Textdaten
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Autor: Christian Ludwig Brehm
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Titel: Aus dem Leben des Haushundes
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 19, S. 297–300
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1860
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
s. Aus dem Leben des Haushundes in Heft 34
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Aus dem Leben des Haushundes.

Von Dr. Ludwig Brehm.

Es ist lange meine Absicht gewesen, einige Erfahrungen über das geistige Wesen des Haushundes zu veröffentlichen, welche ich selbst machte oder durch glaubwürdige Freunde erfuhr. Wenn ich die hier mitzutheilenden Thatsachen auch nicht gerade als durchaus neue oder wenigstens unbekannte Geschichten ansehen darf, kann ich doch ihre Wahrheit verbürgen, und somit glaube ich immerhin, nichts Unwillkommenes zu bieten. Möglich, daß ich durch sie auch andere Beobachter aufmuntere, ihre Erfahrungen an diesem Orte zu veröffentlichen, und hierdurch die so anziehende Thierseelenkunde wenigstens mittelbar bereichere. Und dann ist meine Arbeit mir überreich belohnt worden.

[298] Wenn wir über den Charakter des Hundes berichten: des Hundes, unseres treuesten, wahrsten, edelsten Freundes, des so oft verkannten, selbst unwissentlich oder unwillentlich geschmähten Thieres, so müssen wir nothwendig auch hervorheben, wie das Thier sich im innigen Umgange mit dem Menschen veredelt. Der Hund opfert sein ursprüngliches Wesen, seine Selbstständigkeit, kurz sich selbst dem Menschen auf und gibt im Umgange mit ihm Hunderte von Beweisen für seine Biederkeit, Klugheit und Gemüthlichkeit, während man bei den verwilderten Thieren derselben Art alle guten Eigenschaften des Hundes, etwa mit Ausnahme seiner Klugheit, kaum noch bemerkt. Im gezähmten Zustande ist der Hund das treue Abbild seines Herrn, im Guten wie im Bösen; und nur selten kommt es vor, daß ein Hund, welcher von edlen Menschen gut behandelt wird, einen schlechten Charakter besitzt. Ich kann aus eigener Erfahrung auch hierfür ein Beispiel erzählen. Mein seliger Vater besaß einst solch einen Hund; er war wachsam bei Tage und bei Nacht, zeigte sich aber im hohen Grade menschenfeindlich. Jeder Fremde wurde angemeldet und jeder Bettler mit solchem Zähnefletschen angebellt, daß man immer besorgt sein mußte, er werde den armen Menschen gefährliche Wunden beibringen. Wachsamkeit war die einzige Tugend dieses Hundes; im Uebrigen war er eins der häßlichsten Thiere, welche ich je gesehen habe. Sein grämliches Wesen hatte gar keine Grenzen. Wenn ihn ein Fremder ansah oder eines der Hausgenossen auf ihn zuging, knurrte er, und wenn ein Kind mit ihm spielen wollte, fuhr er nach ihm und biß es nicht selten so sehr, daß es laut aufschrie.

Das Merkwürdigste bei ihm war aber der Umstand, daß seine Folgsamkeit gegen seinen Herrn und seine Furcht vor ihm nur kurze Zeit nachhielt. Der Zorn überwältigte ihn zuweilen derart, daß er nach meinem Vater biß. Geschah dies, dann war es höchste Zeit, ihn abzustrafen. Er wurde mit einem Ringe seinen Halsbandes an einem an der Wand befindlichen Haken aufgehängt und tüchtig durchgeprügelt. Eine solche Züchtigung wirkte sehr wohlthätig auf ihn, die Furcht vor seinem Herrn kehrte wieder und machte ihn gehorsam: er schien wie umgewandelt. Allein dies dauerte nicht lange, nach vierzehn Tagen zeigte er schon wieder sein grämliches Wesen, und da dieses nicht zu bewältigen war, wurde er bald weggegeben.

Wie sehr steht das Betragen dieses Hundes der Gemüthlichkeit und Klugheit anderer entgegen? Ein naher Verwandter von mir hatte einen äußerst wachsamen Hund, welcher im ganzen Hause frei herum laufen konnte und bei Tage wie bei Nacht das geringste Geräusch durch Bellen anzeigte. Einstmals um Mitternacht kam dieser Hund laut bellend an das Schlafzimmer seines Herrn, kratzte an der Thüre, lief wieder fort und bellte unten. Bald darauf wiederholte er dasselbe Betragen; allein er wurde auch diesmal so wenig als das erste Mal verstanden. Er lief zum dritten Male fort, kam zum dritten Male wieder und kratzte lange Zeit laut bellend an die Thüre. Doch auch dieses Mal wurde nicht auf ihn gehört. Da lief er zum vierten Male fort und bellte unten wohl eine Viertelstunde lang.

