Textdaten
Autor: Walther Kabel
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Titel: Arbeitstänze
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aus: Bibliothek für Alle, 4. Jahrgang, 11. Bd., S. 164–165
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Erscheinungsdatum: 1912
Verlag: Union Deutsche Verlagsgesellschaft
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Erscheinungsort: Stuttgart
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[164] Arbeitstänze.

In vielen Gegenden Europas pflegen die Leute bei der Ernte und anderen Verrichtungen, die von mehreren gemeinsam vorgenommen werden, sich den Arbeitsvorgang dadurch zu erleichtern, daß man ihn mit einem rhythmischen Gesang begleitet und zugleich die Arbeit in demselben Rhythmus ausführt. Eine ähnliche Erleichterung sucht man auch durch die taktmäßige Erledigung gewisser, besondere Kraftanstrengungen erfordernder Arbeiten zu erreichen. Hierfür sind die Steinrammer, die ihre schweren Stahlrammen stets in gleichen Zwischenräumen auf die Pflastersteine niedersausen lassen, das beste Beispiel. Dieser Gedanke, sich eine gemeinsam auszuübende Tätigkeit auf irgendeine Weise leichter zu machen, ist in recht eigenartiger Weise bei einigen Naturvölkern bis zu einem direkten Arbeitstanze ausgebildet worden. Beispiele solcher Arbeitstänze sind noch heute die Feldbestellung der Bagobo auf Mindanao und der Madegassen auf Madagaskar. Bei den Bagobo versammeln sich Männer und Weiber gleich nach Sonnenaufgang auf dem neuen Felde. Die Männer sind mit der Panaga, einem langen Stabe mit gespaltener Eisenspitze, ausgerüstet, während die Frauen Säcke mit Reis tragen. Die Männer gehen mit tanzartigen Bewegungen in zwei Reihen vor und stoßen dabei die Spitze der Panaga in gleichen Abständen in den Boden und zwar stets bei demselben schrillen Ton des von allen gemeinsam gesungenen Liedes. Die ihnen folgenden Weiber bücken sich stets in demselben Takt zur Erde nieder, füllen die Saatlöcher mit Körnern und scharren sie mit einer bestimmten Handbewegung zu. Von weitem gesehen, so berichtet der Engländer Stellings, machen diese beiden sich langsam und feierlich vorwärtsbewegenden Reihen von Menschen viel eher den Eindruck von Tanzenden als den Arbeitender. Nachdem so das [165] ganze Feld bestellt ist, wird in seiner Mitte auf einem zwei Meter hohen Pfahl eine mit Balabak, einem berauschenden Getränk, gefüllte Kokosschale als Opfergabe für die Götter aufgestellt, damit diese die junge Saat zu reicher Ernte ausreifen lassen. Hierauf begibt sich der Zug in derselben Ordnung nach der Beratungshütte des Dorfes, wo der Eigentümer des Feldes die Hilfeleistung seiner Stammesgenossen durch die Veranstaltung eines Balabakgelages belohnt.

Ähnlich ist der Vorgang der Feldbestellung bei den Madegassen. Doch verrichten hier nur Frauen die Arbeit. Dafür ist aber auch der Madegassen-Arbeitstanz reicher an rhythmischen Bewegungen und graziösen Körperstellungen, ebenso wie auch das dazugehörige Arbeitslied weniger eintönig klingt und der schrillen Auftakte ganz entbehrt.

Erwähnt sei, daß auch die Ureinwohner Mexikos eine ähnliche Verbindung von Tanz und Arbeit gekannt haben. Bei dem Frühlingsfeste erfolgte die erste Feldbestellung unter besonders feierlichen Zeremonien, zu denen sowohl bestimmte Gesänge als auch diesen angepaßte Tanzschritte der die Arbeit Ausführenden gehörten.

W. K.