Anastasius Grün (Die Gartenlaube 1876/15)
Anastasius Grün.
Zum siebenzigsten Geburtstage.
„Ich seh’ die Morgenwolke leuchtend steigen“ –
O, wie prophetisch einst dies Wort erklang!
Als hehrer Wartthurm wird Dein „Schutt“ sich zeigen,
Wenn eitler Prunkbau längst in Trümmer sank.
Wie wahrst Du treu des Deutschthums heil’ge Flammen
In fernster Ostmark – dennoch nicht verwaist! –
Hält auch kein Band des Reiches uns zusammen:
Dein Lied ist unser! Unser ist Dein Geist!
Du sahst die Morgenwolke leuchtend steigen
Und scheu entflieh’n der Knechtschaft blöde Nacht;
Du führtest kühn im Freiheitssang den Reigen;
Du standst, ein Feldherr, in der Geistesschlacht.
Von höh’rem Adel noch als einst Dein Ahne
– Er rang vom Türkenjoch die Heimath frei –
Schwangst Du die Waffen, tödtlich jedem Wahne,
Gen slavische und röm’sche Barbarei.
Du sahst die Morgenwolke leuchtend steigen,
Sahst das Gestirn des Tages noch in Pracht,
Und will sich leis’ die Abendröthe neigen,
So wartet Dein die schönste Sternennacht.
An Deutschlands Himmel strahlt Dein Sängername,
Und ob dereinst Dein Saitenspiel zerreißt –
Den Du gesä’t, in Blüthe steht der Same:
Dein Lied bleibt unser! Unser bleibt Dein Geist!
Ernst Scherenberg.