Am andern Morgen zeigte es sich, wie klug der Hund gehandelt hatte. Am Fenster des Gewölbes war mit einem noch daneben stehenden Pfahl ein eiserner Stab umgebogen; und die Fußtritte unter dem Fenster zeigten deutlich, wie sehr sich die Diebe bemüht hatten, den Eingang zu eröffnen. Der Hund wollte dieses Verbrechen seinem Herrn anzeigen: deswegen bellte er vor der Thüre des Schlafzimmers, kratzte an derselben und lief fort, um zur Verfolgung der Diebe zu ermuntern, hatte jedoch durch sein Bellen Diese glücklich verscheucht. Sie waren eine Stunde weiter gegangen und hatten ein anderes Pfarrhaus, in welchem sich kein so wachsamer und kluger Hund befand, ausgestohlen.

Einen äußerst klugen Hund besaß mein verstorbener Freund, der Oberförster Heerwart in Wüstenwetzdorf bei Auma. Der Hund hieß Baskow, war ein ausgezeichneter Hühnerhund, stand sehr gut, suchte mit ebensoviel Geschick als Ausdauer und fing ein Reh, wenn es auch ganz leicht verwundet war oder wenn es, wie sich mein Freund ausdrückte, ein einziges Schrot hatte.

Einst bekam Heerwart ein lebendes junges Reh und zog es auf. Baskow erkannte sehr bald die Stellung, welche er gegen diesen kleinen Liebling seines Herrn einzunehmen hatte. Er verfolgte das Reh nicht nur nicht, sondern schonte es auf alle Weise, und ließ sich Alles von ihm gefallen. Das merkte sich der kleine Rehbock sehr gut. Sobald sein Gehörn zu wachsen anfing, band er mit dem gewaltigen Hunde an, ging auf ihn los und trieb ihn vor sich her. Seine grenzenlose Unverschämtheit veranlaßte ihn sogar, den Hund in seiner Hütte zu beunruhigen! Wenn unser Baskow ruhig darin lag, stellte sich der kleine Störenfried vor dieselbe und stieß mit seinen kleinen Spießen so lange auf ihn, bis jener seine Hütte verließ. Diese nahm dann der Rehbock ein und behauptete sie so lange, als er Lust hatte. Baskow fühlte sich dadurch sehr gekränkt, das zeigte sein ganzes Wesen; allein er bezwang seine Wuth, weil ihm seine Klugheit rieth, sich bei allen diesen Unbilden ruhig zu verhalten.

Dieser Baskow zeigte seinen Verstand auch auf andere Weise. Er bewachte z. B. das Eigenthum seines Herrn mit größter Sorgfalt. Wenn Heerwart in einen Gasthof der Umgegend kam, stellte er sein Doppelgewehr in einen Winkel und legte seine Jagdtasche daneben. Sogleich nahm der treue Hund auf dieser Platz und machte ein solches Gesicht, daß es Jedermann verging, sich ihm zu nähern. Einst zeigte er eine ganz besondere Klugheit. Sein Herr hatte seine Mütze weit von der Jagdtasche auf einen Tisch gelegt und das Zimmer verlassen. Der Hund sah fortwährend nach der Thüre, und als der Herr mit seiner Rückkehr verzog, lief er nach dem Tische, faßte die Mütze mit der Schnauze, trug sie in den Winkel und legte sie neben die Jagdtasche, offenbar in keiner anderes Absicht, als um sie in der Nähe zu haben und sie sicher bewachen zu können.

