Am Bodensee
Am Bodensee.
Das Dampfroß braust am Gestade entlang,
Ueber dem Wasser hallt Sturmgesang.
Die in Spiegelglätte noch eben schliefen,
Die Wogen, sie steigen herauf aus den Tiefen,
Nahen sich rollend dem Uferdeich,
Recken empor sich wie graue Gespenster,
Schleudern den Gischt in’s Wagenfenster,
Sinken zurück dann mit Donnerhall
Wohl! Ich verstehe das wilde Grollen
Der Wasserberge, der aufruhrtollen;
Die Wogen, sie können es nimmer vergessen,
Daß sie die Herrschaft einst besessen,
Vordem umschmiegt mit brausendem Schwall.
Doch aus der Wasser umfangendem Schooß
Rang, mälig sich hebend, das Land sich los.
Sie sahen, verdrängt, in Höhen und Gründen
Und reicher stets aus des Stoffes Schranken
Gestaltet ersteh’n der Schöpfung Gedanken.
Der Zauber der Formen, Farben und Töne
Schmückte die Flur mit harmonischer Schöne,
Und der Mensch ward geboren als Herr der Welt.
Das ist es, weshalb die neidischen grollen
Und schäumend wider die Ufer rollen,
Sie möchten ersäufen das grüne Land,
Sie hassen die Form und die Weltvernunft,
Ersehnen des Chaos Wiederkunft,
Möchten in lebenvertilgender Schlacht
Stürzen das All in die alte Nacht.
Wir jagen vorbei mit siegender Schnelle,
Und heute noch von des Rigi Spitzen
Seh’ ich die Häupter der Alpen blitzen,
Wie sie sich baden im Lichtazur,
Und wenn mir frohlockend die Seele schwillt,
Dann zaubr’ ich hervor ein anderes Bild:
In Schönheit strahlend und Harmonie
Steigt mir herauf vor der Phantasie
Und weilt sie auch fern in nordischer Au,
Ihr Bild steht leibhaft vor mir da
Und ewig ist es im Geist mir nah,
Und berauscht von Natur und Menschenschöne,
Und spottet der finsteren Urgewalten,
Die hassend verfolgen des Lichtes Gestalten,
Und höhnt, von Entzücken vollgesogen,
Euren Grimm, ihr Wogen.
Und wieder wie anfangs das Erdreich umschmiegen.
Was lebt, das bringt ihr in grimme Noth,
Und über den Erdball schreitet der Tod,
Die Sonne verliert einst Gluth und Glanz,
Sie neigen sich matt in den Sonnenball
Und verschwinden im All.
Doch eh’ sie hereinbricht, die Weltennacht,
Flammt noch durch Aeonen des Himmels Pracht;
Und wie sie auch grollen, der Tiefe Titanen,
Die Schönheit bleibt sich’rer Besitz der Welt,
Und ehe der Erdball in Trümmer fällt
Und das Menschenauge, das letzte, bricht,
Millionen noch schwelgen im Grün der Au,
Schau’n aufwärts von Bergen in’s Aetherblau,
Millionen noch werden aus Frauenaugen
Nimmerermess’nes Entzücken saugen
Aufjauchzen in heiliger Liebe.
Albert Moeser.