An Wilhelm O **
Frui paratis, et valido mihi
Latoe, dones, et, precor, integra
cum mente, nec turpem senectam
degere, nec cithara carentem.
Horat.
Mein Wilhelm, wohl mir, daß mein Schicksal mich
mit dir verband, daß ich an deinem Arm
durchs Leben wandern darf, daß du mir oft,
wenn trübe Schwermuth meine Stirne runzelt,
mit heiterm Ernste troknest, mir die Last
des Kummers sanft von meinem Herzen nimmst.
Wenn oft bey ernsteren Gesprächen, von
der ungemeßnen Welt, dem Geiste, der
von unsers Daseyns Zweck, von Tod und Grab,
und jenen süßen Hoffnungen, dereinst
dem fürchterlichen Hause der Verwesung
zu ewig jungem Leben, auf den Ruf
wann oft bey solchen ernsteren Gesprächen
die stille Nacht uns ihren Mantel leiht,
daß nichts den in sich selbst gekehrten Blick
von seinen ernsten Gegenständen wende;
und oft der Zukunft feyerliches Dunkel,
und oft die ewig festen Plane, die
der große Geist zum Glück der Welt entwarf,
mit bangem Zittern zu durchschauen wähnt; –
dann meinem Herzen, das vertrauend dir,
und frey sich öffnen darf! – Mein Wilhelm! wenn
in jenen seltnen Stunden, wo der Geist
so heiter, wie des Mayes Frühlingsluft,
wo schöne Bilder der Vergangenheit,
gleich linden Westen um des Veilchens Busen,
um unsre Stirne spielen, und das Herz,
so oft, so oft getäuscht, doch gar zu gerne
und auf der Hoffnung süße Stimme horchet; –
in diesen seltnen Stunden, Wilhelm, wenn
ich die geheimsten Wünsche dir eröfnen,
mich deiner Tröstung freuen kann, und wieder
zu seyn mich dünkt, auf dem des daurendsten
Genusses, jeder Freude, jeder Tugend
und jedes Glückes schöne Blume blüht! –
in diesen Stunden, Wilhelm! ach, wie werth
erheitert und erwärmt, des Lebens Pulse
nun doppelt schlägt! Du meiner Seele Freund!
Vertrauter meiner Leiden! was hab’ ich
vom Himmel, der mir deine Freundschaft gab
daß an der Weichsel kornbekränzten Ufern
des Landes goldner Seegen mir gehöre;
nicht daß am Fuß der blumenvollen Alpen
im Schooß der Freyheit und Natur, für mich
indeß von ihren Schätzen reichlich mir
Die schönste Heerde zollet; – warlich nicht,
daß in der Bank von Amsterdam mein Nahme
als Millionär verzeichnet stehe, daß
damit Italiens große Künstler mir
in jenem zauberischen Tempe, wo
Torquato einst am Busen der Natur
sich bildete, und das Bertola uns
und doch der Kunst, des Reichthums und Geschmaks
erhabnes Meisterwerk, erbauen könnten.
Mag immerhin auf goldenen Gefäßen
der Nabob von Bengalen, frohen Muths
indeß das Schiff, das seine Schätze trägt,
vom Sturm verschont, das wilde Meer durchkreuzt! –
Vergönne mir der Himmel nur, daß ich
des wenigen, das Fleiß und Arbeit mir
mit leidenfreyer Brust geniessen möge! –
du mein Geliebter, ungetrennt von mir
den finstern Weg der Zukunft wandeln mögest!
in meines Lebens Tage, noch das Glük
voll göttergleicher Freundlichkeit und Milde
aus meiner Brust den tiefsten Gram verscheucht,
und jede Thräne in ein Lächeln wandelt.
Wie neidenswerth wird dann mein Alter seyn!
Göttinnen, ihr mit Blumen meine Scheitel
bekränzet, und des Greißes lezter Hauch
ein sanftes Lied, für euch gesungen, ist. –