Der Schwiegersohn Heerwarts besitzt unter den drei von Letzterem geerbten Hunden einen Hühnerhund, welcher ebenfalls sehr klug ist. Er sucht, steht und apportirt nicht nur vortrefflich, sondern leistet auch im Innern des Hauses allerlei Dienste. Dafür sorgt er aber auch, daß er nicht Hunger leide, und thut dies auf sehr geschickte Weise. Wenn er nicht zur bestimmten Zeit sein Futter bekommt, nimmt er seinen Freßtrog, der in der Gesindestube steht, in den Rachen, trägt ihn, sobald die Thüre aufgeht, über die Hausflur, und sobald die Thüre vom Wohnzimmer des Herrn geöffnet wird, in dieses. Dort stellt er ihn vor seinen Herrn hin, und dieser läßt ihm dann auch sogleich seinen Futternapf füllen. Aber er sorgt nicht blos für sich allein, sondern zuweilen auch für seine Gefährten. Vor Kurzem, als sich sein Herr nicht im Erdgeschosse, sondern im ersten Stocke aufhielt, trug er alle drei Futternäpfe auf den obern Saal und stellte sie hin. Als sein Herr herauskam, sah er ihn mit einem bittenden Blicke an, um ihm zu sagen, daß noch keiner der andern Hunde sein Futter bekommen hätte.

Einen merkwürdigen Beweis von Gemüthlichkeit gab ein Hund, welchen der Pfarrer Oertel zu Trebnitz bei Roda besaß, vor einigen Jahren. Er lebte seit langer Zeit mit der Hauskatze in schönster Eintracht und widerlegte dadurch das Sprüchwort: „Sie leben wie Hund und Katze.“ In hohem Alter wurde die Katze ganz schwach und kränklich, und suchte die Wärme des Sonnenscheins zu genießen. Sobald sie den Glanz der Sonne bemerkte, verließ sie ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort, den Platz unter dem Ofen und ging, wenn sich die Thüre öffnete, hinaus auf den Hof, um sich im Sonnenschein zu wärmen. Allein ehe Jahr und Tag verging, wurde sie so elend, daß sie nicht mehr in den Hof kriechen konnte. Was that der Hund, ihr treuer Freund? Er lag nicht nur nach wie vor die längste Zeit ganz nahe neben der armen Katze, offenbar in der Absicht, sie mit seinem Körper zu wärmen, sondern er gab auch genau Achtung auf die Witterung. Sobald die Sonne schien, nahm der zärtliche Hund die Katze in die Schnauze, wartete, bis die Thüre aufging, und trug sie auf dieselben Stellen, welche sie früher aufgesucht hatte, um sie den Sonnenschein genießen zu lassen. Sobald jene Plätze in Schatten kamen, holte er sie wieder ab und trug sie an ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort, unter den Ofen. Sie ließ sich dieses liebevolle Betragen gern gefallen und bezeigte ihm ihre Dankbarkeit durch zärtliche, dankbare Blicke; und der Hund setzte diese Pflege der altersschwachen Katze bis zu ihrem Tode unermüdet und unausgesetzt fort.

Ein anderes Beispiel von der Freundschaft eines Hundes gegen eine Katze ist ebenso auffallend, vielleicht noch auffallender. Der verstorbene Rentamtmann Dreßler in Neustadt an der Orla besaß einen Hund und eine Katze, deren Eintracht oder vielmehr Zärtlichkeit allgemeine Bewunderung erregte. Einst befand sich der Medicinalrath Dr. Schellenberg aus Neustadt, welcher mir diese merkwürdige Geschichte erzählte, in dem Wohnzimmer des Rentamtmanns, wo Hund und Katze wie gewöhnlich unter dem Sopha lagen. Ein Fremder trat mit seinem Hunde in die Stube; der Hund [299] bemerkte die Katze und fuhr wüthend auf sie los. Augenblicklich erhob sich der Haushund zum Schutze seiner Freundin, griff den fremden Ruhestörer ingrimmig an und biß sich so heftig mit ihm herum, daß die beiden Hunde kaum auseinander zu bringen waren. Im Verlauf einer Viertelstunde fing der fremde Hund zwei Mal die Feindseligkeiten mit der Katze wieder an und wurde zwei Mal von dem Haushunde tüchtig mitgenommen und von seinem Herrn mit Mühe zur Ruhe gebracht. Da er aber fortwährend knurrte und mit grimmigem Blicke nach der Katze hinsah, lief der Haushund nach der Mütze des Fremden, faßte sie mit der Schnauze und brachte sie demselben, um ihn auf eine verständliche Weise zum Fortgehen zu bewegen. Die drei Anwesenden freuten sich sehr über die Klugheit des treuen Thieres; der Fremde ging, und der Haushund begleitete ihn mit deutlichen Zeichen der Freude bis an die Thüre.

