Anna Boleyn und Kardinal Bolsen

Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Anna Boleyn und Kardinal Bolsen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 29, S. 497, 499–500
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
unkorrigiert
Dieser Text wurde noch nicht Korrektur gelesen. Allgemeine Hinweise dazu findest du bei den Erklärungen über Bearbeitungsstände.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[497]

Photographie im Verlag von Franz Hanfstaengl in München.
Anna Boleyn und Kardinal Wolsey.
Gemälde von W. von Lindenschmit.

[499] Anna Boleyn und Kardinal Wolsey. (Zu dem Bilde S. 497.) Das Bild W. von Lindenschmits, des jüngst verstorbenen Münchener Historienmalers, stellt uns zwei der interessantesten Persönlichkeiten aus jener Epoche der englischen Geschichte dar, welche durch die Schreckensherrschaft Heinrichs VIII. ihr Gepräge erhielt. Die liebreizende junge Dame ist Anna Boleyn, des gekrönten Blaubarts zweite Gemahlin, eine Enkelin des Herzogs von Norfolk, die am französischen Hofe erzogen worden war und nach ihrer Heimkehr Hoffräulein der Königin Katharina, der ersten Gemahlin Heinrichs, wurde. Der König entbrannte in heftiger Leidenschaft für sie; doch sie erwiderte dieselbe nur um den Preis der Krone. Sie war verlobt mit dem Grafen von Northumberland; diese Verlobung wurde aufgehoben, und als sich Papst Clemens VII. weigerte, die Scheidung des Königs von Katharina zu genehmigen, vollzog dieser sie aus eigener Machtvollkommenheit. Anna bestieg 1532 den Thron und wurde später die Mutter jener Elisabeth, der als selbstregierender Königin eine so glänzende Laufbahn beschieden war. Doch der launische König blieb auch dieser zweiten Gemahlin nicht treu; eine neue Leidenschaft hatte sich seiner bemächtigt; ergebene Hofleute und feile Richter standen ihm hilfreich zur Seite, als es galt, Anna Boleyn aus dem Wege zu räumen. Sie wurde des Hochverrats angeklagt, in den „Tower“ geworfen und vor ein Gericht gestellt, das sie zum Tode verurteilte. Im Alter von 29 Jahren bestieg sie 1536 das Schafott, wie später eine andere Gemahlin des despotischen Königs, die nicht minder schöne Katharina Howard. Der geistliche Herr auf dem Bilde, mit den scharf ausgeprägten Zügen, ist Kardinal Wolsey, einer der größten Machthaber von denen, welche nicht die Krone trugen, nur einem Richelieu und Mazarin in Frankreich vergleichbar. Anfangs Kaplan des Königs, gewann er bald einen Einfluß auf denselben, der ihm die Huldigungen aller auswärtigen Herrscher zuwendete. Papst Leo X. ernannte ihn 1515 zum Kardinal; bald darauf wurde er an Stelle des Erzbischofs von Canterbury Kanzler von England und, da die anderen Kronräte zurücktraten, alleiniger Inhaber der ganzen Regierungsgewalt. Als aber Papst Clemens VII. der Scheidung Heinrichs von seiner ersten Gemahlin Schwierigkeiten in den Weg legte, machten der König und Anna Boleyn den Kardinal dafür verantwortlich: er wurde 1529 gestürzt, mußte seinen prächtigen Londoner Palast verlassen, wurde vom Parlament des Mißbrauchs seiner geistlichen Gewalt angeklagt und zum Verlust seiner Güter und ewigem Gefängnis verurteilt. Der König begnadigte ihn, doch erfolgte eine neue Anklage auf Hochverrat; auf dem Wege nach London, wohin ihn die Häscher brachten, starb er am 28. November 1530 in der Abtei von Leicester.

Unser Bild stellt, nach der Absicht des Malers, eine Unterredung zwischen Anna Boleyn, die jetzt noch Hoffräulein ist, und dem mächtigen [500] Kardinal und Staatskanzler dar, in welcher dieser sie zu bereden sucht, im Interesse des kirchlichen Friedens, den des Königs Trotz gegen den Papst erschüttert, auf die ihr von Heinrich angebotene Krone zu verzichten und sich selbst der Leidenschaft des Königs zu entziehen. †