Apokalypse des Esdras
des heiligen Propheten und Lieblings Gottes.
befand ich mich in meinem Haus
und rief zum Höchsten:
Herr, tue mir die Ehre an,
daß ich um deine Geheimnisse wisse!
und sagt zu mir:
Sei siebzig Wochen lang enthaltsam, Esdras, mein Prophet!
Ich fastete, wie er mich hieß.
und gab mir eine Lanze.
Dann sah ich göttliche Geheimnisse
und Gottes Engel.
Ich will mit Gott jetzt rechten,
[um das Geschlecht der Christen,]
ob’s besser für den Menschen sei,
gar nicht geboren zu werden,
als in die Welt zu kommen.
und sah im ersten Himmel eine große Engelschar,
und diese brachte mich zu den Gerichtsorten.
Erbarm dich unser, Esdras, du Erwählter Gottes!
Weh über Sünder, wenn sie den Gerechten über Engeln schauen
und selber in der Feuerhölle sind!
Erbarm dich deiner Hände Werke,
Mitleidiger und Vielbarmherziger!
Denn besser ist es, eine Seele zu bestrafen,
als dem Verderben gleich die ganze Welt zu überliefern.
Ich schenke den Gerechten Ruhe in dem Paradies
und walte als Erbarmungsvoller.
Warum beglückst du die Gerechten, Herr?
so auch empfängt im Himmel der Gerechte seinen Lohn.“
Wir wissen ja, daß du barmherzig bist.
Ich habe keinen Grund, mich ihrer zu erbarmen.
Sie können deinen Zorn nicht aushalten.
Das ist für solche.
Ich will dich haben so, wie Paulus und Johannes.]
das Kleinod der Jungfräulichkeit,
des Menschen Schmuck,
mir unversehrt zurück.
Viel besser wär’s, wenn Menschen nicht geboren würden,
viel besser, nicht zu leben.
weil’s nicht in Strafe kommt.
und übergibst uns dem Gericht.
Ihr Strafgericht ist ohne Ende,
die Flamme unauslöschlich.
kam Michael und Gabriel
[und alle die Apostel];
sie sprachen:
Auf, Herr!
Geh ins Gericht mit mir!
Ich schließe meinen Bund mit dir,
ja zwischen mir und dir,
daß ihr ihn weiter pflegt.
Wir möchten hier vor deinen Ohren rechten!
Fragt euren Vater Abraham,
was es doch heiße,
wenn schon ein Sohn mit seinem Vater rechtet!
Dann komm und recht mit uns!
So wahr der Herr nur lebt!
Ich hör nicht auf,
mit dir zu rechten [wegen des Geschlechtes der Christen].
Wo deine Langmut?
So wie ich Nacht und Tag gemacht,
so schuf ich den Gerechten und den Sünder;
doch es geziemte sich,
sich so, wie ein Gerechter, zu betragen.
Wer schuf zuerst den Adam,
den Ersterschaffenen?
Dies taten meine reinen Hände;
dann setzt ich ihn ins Paradies,
den Ort des Lebensbaumes zu behüten.
und aß davon in Sünde.
Ward er von einem Engel nicht bewacht?
Es ward von Cherubim sein Leben wohl bewacht
fürs ewige Leben.
betrogen?
Du ließest alle hier zusammenkommen.
Nun horch auf das, was ich dir sage!
dann hätte sie die Schlange nicht betrogen.
und du vernichtest, wen du willst.“
Mein Herr!
Laßt uns zum zweiten Male rechten!
Ich lasse über Sodom und Gomorrha Feuer regnen.
Du handelst recht an uns.
Es übersteigen eure Sünden meine Milde.
Denk an die Schriften!
Mein Vater, der du einst Jerusalem vermessen
und dieses wieder aufgerichtet hast!
Erbarm dich deiner Kreatur!
Hab Mitleid doch mit deinen Werken!
und sprach zu den Propheten:
Weshalb sollt ich mit ihnen Mitleid haben?
und dann bereuten sie es nicht einmal.
Enthülle deine Cherubim!
Dann wollen wir zusammen rechten.
Du machst viel Umschweife, o Esdras.
daß auf die Erde dann kein Regen fällt.
Ich hör nicht auf, mit dir zu rechten,
bevor ich nicht den Tag des Endes sehe.
Zähl doch die Sterne und den Sand des Meeres!
Kannst du dies zählen,
dann kannst du mit mir rechten.
Du weißt es, Herr,
daß ich ein menschlich Fleisch besitze.
den Sand des Meeres zählen?
Mein auserwählter Sohn!