Ich selbst besaß einen Hund und eine Katze, welche Beide weiblichen Geschlechts und so vertraut mit einander waren, daß sie ihre Wochenbetten neben einander aufschlugen. Bald krochen die Jungen beider sonst einander feindseligen Thiere unter einander herum und wurden abwechselnd von dem Hunde und der Katze erwärmt und gesäugt.

Auch unser jetziger Hund hat viel Verstand. Er ist sehr klein, aber so muthvoll, daß er selbst sehr große Thiere, wie Pferde und Ochsen, anbellt. Er ist sehr wachsam; sobald aber ein Fremder einmal im Zimmer Platz genommen hat, ist er zutraulich gegen ihn und beweist ihm volles Vertrauen, indem er auf seinen Schooß springt. Sehr gern geht er mit mir aus und merkt es sogleich, wenn ich zum Weggehen Anstalt mache. Sobald dies geschieht, sucht er zu entkommen, um mich außerhalb des Hauses zu erwarten, weil es ihm auf diese Art doch zuweilen gelingt, daß ich ihn noch mitnehme. Sage ich ihm aber, während er noch unter dem Ofen liegt: „Du kommst mit!“ dann ist er ganz außer sich vor Freude. In fremden Häusern bekommt er oft Langeweile und dann freut er sich sehr, wenn er sieht, daß ich mich zum Weggehen anschicke. Vorigen Herbst suchte er mich auf eine deutliche Weise dazu zu bewegen. Ich befand mich mit ihm in dem Hause eines benachbarten Freundes, von welchem ich gegen Abend wegzugehen pflege. Als diese Zeit kam, bemerkte ich bald, daß der Hund Langeweile hatte. Er sah mich an und dann nach der Thüre, um mich an das Weggehen zu erinnern. Als diese Mahnungen vergeblich waren, sprang er an den Tisch, auf welchem meine Mütze lag, warf sie herunter und da er an das Apportiren nicht gewöhnt ist, schob er sie mit den Vorderfüßen fast über die ganze Stube nach mir hin, hierdurch allgemeine Heiterkeit erregend. Ich hob die Mütze auf und als ich ihm zurief: „Du hast Recht, wir wollen nach Hause,“ war seine Freude, welche er auf alle Art äußerte, sehr groß.

Der verstorbene Steuereinnehmer L. in A. hatte einen Hund, welchen er sehr liebte. Der Hund erwiderte diese Liebe auf alle Weise. Sein Herr wurde krank; der Hund wich nicht von seinem Krankenlager; sein Herr starb, und der Hund würde dessen Leiche nicht verlassen haben, wenn er nicht mit Gewalt davon entfernt worden wäre. Als der Herr begraben wurde, folgte der Hund dem Leichenzuge und gab Achtung, wo der Sarg mit der Leiche seines lieben Herrn eingesenkt wurde. Nach Beendigung der Leichenfeier legte er sich auf das Grab und besuchte dieses lange Zeit täglich.

Aber auch gegen andere Hunde zeigen diese treuen Thiere oft eine große Liebe. Wir hatten früher zwei Haushunde, welche, weil sie beide männlichen Geschlechts waren, nicht immer in großer Freundschaft mit einander lebten, sondern sich oft mit einander herumbissen. Allein die Gewohnheit hatte doch ein gewisses Band um sie geschlungen. Denn als der Eine von ihnen gestorben und in meinem Hofe begraben worden war, scharrte der noch lebende täglich auf dem Grabe des Andern, um ihn wieder an das Licht zu bringen; er hatte ihn also trotz der öftern Kämpfe doch lieb gehabt.

Ein anderes Beispiel von brüderlicher Liebe gaben zwei Hunde im Altenburgischen. In einem Dorfe, nicht weit von Altenburg, wenn ich mich recht erinnere, in Treben, wurden von einer Familie junger Hunde zwei männliche behalten. Der eine blieb in Treben, der andere kam in ein anderes, nicht weit von Treben entferntes Dorf und wurde verschnitten. Diesen besucht der andere Hund täglich, bleibt einige Zeit bei ihm und kehrt dann zurück. Um ihn zum Besten zu haben, versperrte man ihm den Weg und trieb ihn mit Gewalt zurück. Allein er ließ sich dadurch nicht abhalten, er machte einen großen Umweg und kam von einer andern Seite glücklich zu seinem Bruder, welchen er auch später täglich besuchte.

