalkalder Artikel. Anno 1537.“ Dies ist das Lutherhaus. Dort oben im Eckzimmer des zweiten Stocks mit den gemalten Fensterscheiben wohnte der große Reformator bei dem hessischen Rentmeister Balthasar Wilhelm; dort unterschrieb er auf seinem Schmerzenslager die Artikel. Das Haus ist im Wesentlichen unverändert geblieben, nur hat sein jetziger Besitzer, Herr Feodor Wilisch, das Erdgeschoß für seine Buchhandlung eingerichtet.
Wir setzen unsern Weg fort durch die Herrengasse, über den Neumarkt, durch die Weidebrunnergasse, an jenem großen steinernen Hause vorbei, wo der Legat wohnte, und wir gelangen nach dem Weidebrunnerthore, der bedeutendsten der Vorstädte. Sprühende Essen, pfauchende Blasbälge, der Klang der Hämmer und das Geräusch der Feilen bekunden, daß Vulcan hier seine Werkstatt aufgeschlagen, und hier werden bis auf den heutigen Tag „Schmalkalder Artikel“ gemacht; freilich keine kirchlichen Bekenntnißschriften, sondern die unter diesem Namen bekannten Eisenwaaren.
Schmalkalden ist jetzt ein betriebsames Städtchen von fast sechstausend Einwohnern, das die geschätzten Erzeugnisse seiner Maschinen-, Ahlen-, Striegel-, Löffel-, Zangen- und anderen Fabriken in alle Welt versendet. Auch hat es ein heilkräftiges Sool- und Mineralbad.
Hiermit sind wir mit einem Male aus der großen Vergangenheit wieder in der nüchternen Gegenwart angelangt. Nüchtern ist sie und doch auch groß und der Reformationszeit in manchen Stücken ähnlich, denn auch sie ist eine Zeit des Kampfes zwischen dem (diesmal unfehlbaren!) Papste und dem protestantischen Deutschland. Aber welch wunderbare Wandlungen von damals bis jetzt! Das durch jenen Religionsstreit zerrissene und geschwächte Vaterland ist wieder geeint und mächtiger als je zuvor; die deutsche Kaiserkrone prangt auf einem protestantischen Haupte, und weise Gesetze gewähren jedem Deutschen freie Religionsübung.