Aus Mecklenburg
[592] Aus Mecklenburg. Als ein Seitenstück zu dem, was sich mecklenburgische Ritter namentlich den kleinen Landstädten gegenüber, welche theilweise ihre Nahrung aus den großen Gütern ziehen, erlauben dürfen, ohne dafür exemplarisch gestraft zu werden, will ich Ihnen einen Fall mittheilen, der die kürzlich in der Gartenlaube geschilderten Uebergriffe des Herrn von Arenstorff noch hinter sich zurückläßt. In der Nähe des Städtchens Krakow wohnt ein Herr von S…, auf dessen Besitzthum eines Abends in den vierziger Jahren ein armer Handelsjude aus der genannten Stadt hausirend einkehrte und, weil sich plötzlich heftiges Regenwetter eingestellt hatte, das ihn vorher ganz durchnäßte, um ein Obdach für die Nacht bat und es auch erhielt. In der Nacht wurde der alte Mann krank und starb gegen Morgen, ohne daß ihm Hülfe gegeben werden konnte. Dem Herrn wird die unangenehme Meldung gemacht und er schickt sofort seinen Reitknecht mit der Todesanzeige an die Stadtbehörde, der er die Aufforderung, die Leiche abzuholen, beifügte. Zu seiner Ueberraschung und größten Entrüstung lautet die Antwort ablehnend und auf die Verordnung verweisend, daß er für Bestattung des Gestorbenen zu sorgen habe. Kurz entschlossen läßt er anspannen und den Todten auf einen Büschel Stroh in einem Leiterwagen legen und zur Stadt führen. Zwei starke Knechte mußten mit aufsitzen und vorwärts ging’s bis zum Kirchhof. Dort angekommen, fuhr der Wagen dicht an die Mauer heran, die beiden vorerwähnten Knechte packten die Leiche je an Kopf und Füßen und schleuderten sie eins, zwei, drei über die Mauer. „Da habt Ihr Euren Juden!“ jubelten die Knechte und heim ging’s im sausenden Galopp.
Die Sache bedarf keines Commentars, um in ihrer ganzer Scheußlichkeit zu erscheinen; für die Wahrheit bürge ich Ihnen, und wer in Mecklenburg bekannt ist, wird von diesem Stück des edlen Ritters wohl wissen.