Die Gemüthlichkeit des Hundes zeigt sich auch besonders bei der Erziehung seiner Jungen. Er pflegt, beleckt und säugt sie mit einem wahrhaften Wohlbehagen. Wenn eins derselben fehlt, sucht er überall darnach und freut sich ungemein, wenn er es gefunden hat. Wir besaßen einst eine Hündin, welche davon ein merkwürdiges Beispiel gab. Von den Jungen, welche sie hatte, wurde eins einem Bauer in Kleinebersdors, einem achtzehn Minuten von hier entfernten Dorfe, übergeben. Der alte Hund war außer sich, lief schnuppernd im ganzen Hause herum, um sein Kind zu suchen, und als er es da nicht fand, verließ er das Haus und brachte kurze Zeit darauf das Junge, welches er mit vieler Mühe hierher geschleppt hatte, indem er es mit der Schnauze an dem einen Beine faßte und theils forttrug, theils fortzog. Der junge Hund wurde wieder zum Bauer gebracht und von dem alten wieder geholt. Dies ging so lange fort, bis der junge Hund der mütterlichen Pflege entwachsen war.

Als Hauslehrer besaß ich einen Hühnerhund, Namens Waldmann, welcher so klug und gemüthlich war, daß ich ihm in diesen viel gelesenen Blättern ein Denkmal setzen muß. Mit dem frühesten Morgen stand er vor der Thüre meines Zimmers, um das Oeffnen derselben zu erwarten, weil er wußte, daß ich früh an meinem Schreibtische saß. Sobald mir der Kaffee gebracht wurde, kam er herein und blieb vor mir stehen, um seinen Morgengruß zu empfangen. Es kam nicht selten vor, daß ich, mit einer alle meine Gedanken in Anspruch nehmenden Arbeit beschäftigt, ihn nicht sogleich bemerkte. Das störte ihn aber gar nicht, er wartete ruhig viertelstundenlang, bis ich ihm zurief: „Nun, Waldmann, bist Du da? Du bist ein guter, lieber Hund.“ Jetzt streichelte ich ihm mit der Hand den Kopf und Nacken und bezeigte durch Blick und Gebehrde meine Liebe. Während er diese Liebkosung empfing, sah er mich mit einem ganz eignen Blicke, in welchem sich Freude und Dankbarkeit aussprach, eine Zeit lang an und ging dann unter den Ofen, seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort, um sich dort niederzulegen. Er verstand meine Sprache vollständig. Wenn ich im Begriff war wegzugehen und zu ihm sagte: „Waldmann, Du kannst nicht mit,“ ging er betrübt unter den Ofen. Sprach ich aber: „Waldmann, Du kannst mit,“ dann war er ganz außer sich vor Freude, sprang hoch empor und eilte nach der Thüre.

Seine Anhänglichkeit an meine Person war sehr groß. Einst mußte ich eine Reise unternehmen, welche ich zu Fuße machte. Ich ging früh weg und bat, den Waldmann nicht aus dem Hause zu lasten. Als ich vier Stunden weit gegangen war, kam mein Waldmann hinterdrein, ganz ermattet, mit weit vorgestreckter Zunge lechzend, denn er war ohne Frühstück entwischt und sehr schnell gelaufen. So ärgerlich mir seine Ankunft war, so freundlich begrüßte ich ihn und um ihn zu erquicken, theilte ich meinen Reiseproviant redlich mit ihm. In meinem Nachtquartiere sollte er vor meiner Kammerthüre schlafen, allein er sah mich mit einem so traurigen und flehentlichen Blicke an, daß ich ihn mit in die Schlafkammer nahm. Darüber war er sehr erfreut und legte sich nahe an meinem Bette nieder.

Seine Anhänglichkeit an mich war um so anerkennungswerther, da ich ihn nicht fütterte, und er gegen einen andern Bewohner des Hauses, welcher ihn auch mit auf die Jagd nahm, sich sehr widerspenstig zeigte. Dieser scheinbare Widerspruch läßt sich aber daraus leicht erklären, daß er viel Ehrgefühl und Empfindlichkeit besaß. Ich behandelte ihn stets mit großer Liebe und gab ihm nie einen Schlag, auch dann nicht, wenn er, von seiner Hitze verleitet, mir auf der Jagd einen Verdruß gemacht hatte. Der Andere aber fuhr ihn an und züchtigte ihn, wenn er nicht folgen wollte. Dies empörte ihn so sehr, daß er sich niederlegte und ruhig prügeln ließ, ohne aufzustehen, was er sollte. Ich glaube gewiß, er hätte sich todtschlagen lassen, ehe er Gehorsam geleistet hätte.

