Aus dem Gedenkbuche der Gartenlaube (52/1859)

Textdaten
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Autor: Ernst Moritz Arndt
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Titel: Aus dem Gedenkbuche der Gartenlaube
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 52, S. 757
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1859
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Aus dem Gedenkbuche der Gartenlaube.

Es regt sich allenthalben in Europa, vorzüglich aber im deutschen Lande, ein neuer lebendiger Geist, von welchem die Väter nichts wußten, und von welchem die Söhne nicht wissen, wie sie dazu gekommen sind. Es schwankt über nach allen Seiten, weil das Flickwerk, das der Zufall meistens in der langen Anarchie des Mittelalters gebaut hat, nicht mehr sein Gleichgewicht hält, und weil man für die neue Zeit noch kein Maß weiß.


Ich ahne, daß aus dem Verstand, aus der Einsicht, die dann nicht mehr verloren werden kann, weil der Geist sie durch Reflexion bewacht, daß aus dieser eine kräftigere politische Schöpfung werden wird, weil die Staatsregenten und die Gebildeteren endlich das Rechte thun, weil sie es müssen, aus Interesse. Ich sehe aus dem unendlichen Wissen ein Gewissen entspringen, einen seelenvollen Verstand der Völker und Menschen von ihrem Verhältnisse zu einander; der Glanz des Waffenruhms, die Ueberziehung ferner Welttheile wird seltner werden; die verständigeren Enkel werden sich wundern, daß ihre Vorväter so unklug sein konnten. Die Menschen, kräftiger und stärker beim hohen Wissen und Gewissen, werden die Scham der Etikette und Convenienz verbannen, und dafür die Scham setzen dessen, was unhold und unrecht ist. Aus solcher Welt wird die Kunst erblühen, ein schönerer Widerschein eines freudigen und stolzen Lebens.


Wir aber müssen vor allen Dingen, was an uns nicht mehr ganz möglich ist, an Denen thun, welche die künftige Generation lenken und für sie denken sollen, an den künftigen Regieren: und Führern der Menschen. Wir müssen diejenigen, welche der Zufall so glücklich setzte eine freie und edle Erziehung zu bekommen, für die Bedürfnisse einer besseren Zeit erziehen, die durch sie vorzüglich bester werden soll; denn nur durch eine menschliche Erziehung voll Kraft und stiller Männlichkeit ist den folgenden Geschlechtern zu helfen. Man muß die Menschen wieder als Menschen erziehen, den Jünglingen die Welt lang, weit und unendlich frei zeigen, sie nicht sogleich aus einen bestimmten Zweck hinweisen, der das Leben und den noch nicht entwickelten Verstand des Lebens einengt. So werden starke und stolz gestaltete Gemüther hervorgeben, wenn eine höhere Wirkkraft gegeben wird, die durch da« Leben wandelt; so werden die Enkel tapferer zum Herrschen und geduldiger zum Gehorsam werden.

Aus Arndt’s 1803 erschienenem Buche: „Germania und Europa“.




Arndt.
91. Geburtstag d. 26. Dec. 1859.