Es weiß kein Mensch von jenem großen Tag
und der Erscheinung für das Weltgericht.
red ich von jenem Tag.
Ich sag dir aber nicht die Stunde.
Sag, Herr, mir auch die Jahre!
Seh ich, daß die Gerechtigkeit der Welt sich mehrt,
dann habe ich mit ihnen Nachsicht.
Wenn nicht, dann streck ich meine Hände aus
und pack die Welt in den vier Ecken,
bring alle ins Tal Josaphat,
und dann vertilge ich das menschliche Geschlecht.
Und nicht mehr ist die Welt.
Was ist’s denn mit dem Ruhm für deine Rechte?
Von meinen Engeln werde ich gepriesen.
Herr! Hast du dies bedacht,
warum schufst du den Menschen?
„Ich mache deine Nachkommen so zahlreich,
wie’s an dem Himmel Sterne gibt und Sand am Meer.“
Wo bleibt doch deine Frohbotschaft?
Zuerst mach ich ein Erdbeben
zum Untergang der Vierfüßler
wie auch der Menschen.
daß in den Tod der Bruder seinen Bruder überliefert
und Kinder gegen Eltern sich erheben
und eine Gattin ihren eignen Mann verläßt,
dann wisset, daß das Ende nahe ist!
kein Mann sein Weib,
die Kinder nicht die Eltern,
die Freunde nicht die Freunde,
der Diener nicht den Herrn.
und zeigt den Menschen vieles.
und mit dir rechten?
Ich höre, Herr, nicht auf, mit dir zu rechten.
Zähl doch die Blüten auf der Erde!
alsdann vermagst du auch mit mir zu rechten.
Ich kann’s nicht, Herr;
ich habe einen Menschenleib
und dennoch höre ich nicht auf,
mit dir zu rechten.
So steig hinab und schau!
und vierunddreißig andere Engel mit.
sie aber führten mich noch weitere 500 Stufen abwärts.
auf diesem saß ein Greis
und sein Gericht war unbarmherzig.
Wer ist doch dies?
Und was ist sein Vergehen?
Dies ist Herodes,
der eine Zeitlang König war
und der die Knäblein von zwei Jahren und darunter töten ließ.
Weh seiner Seele!
da sah ich Feuergluten,
in ihnen eine Menge Sünder.
jedoch Gestalten sah ich nicht.
[ich konnte sie nicht zählen.]
mit Feuerstricken in den Ohren.
Und was ist ihre Sünde?
Dies sind die Ungehorsamen.
sowie das Feuer, das die Übeltäter brennt.
und dort sah ich des Abgrundes zwölf Tore.
dort sah ich einen Menschen an den Augenlidern aufgehängt;
die Engel schlugen ihn mit Geißeln.
Und was ist sein Vergehen?
Dies ist ein Mutterschänder;
man ließ ihn für ein kümmerlich Gelüste aufhängen.
dort sah ich einen Mann in Eisenriegeln.
Er sprach zu mir:
Ich bin der Gottessohn;
die Steine machte ich zu Brot,
zu Wein das Wasser.
Herr! Sag mir, wie er aussieht!
Ich will’s dem menschlichen Geschlecht vermelden,
auf daß sie ihm nicht glauben.
Es gleicht sein Angesicht dem eines Wilden.
Sein rechtes Auge gleicht dem Morgenstern;
das andere ist unbeweglich.
und spannenlang sind seine Zähne.
zwei Spannen lang sind seine Fußtapfen,
und auf der Stirne steht geschrieben „Antichrist“.
und wird bis in die Hölle fahren.
bald wie ein Alter sein.
Wie duldest du, o Herr,
daß so das menschliche Geschlecht betrogen wird?
Hör, mein Prophet!
Er wird ein Kind und auch ein Greis;
doch niemand schenkt ihm Glauben,
daß er mein Sohn, mein vielgeliebter, sei.
die Gräber öffnen sich;
die Toten stehen, unvergänglich, auf.
und er verbirgt sich in der äußersten Finsternis.
die Erde an achthundert.
Was hat der Himmel denn gefehlt?
Es ist das Übel unterm Himmel.
Was hat die Erde, Herr, gefehlt?
Es hört der Widersacher meine fürchterliche Drohung,
und er verbirgt sich daraufhin;
dann schmelze ich die Erde ein,
mit ihr des menschlichen Geschlechtes Widersacher.
[Erbarm dich des Geschlechts der Christen, Herr!]
und wie vier Tiere an ihren Brüsten tranken.
Die war zu mißgünstig,
um Milch zu spenden;
sie warf die Kinder lieber in die Flüsse.
und eine Nacht,
die weder Mond, noch Sterne hatte.
kein Bruder mit dem Bruder
und keine Mutter mit dem Kind,
kein Weib mit seinem Mann.