Auch auf der Jagd zeigte es sich, daß er mich vollkommen verstand und mir willig folgte. Einst schoß ich auf einem mit Kalmus und Riedgras bewachsenen Teiche ein gepaartes Paar Kräckenten. Das Männchen war auf der Stelle todt; das flügellahme Weibchen hatte sich in dem tiefen Grase meinen Blicken entzogen. Waldmann brachte mir jenes und sah mich gewissermaßen forschend und fragend an, was er weiter thun sollte. „Such’! such’!“ war meine Antwort. Sogleich lief er wieder in den Teich nach der Stelle hin, welche ich ihm mit dem Finger zeigte, und durchstöberte Alles weit und breit, ohne die Ente zu finden. Schon [300] glaubte ich, sie einzubüßen, aber mein Waldmann kannte die Gewohnheit der verwundeten Wasservögel besser, als ich sie zu jener Zeit kannte. Er wußte, daß die Verwundeten häufig das Wasser verlassen und sich auf das Trockene begeben. Deshalb sprang er aus dem Teiche heraus und lief längs dem Ufer um denselben herum. Er hatte ihn fast umkreist, ohne etwas zu finden. Jetzt aber fuhr er zu, ergriff die Ente und brachte sie mit großen Sprüngen und sichtbarer Freude, welche noch größer wurde, als ich sie ihm unter Liebkosungen abnahm.

Von seiner Geschicklichkeit im Auffinden eines geschossenen Vogels noch zwei Beispiele. Einst hatte ich, ohne daß er gegenwärtig war, in einem mit hohem Riedgrase bewachsenen Teiche zwei weißäugige Enten geschossen, welche wegen des tiefen Grases, in dem sie lagen, vom Ufer aus nicht gesehen werden konnten. Ich holte meinen treuen Hund und befahl ihm, die Enten zu suchen. Er sah mich fragend an, denn er wußte nicht, wohin er schwimmen sollte. Ich zeigte ihm mit dem Finger den Weg, allein er war bei dem Schwimmen zu weit rechts gekommen. Ich wies mit dem Finger links. Sogleich schlug er diese Richtung ein und brachte nach kurzer Zeit die eine Ente. Ich nahm sie ihm unter Lobsprüchen und Liebkosungen ab und befahl ihm, die andere herbeizuholen. Er sprang sogleich wieder in den Teich, folgte genau der Weisung meines Fingers und legte nach wenigen Minuten die zweite Ente in meine Hand, indem er mich mit einem triumphirenden Blicke ansah. Natürlich liebkoste ich ihn jetzt ganz besonders zärtlich, worüber er hoch erfreut war.

Ebenso fand er später ein in tiefem Rohre liegendes Wasserhuhn, welches ich Tags vorher geschossen hatte und dessen Lagerstelle ich ihm nur mit dem Finger zeigen konnte. Er war auch äußerst gewandt im Fangen der nicht flugfähigen Enten, Teich- und Wasserhühner, denn er ergriff sie nicht nur auf der Oberfläche des Wassers und holte sie aus den dichtesten Schilf- und Rohrwäldern heraus, sondern brachte sie auch von dem Grunde des Teiches herauf. Einst legte er im April ein völlig flugfähiges Teichhuhn, welches er unter einem Erlenstocke hervorgezogen hatte, vor mich hin. So erpicht und gewandt er war, Säugethiere und Vögel in der Freiheit zu fangen, so nachsichtig und liebevoll zeigte er sich gegen die in meinem Zimmer frei herumlaufenden und herumfliegenden Vögel. Er that ihnen nicht das Geringste zu Leide, deswegen verloren sie auch alle Furcht vor ihm und hüpften ganz nahe um ihn herum.

Mit einem jungen Kiebitze schien er eine Art von Freundschaft geschlossen zu haben, denn von ihm ließ er sich Alles gefallen. Das merkte der Kiebitz bald und wurde so dreist, daß er ganz keck über den unter dem Ofen liegenden Waldmann hinweglief.

Alle diese Geschichten beruhen auf Thatsachen, welche ich verbürgen kann. Nächstens berichte ich vielleicht noch einige.