Auf dem Friedhof zu Burgdorf
[627] Auf dem Friedhof zu Burgdorf in der Schweiz befindet sich das Grab des Mannes, der in sturmdrohender Zeit, die bewegten Gefühle des deutschen Volkes in wenige Strophen zusammenfassend, aus begeistertem Herzen „die Wacht am Rhein“ gedichtet und seinem Volke damit ein Geschenk gemacht hat, dessen köstlicher Werth erst dreißig Jahre später empfunden werden sollte, soweit die deutsche Zunge klingt. „Ihrem Max Schneckenburger (geboren 17. Februar 1819, gestorben 3. Mai 1849) Seine Freunde“ lautet die in gothischen Lettern gravirte Grabschrift, und der liebenden, behütenden Sorgfalt der überlebenden Freunde danken wir es, daß wir heute, neben dem wohlgetroffenen Portrait des Dichters, auch dessen wohlgepflegte, von einem eisernen Kreuze überragte Grabstätte im Bilde bringen können.
[625][627] Vor mehr als zwanzig Jahren ward hier der erst Dreißigjährige zur ewigen Ruhe hinabgesenkt, gerade in jenen Tagen, da der Kampf um die Freiheit am heißesten entbrannt war, die Schneckenburger immer so sehr geliebt hatte. Der Sänger der „Wacht am Rhein“ war ein aufrichtiger, warmer Patriot, der sein deutsches Vaterland über Alles liebte mit kräftiger Hand schwang er die leuchtende Fahne des Fortschritts, und war stets bereit, mit ganzer Person, mit Wort und Schrift, für dieselbe einzutreten. Dabei war er ein treuer Freund und ein angenehmer Gesellschafter, der, wie uns einer seiner Freunde aus Interlaken schreibt, besondere Anlässe gerne mit Gedichten feierte und begleitete, wie er denn beispielsweise einer Geldsendung, die nach dem großen Brande Hamburgs aus Burgdorf dorthin ging, ein Gedicht beilegte, das sich vielleicht in Hamburg noch vorfindet, und dessen Schlußstrophe, mit leicht verständlicher Anspielung auf den Namen Hamburg, also lautete:
Drum, Brüder, laßt das Trauern
Und laßt das tiefe Weh’ –
Wir Alle helfen mauern
An uns’rer Burg der See.
Leider war es Schneckenburg nicht mehr vergönnt, den Triumphzug mitanzusehen, welchen sein einfaches, aber markiges Lied durch die deutschen Gauen und hinüber über den Rhein nehmen sollte; er durfte es nicht mehr erleben, wie lang verlorene, nie verschmerzte Länder unter den mannhaften Klängen seines Liedes von den deutschen Heeren dem deutschen Volke wiedererobert wurden; aber in ruhiger Sommernacht weht wohl ein Hauch jener Begeisterung, die heute rings durch die deutschen Lande von Haus zu Haus und von Herz zu Herzen einmüthig zieht, auch um das stille, einsame Grab auf dem Burgdorfer Friedhof, goldene Sterne grüßen leuchtend hinab zu dem stummen Schläfer, und aus der Ferne über das Feld herüber hallen verklingend die Worte:
„Lieb Vaterland, magst ruhig sein,
Fest steht und treu die Wacht am Rhein …“