Textdaten
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Autor: Wilh. F. Brand
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Titel: Auf der Themse
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 21, S. 356
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1897
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[344]

Auf der Themse.
Nach einem Gemälde von F. Gueldry.

[356] Auf der Themse. (Zu dem Bilde S. 344 und 345.) Dem Ausländer, der dem Britenlande einen Besuch abstattet und in die besonders charakteristischen und anziehenden Zustände dieses Inselreiches einen Einblick zu gewinnen trachtet, kann es nicht dringend genug empfohlen werden, auch das rege Treiben zu beobachten, das sich auf der Themse entfaltet. Dasselbe ist ungemein interessant, und zwar nicht nur unterhalb Londons, wo die Themse Weltstrom ist und die gewaltigsten Seefahrzeuge auf ihrem Rücken trägt, sondern auch vornehmlich oberhalb der Reichshauptstadt, wo alsbald der Einfluß von Ebbe und Flut aufhört, die Ufer näher zusammentreten und eine idyllische Lieblichkeit haben. Da wechseln wohlgepflegte Parkanlagen und kurz geschorene glatte Rasenflächen mit blumigen Auen und malerischen Hügelketten, mit altertümlichen Städtchen und Dörfern ab. Da erhalten wir aber auch eine treffliche Anschauung von der wunderbaren Entwicklung des Flußlebens. Hunderte, ja Tausende von Fahrzeugen aller Art – von den Dampfjachten und den mit elektrischer Kraft getriebenen Booten sowie den stolzen Segelbooten bis zu den leichtesten und elegantesten Ruderbötchen und Canoes – gleiten an uns vorüber während an besonders malerisch gelegenen Inselbuchten und schattigen Gestaden oft lange Reihen von „House-Boats“, jenen schwimmenden Palästen, vor Anker liegen, aus denen ganze Familien den Sommer hindurch in erbaulicher Wasserdorfgemeinschaft bei einander leben. Alles das macht einen äußerst fesselnden Eindruck, der bei besonderen Gelegenheiten noch einen erhöhten Reiz gewinnt, bei Regatten und sonstigen Flußfestlichkeiten, die auf der ganzen etwa 160 Kilometer langen Strecke von Oxford bis London heute hier, morgen da abgehalten werden. Eine dreitägige Ruderpartie von Oxford bis London ist von mir bereits in der [[Eine Ruderfahrt auf der Themse|„Gartenlaube“, Jahrgang 1885, S. 538, geschildert worden.

Auf dieser Strecke sind etwa vierzig Schleusen angelegt, wodurch das Gefälle des Flusses wesentlich verringert wird. Obschon nun diese ihre Wasserthore an manchen Tagen immerfort öffnen und schließen müssen und, sobald das erforderliche Wasser eingelassen oder abgelassen ist – also alle paar Minuten –, Dutzende von Booten auf einmal fassen können, so ist der Andrang derselben zu Zeiten doch so groß, daß nicht alle in der Schleuse Raum zu finden vermögen. Wohl bereiten diese Bauten dem Ruderer neben dem Vorteil der Wasserregulierung auch eine störende Unterbrechung in seinem Kurse, aber sie bringen auch wieder mancherlei Kurzweil mit sich.

Eine solche Einfahrt flußabwärts steuernder Boote in eine Schleuse hat der Künstler unsres Bildes erfaßt und getreu wiedergegeben. Die flußaufwärts führenden Thore sind eben geöffnet und in wirrem Knäuel drängt sich nun die Masse der Boote durch die enge Oeffnung ein. Da kann natürlich von einer Handhabung der Ruder nicht mehr die Rede sein. Sie sind alle längst eingezogen. Mit Stangen und Bootshaken und mit den Händen schiebt man sich weiter. Das führt dann auch wohl zu gewissen „Anrempeleien“, und zwar nicht nur seitens der Boote, die immerfort gegeneinander stoßen und daher in solchem Gewoge auch leicht beschädigt werden, sondern auch von seiten der Insassen, wenn jemand zu rücksichtslos sich vordrängt. Aber es herrscht im allgemeinen hinreichender Takt und guter Humor, so daß gelegentlich auch ein etwas derberer Spaß ohne besondere Beanstandung verübt werden kann. Es mag uns schmerzlich sein, von dem spitzigen Schnabel plötzlich einen Stoß in den Rücken zu bekommen, schmerzlicher noch, unser Boot – ein ganz neues – immerwährend solchen Stößen ausgesetzt zu sehen, die stets solche abscheuliche Merkmale auf der vor kurzem noch tadellosen Lackierung hinterlassen, indessen, die Stöße können doch auch niemals wirklich fest kommen, da man sich in dem Gewirr ja immer nur langsam von der Stelle bewegen kann.

Noch durch diese eine Schleuse! Dann wird an der ersten schattigen Inselbucht Halt gemacht. Die Teppiche werden aus den Booten geholt und auf dem Rasen ausgebreitet; die Decken und die Regenmäntel und die großen Eßkörbe werden herbeigetragen, und nach des Vormittages Anstrengungen wird dann ein regelrechtes Picknick abgehalten. Es ist ein herrliches Leben auf der Themse und auf ihren Ufern. Wilh. F. Brand.