An unsere Gegner
(Zur Einleitung der Gedichtsammlung „Vorwärts“ 1886.)
Ihr habt die Kunst sogar gepachtet
Wie alles, was das Leben schmückt,
Und wenn ihr dieses Buch betrachtet,
Seid ihr gewißlich nicht entzückt.
So euren Haß wie eure Gunst!
Ich weiß, ihr rümpft etwas die Nasen
Und sprecht vom „Fehlen aller Kunst“.
Ein Lächeln tritt auf meine Lippen.
Daß wir aufs Kippen und aufs Wippen
Der Silben schlecht nur uns verstehn?
Wir sind ästhetisch nicht erzogen –
Es hat kein Dichter dieses Buch’s
Beim Wort des Zornes und des Fluch’s.
„Eintönig“ will es euch erscheinen?
So blättert doch nicht weiter fort! –
„Eintönig bis hinab zum Kleinen“
Was blickt ihr nur so säuerlich?
Daß wir uns ganz und gar verstehen,
Beglückt in tiefster Seele mich.
Im Eichwald bei Gewitters Nah’n,
Wie schwanker Föhrenwipfel Sausen
In einer Frühlingsnacht Orkan;
Eintönig – wie der Laut der Klage,
Der schleppend auch am stillsten Tage
Durch lange Trümmergänge geht.
Am Meere seid ihr doch gewesen?
Natürlich „ja“ – was frag’ ich auch?
In seinem herben, frischen Hauch.
Das ist kein Spott – ich glaub’s ja gerne,
Doch – hat euch in der ersten Nacht
Der Brandung Donnern in der Ferne
War’s nicht – mit keinem zu vertauschen –
Ein tief ergreifendes Gefühl,
Als ihr, dem dumpfen Prall zu lauschen,
Den Kopf erhobt vom Daunenpfühl?
Das Donnern an der Düne Saum,
Das, monoton wie unsre Lieder,
Euch aufgeschreckt aus süßem Traum?
Mit dem die Regenperlen tropfen
Vom Lindenbaum aufs Schindeldach,
Bis sich das Haupt im Ueberwallen
Der Trauer in den Kissen barg,
Eintönig schon auf euren Sarg?
Der Wildbach stürzt sich über Klippen,
Zu Schaum zerstäubt in schwarzen Schlund –
Ihr steht dabei mit bleichen Lippen,
Ihr staunt und bebt? Ich frage wieder
„Ist dieser weißen Wasser Fall
Eintönig nicht wie unsre Lieder,
Wie unsrer Weisen düstrer Hall?“
Die Lust ist jedes Wechsels voll –
Eintönig, finster und gewaltig
Sind Zorn und Klage, Haß und Groll.
Stimmt eurer Instrumente Menge,
Ihr kommt unrettbar in die Enge,
Denn Sturm und Brandung bringen wir!
Anmerkungen (Wikisource)
- Vorwärts Eine Sammlung von Gedichten für das arbeitende Volk. 1886 (Seite 7)
- Buch der Freiheit Gesammelt und herausgegeben von Karl Henckell. (Seite 15)