Aufgeklärtes und ruhiges Benehmen der Bürger der Stadt Leutershausen, und der Eingepfarrten zur Stadtkirche daselbst bey einem Entleibungsfall

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Autor: Anonym
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Titel: Aufgeklärtes und ruhiges Benehmen der Bürger der Stadt Leutershausen, und der Eingepfarrten zur Stadtkirche daselbst bey einem Entleibungsfall
Untertitel:
aus: Journal von und für Franken, Band 5, S. 611–615
Herausgeber: Johann Caspar Bundschuh, Johann Christian Siebenkees
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1792
Verlag: Raw
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Erscheinungsort: Nürnberg
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Originalherkunft:
Quelle: UB Bielefeld, Commons
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X.
Aufgeklärtes und ruhiges Benehmen der Bürger der Stadt Leutershausen, und der Eingepfarrten zur Stadtkirche daselbst bey einem Entleibungsfall.

Am 21 Julii 1792. hatte der adelich von Eib-Rammersdorfische Unterthan und Bierschenk, Andreas Hüftlein zu Mittelramstadt, einem Leutershauser Amts- und Pfarrort das Unglück, daß sich sein Eheweib, unter der Zeit, als er zu Leutershausen war, um bey der Geistlichkeit daselbst die Leiche seines an solchem Tag Morgens verstorbenen noch nicht gar 3 Wochen alten zweyten Kindes, das er mit diesem gezeugt, anzusagen, und andere Leichanstalten zu treffen, in einer Kammer mit einem an einen zur Fleischhäng vorhin gedienten Sprießel an einen Querbalken angemachten und in einer Schleife über den Kopf geworfenen Strick erhängte, nachdem es seine als Magd bey ihm dienende Schwester unter der Haushaltungs-Arbeit, nur ein wenig aus dem Gesicht verloren hatte.

Es kam zwar Hüftlein nicht gar zu lang darnach nach Haus; er war aber auch, gleich seinem von seiner Schwester, jener Magd, am| ersten herbeygehohlten Vater, dem von Eib-Rammersdorfischen Unterthan Michael Hüftlein zu Mittelramstadt, über den Vorfall zu sehr bestürzt, als daß er sich besonnen, den Strik, an dem sein Eheweib hing, abgeschnitten und einen Versuch gemacht hätte, solches wieder zum Leben zu bringen.

Er lief vielmehr zu seinem Amt nach Wiedersbach, und machte daselbst von dem Unglück, das ihm sein Weib zugezogen hatte, Anzeige, damit er nicht gestraft werden möchte, weil die Eibischen Unterthanen den strengsten Befehl haben, ohne vorherige Anzeige nichts vorzunehmen, oder sich zu dem Jurisdictional- und Fraischamt Leutershausen zu wenden.

Es vergingen also 5–6 Stunden, ehe dieses Nachricht von solchem traurigen Vorfall bekam.

Zu spät auf Lebensrettung zu denken, berichtete dieses die Sache zur königlichen Regierung nach Ansbach ein, nachdem es die Umstände und muthmaßlichen Ursachen von dem traurigen Entschluß des Hüftleinischen Eheweibs erkundigt und aufgenommen hatte, wobey aber nichts aufzufinden gewesen war, als daß es den 3 Tag vor heurigen Walpurgis erfolgten Tod| ihres ersten Kindes, während ihrer Schwangerschaft sich zu sehr zu Gemüthe gezogen habe, durch den Tod des zweyten Kinds aber, von dem sie noch in den Wochen war, so ganz in Schmerz versenkt worden sey, daß es sich gar nicht mehr fassen können.

Von der höchsten Behörde kam, wie von der Milde und Erleuchtheit derselben auch nicht anders zu erwarten war, die Resolution unverzüglich, daß der Leichnam dieser Unglücklichen, welche offenbar bloß das Opfer eines ausschweifenden Schmerzens, vereint mit der gewöhnlichen Reizbarkeit ihrer physischen Situation geworden ist, dem Ehemann zur ordentlichen Beerdigung, die jedoch ohne viele Umstände des Morgens unter dem gewöhnlichen Läuten geschehen könne, überlassen werden solle.

Es geschah dieses auch, nachdem man von Fraischamts wegen, die gedachte Verordnung dem Ehemann, wie allen herbey gerufenen Einwohnern eröffnet, diese zum Mitleid mit jenem und der Unglücklichen, so wie zum vernünftigen Betragen bey der Beerdigung ihres Leichnams dringend ermahnt und selbst den ersten Schritt gethan hatte, nach der Gewohnheit den Strick, an dem dieser noch gehangen,| mit einem Seitengewehr entzwey zu hauen und solchen dadurch los zu machen.

Die Beerdigung in dem Leutershauser Gottesacker ging andern Tags unter dem Läuten in die Frühkirche vor sich, und eine so wohl rührende als den Umständen ganz angemessene Rede von dem Herrn Stadtvicar Laubinger beschloß die Handlung.

Es gereicht nicht nur den Bürgern und Einwohnern der Stadt Leutershausen, sondern auch den Gemeindsleuten und Eingepfarrten von Mittelramstadt zur Ehre, daß von jener auch nicht die geringste Bewegung wegen der Beerdigung auf ihrem Gottesacker gemacht, und diese sich der fraischamtlichen Ermahnung so willig gefügt und die Leichträgerstellen dabey ohne Zwang angenommen und besorgt haben, und dieses um so mehr, als in diesem Stück noch vor kurzem eine große Finsterniß in einem benachbarten königlichen Amt unter den Leuten geherrscht hat, indem die Einwohner eines Dorfs desselben, die zum Tragen eines dem Amtknecht gestorbenen Kindes bestellt worden waren, ausgetreten sind, und die Widerspenstigkeit aus Vorurtheil auf das höchste getrieben haben.

| In dieser Rücksicht verdient auch dieser an sich traurige Fall Bekanntmachung in Blättern, die aufbewahrt werden, und mit der Zeit Archive von den Beweisen abgeben, wie das helle Licht der Vernunft, oder die Philosophie, nach und nach auch die niedern Classen der Menschen erleuchtet, ein Theil derselben aber eher als der andere zur Erkenntniß der Wahrheit dabey kommt.