O Herr! Ach Herr!
Erbarme dich der Sünder!
kommt eine Wolke her
und nimmt mich mit
und bringt mich wieder in den Himmel.
ich weinte bitterlich und sprach:
wenn er im Mutterschoß verbliebe.
Seitdem, daß du hieher kamst, Heiliger Gottes,
erfuhren wir eine kurze Milderung.
Heil denen,
die ihr eigenes Vergehen beweinen!
Hör, Esdras, mein Geliebter!
Sowie der Landmann Brotfrucht in die Erde streut,
so senkt der Mann auch seinen Samen in des Weibes Land.
im zweiten krümmt es sich;
im dritten wird’s behaart;
im vierten wachsen Nägel;
im fünften nährt es sich von Milch;
im sechsten wird es fertig und bekommt die Seele;
im siebten wird es völlig ausgestattet;
im neunten öffnen sich des Muttermundes Riegel;
es kommt gesund zur Welt.
Viel besser wär es für den Menschen,
wenn dieser nicht geboren würde.
dann, wenn du zum Gerichte kommst!
Weswegen, Herr, schufst du den Menschen
und übergabst ihn dem Gericht?
Ich werde mich der Übertreter meines Bundes nicht erbarmen.
Wo bleibt, Herr, deine Güte?
Des Menschen wegen schuf ich alles,
nun aber hält der Mensch nicht das, was ich gebiete.
Herr! Zeige mir die Strafen und das Paradies!
ich schaute dort den Lebensbaum.
den Moses, [Petrus, Paulus, Lukas und Matthias]
und alle die Gerechten und die Patriarchen.
der Winde Wehen und des Eises Kammern
sowie die ewigen Strafen.
Er hat die Grenzsteine verrückt.
da sagte ich zum Herrn:
O Herr! Ach Herr!
Wer ist der Mensch, der nie im Leben sündigte?
ich schaute, wie die Sünder alle weinten, klagten, trauerten.
als ich das menschliche Geschlecht in solcher Strafe sah.
Kennst du die Namen jener Engel, Esdras,
die da dem Ende vorstehen?
Gabuthelon, Aker, Arphugiton, Bebur, Zebuleon.
Komm, Esdras, mein Geliebter! Stirb!
Gib mir dein Unterpfand!
Wie könnt ich meine Seele denn hinausbringen?
Wir können durch den Mund sie gut herausbringen.
Ich sprach von Mund zu Mund mit Gott;
da geht sie nicht hinaus.
Dann wollen wir sie durch die Nase führen.
Den Wohlgeruch des Herrn roch meine Nase.
Dann bringen wir durch deine Augen sie hinaus.
Es sahen meine Augen Gottes Rückseite.
Dann bringen wir sie durch dein Haupt hinaus.
Ich wandelte mit Moses auf dem Berge;
von da geht sie deswegen nicht heraus.
Dann bringen wir durch deine Zehenspitzen sie hinaus.
Es haben meine Füße den Altar umschritten.
Wir können, Herr, nicht seine Seele nehmen.
Mein lieber Sohn!
Geh du hinab mit einer großen Engelschar
und nimm die Seele meines lieben Esdras in Empfang!
und sagte zum Propheten:
Gib mir das Pfand, das ich dir einstens gab!
Es liegt die Krone dir bereit.
Herr! Nimmst du meine Seele mir,
wer bleibt dir dann noch übrig,
fürs menschliche Geschlecht zu rechten?
Du bist von Erde, sterblich.
Recht nicht mit mir!
Ich hör nicht auf, zu rechten.
Gib jetzt dein Pfand zurück!
Die Krone liegt für dich bereit.
damit du sie erlangst!
O Herr! Was nützt es, wenn ich mit dir rechte?
Ich muß jetzt in die Erde sinken.
Ich werde von den Würmern aufgefressen.
ihr Heiligen und Gerechten alle,
der soviel rechtete
und nun dem Tode überliefert wird!
ihr Heiligen und Gerechte alle,
daß ich zur Unterwelt jetzt eingehe!
Hör, Esdras, mein Geliebter!
Ich bin unsterblich
[und doch nehm ich das Kreuz auf mich,
und ich verkostete Essig und Galle;
ich ward ins Grab gelegt.
den Adam rief ich aus der Unterwelt,
damit das menschliche Geschlecht den Tod nicht fürchte.]
die Seele, geht zum Himmel;
das, was von Erde, der Leib,
geht wiederum zur Erde,
von der er ward genommen.
Weh! Weh! Was soll ich tun?
