Aus dem Leben eines Geretteten

Textdaten
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Titel: Aus dem Leben eines Geretteten
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 46, S. 668
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1858
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[668] Aus dem Leben eines Geretteten. Ueber den Brand der „Austria“ laufen noch immer Mitteilungen ein, aus denen wir schaudernd erfahren, daß kaum je ein so entsetzliches Ereignis; auf offenem Meere sich zugetragen hat. Mancher der Geretteten verlebte Stunden, deren Schrecken zu schildern kaum möglich ist. Unter den glücklich Zurückgekehrten hatte namentlich der zweite Officier der „Austria“, B. Heitmann, Furchtbares zu erdulden, ehe eins der Rettungsboote der „Maurice“ ihn fand und aufnahm. Heitmann ward bald nach Entstehung des Feuers, beschäftigt, eins der Boote, dessen Führung ihm zukam, herabzulassen, über Bord gedrängt. Die Angst der Passagiere hatte eine solche Höhe erreicht, daß sie nach der Schilderung dieses Augenzeugen an Raserei grenzte. Es war unmöglich, sie abzuhalten von den Booten, um diese zu lösen und in’s Meer zu lassen. Die Mannschaft, deren Geschäft dies war, konnte sich nur mit Gewalt Bahn brechen. Als es dem Genannten endlich gelang, die Taue zu lösen, stürzten sich so Viele auf einmal in das Boot, daß es mit einem gewaltigen Ruck niederglitt. Der Officier war genöthigt, zu folgen, um das Boot zu steuern. Durch die Menge der auf einmal sich hinabstürzenden Menschen aber brach der Boden des Bootes durch, während es fast noch sechs Fuß über dem Wasser hing. Alle darin Befindlichen sanken kopfüber in’s Meer, und wahrscheinlich ist kaum Einer dieser Unglücklichen gerettet worden. B. Heitmann, ein gewandter Schwimmer, behielt jedoch seine Geistesgegenwart. Er wußte, daß, gerieth er in’s Kielwasser des Dampfers, das ihn zur Schraube fortreißen mußte, er von den Eisenflügeln derselben rettungslos zermalmt wurde. Mit Anstrengung aller Kräfte schwamm er daher in’s offene Meer hinaus. So kam er aus dem Bereich des flammend fortsegelnden Kolosses. Aber er trug seine volle Uniform und Stiefeln an den Füßen. An baldige Rettung war nicht zu denken, und schon fühlte er seine Kräfte schwinden! Wollte er sich schwimmend halten, so mußte er sich vor Allem der behindernden Fußbekleidung zu entledigen suchen. Nur mit einem Arme rudernd, unternahm er es, die Stiefeln abzustreifen, ein schweres Stück Arbeit, mit dem er nach langem Mühen doch glücklich zu Stande kam. Nun aber war er ganz erschöpft. Um nicht zu sinken, legte er sich auf den Rücken. Da trafen seltsame Stöße seine Schultern, und die Schnauzen großer Fische wurden dicht neben ihm sichtbar. War unter diesen Ungeheuern der Tiefe vielleicht auch ein gefräßiger Hai? Wer konnte das wissen! So begann denn der Verlassene auf’s Neue zu rudern, bis die Kräfte abermals erschöpft waren und er doch wieder seine Zuflucht zu der rettenden Lage auf dem Rücken nehmen mußte. Immer fanden sich dann regelmäßig die stoßenden Fische ein. Diesen gesellten sich aber noch weit gefährlichere Feinde zu. Es waren lang- und spitzschnäblige große Seevögel. Die treibenden Leichname mochten sie angelockt haben, und auch den Lebenden hielten sie für todt. Ihre Schwingen berührten den auf den Wellen Liegenden und ihre Schnäbel konnten sich jede Secunde in seine Augen bohren. So in steter Gefahr schwebend, entweder zu ertrinken oder der Raub eines hungrigen Seefisches oder endlich durch die nicht zu verscheuchenden Vögel seiner Augen beraubt zu werden, schwamm der Gerettete volle sechs Stunden im Ocean umher. Da erst nahete sich das rettende Boot und nahm ihn an Bord. Sechs so verbrachte Stunden wiegen in dem Leben eines Menschen schwerer als Jahrzehnte.