Ich weiß es nicht.
Du ewiger Gott!
Du Schöpfer aller Kreatur!
Du maßest mit der Spanne den Himmel,
die Erde mit der hohlen Hand.
du ließest auf dem Feuerwagen
zum Himmel den Propheten Elias fahren.
dich fürchtet alles
und schauert vor dem Antlitz deiner Macht.
und es behalten
und meines Namens sich erinnern
und die mein Andenken verwirklichen,
gib ihnen Segen von dem Himmel her!
so, wie das Ende Josephs!
am Tage des Gerichtes!
der wird verbrannt,
wie Sodom und Gomorrha.
Mein lieber Esdras!
Um was du batest,
will ich an jeglichem erfüllen.
mit vielem Ruhm am 18. Oktober.
es teilt sein hehrer, heiliger Leib beständig aus
der Seele und des Leibes Kräftigung
an die, die ihm aus Liebe zueilen.
dem Vater, Sohn und Heiligen Geist
jetzt, immer und in alle Ewigkeiten. Amen.]
Erläuterungen
Diese Apokalypse ist nicht einheitlich; sie weist eine christliche Überarbeitung auf. Der alte jüdische Grundstock besteht aus den Stücken 1,1–3,10; 3,16 bis 4,8; 4,16–21; 5,6–6,2. Das christliche Stück besteht aus den Einschüben 3,11–15; 4,9–15; 4,22–5,5; 6,3–7,16. Beim Grundstock schimmert noch die hebräische Sprache durch, so 1,20 wörtlich „(das Kleinod der Jungfräulichkeit,) der Menschen Mauer“; hier liegt Verwechslung von madar „Schmuck“ mit gader „Mauer“ vor. 2,6 „(ein Sohn) rechtet in dem Vater“; hebr. b bedeutet sowohl „in“ als „mit“, was allein hier paßt. 2,12 wörtlich „er tat dies in Sünde“; hier ist barah „essen“ mit bara „tun“ verwechselt. 4,21 wörtlich „auf den Boden des Verderbens“, schachat 1. „Verderben“ 2. „Grube“, was hier paßt. 5, 6. 16. 26, das doppelte „Herr“ despota Kyrie entspricht genau dem hebr. adonaj jehowa. 23 wörtlich „Bestrafung der Luft“; pekuddah 1. „Bestrafung“ 2. „Dienst“, 3. „Behälter“, was hier paßt. Dazu kommen unchristliche Züge, so 1, 16 Gottes Unbarmherzigkeit, 2, 6 die Berufung auf Abraham, 17 die strenge essenische Präedestinationslehre. Der Grundstock berührt sich enge mit 4 Esdras in den Zweifeln an Gottes Gerechtigkeit und in den Klagen wider Gott (s. C. Tischendorf, Apocalypses apocryphae 1866, 24 ff).
- 1: 3 wörtlich „den Propheten E.“, Fehler statt Vokativ. 6 Christlicher Einschub, der nicht in den Zusammenhang paßt. 10 Diese Fürbitte ist echt jüdisch.
- 2: 1 Christl. Einschub. 6 Abraham hat die Jurisdiktion über seine Nachkommen, auch über den fragenden Esdras. 7 Christl. Einschub, der nicht in den Zusammenhang paßt. 19 Vielleicht eine Lücke „ich lasse über euch, wie einst über Sodoma, Feuer regnen.“ 22 Zach 2, 5 ff. 25 Is 5, 2. 4
- 3: 4 Matth 24, 36, Mark 13, 34 „von jenem Tag und der Stunde weiß niemand“. 6 Joel 4, 2. 12 11–16 Christl. Teil. 14 Mark 13, 12
- 4: 8–15 Christl. Teil. 27 Nachäffung der Wunder Christi.
- 5: 17 s. Prov 9, 3. 23 Henoch 17, 3; 18, 1.
- 6: 2 Die rätselhaften Namen sind drei Beinnamen zu den ebengenannten Engeln. Gabutelon Aker ist wohl griechisches Apatelon akairos „der trügerische Gegner“, Arphugiton = Harpago-ktonos „Der Räubertöter“, Bebur Zebuleon = Bebros Diabolon „Vertilger der Teufel“. Aus der Verstümmelung dieser Ausdrücke muß man auf eine griechische Vorlage des hebräischen Grundstockes schließen. 3 Christl. Teil. 16 Im Testament Abrahams ist es Michael, der zum Empfang der Seele abgesandt wird.
- 7: 5 Is 40, 12 LXX
Anmerkungen (Wikisource)
Siehe auch folgende Artikel aus Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft zu dem hier dargebotenen Text: