Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden/St. Ansgar, der erste Erzbischof von Bremen

St. Willehad, der erste Bischof von Bremen Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden (1856)
von Friedrich Köster
Eine Urkunde des Erzbischofs Adalbert vom Jahre 1059
[54]
7.
St. Ansgar der erste Erzbischof von Bremen.

Der heil. Ansgar (Anskar, Anschar) hat für unsere Provinzen etwa die Bedeutung, die Apollo für Korinth hatte (1. Kor. 3, 6); was die beiden Ewalde, die christlichen Missionare zu Karl’s des Großen Zeit, der Abt Sturm von Fulda (der „Apostel der Sachsen“), der Bischof Willehad und andere unter dem alten Volk der Sachsen gepflanzet hatten, das hat Ansgar begossen. Freilich wird die kurze Darstellung seines Lebens, die wir hier geben, zeigen, daß auch bei ihm das Pflanzen, die eigentliche Missionsthätigkeit, das Hauptstück seines Arbeitens ausmachte, allein diese Thätigkeit wandte sich andern Völkern zu, während, wie gesagt, seine Bedeutung für unsere Gegenden die ist, das begonnene Werk fortgeführt, befestigt und gepflegt zu haben. Diese Wirksamkeit ist aber im Vergleich mit der Missionsthätigkeit eine verborgenere, wenngleich nicht weniger wichtige und nothwendige, und es erklärt sich daraus leicht, wie die Nachrichten über des Ansgarius Wirken in unseren Gegenden so dürftig sind, während über seine Thätigkeit auf dem Missionsfelde in Dänemark und Schweden ziemlich ausführliche Nachrichten (namentlich in der Biographie seines Schülers Rimbert) vorhanden sind. Doch freilich, die Ansgariikirche in Bremen mit ihrem schlanken Thurm ist auch ein beredter Zeuge, und nicht bloß der Scharmbecker, dessen Geburtsort von Ansgar seinen Namen (Ansgarii-Bach) haben soll, nein, jeder Bewohner unserer Provinz muß den „Apostel des Nordens“ in dankbarem Herzen tragen.

Ueber Ansgar’s Heimath und erste Lebensgeschichte ist wenig bekannt. Er ist geboren am 8. September des Jahres 801, wahrscheinlich in der nordfranzösischen Provinz Picardie. Sein Vater stammte, wie es scheint, aus adligem Geschlechte; seine Mutter, eine sehr fromme Frau, die den ersten Keim der Gottesfurcht in das Herz ihres Kindes legte, starb schon, als er erst 5 Jahr alt war. Alsbald wurde der lernbegierige Knabe der hochberühmten Klosterschule Corbie oder Altcorvey bei Amiens übergeben [55] und erhielt hier besonders durch den frommen Abt Adalhard und dessen Bruder Wala seine Erziehung und Ausbildung; unter seinen Lehrern befand sich auch der wegen seiner Kenntniß der hebräischen und griechischen Sprache als ein Wunder der Zeit angesehene Paschasius Radbert. Außer vielen Söhnen vornehmer Franken befanden sich in diesem Kloster eine Menge edler Sachsensöhne, die Kaiser Karl dahin versetzt hatte, und unter diesen munteren Knaben verlebte Ansgar seine Jugendzeit. Wohl konnte er da als ein Knabe unter Knaben mitspielen und scherzen; doch zeigte sich gar bald auch der höhere Zug in seiner Seele und namentlich sind es mehrere merkwürdige Traumgesichte, die uns einen Blick in die rege Einbildungskraft und das weiche, dem Göttlichen zugewandte Herz des Knaben thun lassen. So sah er einst im Traum seine verklärte Mutter, die ihn ermahnte, das Eitle zu fliehen und sich eines ernsten Lebens zu befleißigen. Als er dieser im Traum gehörten Mahnung treulich nachkam, ja schon im 12ten (nach Andern 15ten) Lebensjahre das Mönchsgelübde ablegte, traf die erschütternde Nachricht vom Tode des Kaisers Karl (28. Februar 814) ein, den Ansgar noch kurz vorher in seiner ganzen kaiserlichen Pracht gesehn hatte, und abermals hatte er ein Traumgesicht, in welchem es ihm vorkam, als müsse er eines plötzlichen Todes sterben und als werde seine Seele von dem Apostel Petrus und dem Täufer Johannes zuerst au den Ort der Qual, dann aber in das Lichtreich des Herrn geführt, aus welchem ihm eine Stimme zurief: „Gehe hin und mit der Märtyrerkrone geschmückt wirst du zu mir zurückkehren.“ Von diesem Augenblicke an war seine höchste Sehnsucht, zur Märtyrerkrone zu gelangen; bis in sein Alter hielt er diesen Wunsch fest, wenngleich er vor falscher, Gott versuchender Schwärmerei bewahrt blieb.

Im 20. Lebensjahre wurde Ansgar zum Lehrer und Vorsteher der Klosterschule ernannt, ein Beweis davon, wie sich das Beten und Arbeiten bei ihm verbunden hatte. Doch war ihm von Gott ein anderer Wirkungskreis bestimmt. Schon Karl der Große hatte, um dem Christenthum bei den Sachsen Eingang zu verschaffen, Bisthümer angelegt [56] und, wie wir oben hörten, sächsische Jünglinge nach Franken gebracht, um sie dort erziehen und unterrichten zu lassen und sie dann in die Heimath zurückzuschicken. Allein die fränkischen Klöster lagen zu entfernt vom Sachsenlande und darum faßte Karl der Große den Plan, in Sachsen selbst eine Klosterschule anzulegen. Dieser Plan wurde unter seinem Sohne Ludwig dem Frommen wieder aufgenommen; ein junger Sachse, der in Altcorvey erzogen war, bot ein Landstück an und so ließen sich die frommen Brüder, die mit dem jungen Sachsen abgesandt waren, im Süden unsers Königreichs, im Sollinger Walde, nieder. Doch war die Gegend unfruchtbar und deshalb wurde nach einigen Jahren das Kloster verlegt; der Ort, den man jetzt erwählte, war ein kaiserliches Besitzthum bei Höxter an der Weser. Das neue, reizend gelegene Kloster erhielt den Namen Neucorvey und es dauerte nicht lange, so wurde das alte Kloster vom neuen, die Mutter von der Tochter, überstrahlt. Unter denen, die aus Altcorvey nach Neucorvey versetzt wurden, befand sich auch unser Ansgar; ja, er wurde nicht nur Rector der neuen Klosterschule, sondern auch zum Prediger an der Klosterkirche erwählt. Als solcher hatte er auch die Umgegend zu bereisen, – eine gute Vorbereitung zu dem neuen Amte, in welches er bald berufen werden sollte.

Bereits Karl der Große hatte erkannt, daß die Bekehrung der Sachsen nie festen Bestand gewinnen könne, wenn das Heidenthum in ihrer Nachbarschaft, in den Ländern jenseit der Elbe, nicht gestürzt würde. Unter Ludwig dem Frommen ward das Werk begonnen; ein Erzbischof Ebbo von Rheims predigte das Evangelium in den dänischen Landen und im Jahre 826 ließ sich sogar der dänische König Harald zu Ingelheim am Rhein taufen. Da der Kaiser seiner Sündhaftigkeit noch nicht recht traute, wünschte er ihm einen erprobten Mann als Begleiter mitzugeben, doch Niemand wußte ihm einen solchen zu bezeichnen, bis Ansgar’s Name genannt wurde. Sofort wurde er gerufen und ohne Säumen erklärte er sich bereit, nach Dänemark mitzugehn, ließ sich auch nicht von seinem Vorhaben abbringen. Noch ein Mönch aus Neucorvey, Autbert, [57] schloß sich ihm als Gefährte an, dann wurden beide vom Kaiser mit Kirchengeräthen, Büchern, u. s. w. ausgerüstet und traten nun getrost die Reise mit Harald an. Die Fahrt ging unter allerlei Mühseligkeiten zuerst den Rhein hinunter, dann bei dem damals blühenden Handelsplatz Dorftadt (bei Utrecht) vorüber in die Nordsee. Im Spätherbst des Jahres kamen die Missionare im Schleswigschen an und begannen sofort ihr Bekehrungswerk unter den Heiden. Durch ihr Beispiel und ihre Lehre wurden manche zum Glauben gebracht, auch gründeten sie eine Schule von zwölf aus der Sklaverei losgekauften Knaben, doch stellten sich ihrer Arbeit bald große Hindernisse entgegen, da Harald durch die Söhne seines Vorgängers eine Zeitlang ganz aus Dänemark vertrieben wurde und sich später nach seiner Rückkehr fast gar nicht mehr um das Christenthum kümmerte. Im Jahre 829 wurden beide Missionare von ihrem Arbeitsfelde abgerufen, Autbert starb um Ostern, Ansgar erhielt im Herbst den Befehl, sofort an den kaiserlichen Hof zurückzukehren.

Ihm war nämlich eine neue Thätigkeit in einem andern nordischen Reiche beschieden. Schwedische Abgesandte hatten bei Ludwig dem Frommen um Missionare gebeten, da sich in ihrem Volke viele nach dem Evangelium hungrige Seelen befänden; Ludwig wollte ihnen gern willfahren, man wußte aber keinen geschickteren Mann zu finden, als Ansgar. Im Gehorsam gegen seinen Herrn erklärte er sich abermals gern bereit zu gehn, wohin man ihn senden werde und machte sich mit zwei Gefährten auf den Weg. Sie schlossen sich einer Gesellschaft von reisenden Kaufleuten an und kamen glücklich bis an die Küste von Schweden, wurden dann aber plötzlich von Seeräubern (Wikingern) angefallen und retteten mit Mühe das nackte Leben. Ansgar ließ sich dadurch nicht abschrecken, setzte ruhig seinen Weg fort und fand freundliche Aufnahme bei dem schwedischen Könige Erik Björn. Ohne Mühe erhielt er mit seinen Begleitern die Erlaubniß, das Evangelium zu predigen und siehe! der Erfolg war ein herrlicher. Viele nahmen das Wort von Christo an, unter ihnen ein vornehmer Mann und Freund des Königs, Namens Gerigar. [58] Nach anderthalb Jahren kehrten die Missionare zurück und Ansgar konnte nun, dem Zuge seines Herzens folgend, eine Zeitlang in der Einsamkeit eines Klosters zubringen.

Bisher waren die christlichen Gemeinden nördlich von der Elbe den Bischöfen Willerich von Bremen (Willehad’s Nachfolger) und Helingaud von Verden zugetheilt. Als aber der Kaiser Ludwig der Fromme von Ansgar’s Wirken in Dänemark und Schweden hörte, faßte er den Plan, im Norden der Elbe, an der Grenze seines Reichs, ein eignes Bisthum zu errichten. Dieser Plan wurde ausgeführt, die Bischöfe von Bremen und Verden gaben ihre Einwilligung und zum ersten Erzbischof des neuen Erzbisthums Hammaburg (Hamburg) wurde der nun 30 Jahr alte Ansgar gewählt. Nachdem er in feierlicher Versammlung geweiht war, ging er sofort nach Hamburg ab und erhielt nach wenigen Jahren auch die Bestätigung des Pabstes. Ein großes Arbeitsfeld hatte Ansgar wiederum vor sich, da der ihm anvertraute große Kirchensprengel erst gebildet werden mußte. Er ermüdete aber nicht; in stiller Verborgenheit streute er den edlen Samen des Gotteswortes hierhin und dorthin aus, bereisete selbst die Gegenden an der Unterelbe und seine früheren Missionsplätze in Schleswig und Jütland, vollendete den Bau der Hauptkirche in Hamburg, errichtete mit Hülfe seiner Brüder aus Alt- und Neucorvey ein Kloster in Hamburg, mit welchem er eine Klosterschule verband, legte eine Büchersammlung an und wirkte auf diese Weise zehn bis zwölf Jahre im größten Segen. Da zogen abermals schwere Gewitterwolken herauf; der König Harald in Dänemark ward wiederum vertrieben und sein Nachfolger war dem Christenthume durchaus feindlich gesinnt; Ansgar’s Nachfolger in der schwedischen Mission, der Bischof Gautbert, mußte, durch einen Volksaufstand gezwungen, die Flucht ergreifen und gleichzeitig schien Ansgar’s Werk in Hamburg durch einen Schlag mit einem Male zertrümmert zu werden. Es erschien nämlich im Jahre 845 eine normannische Seeräuberflotte – der Schrecken der damaligen Zeit – vor Hainburg. An Widerstand war nicht zu denken, die ganze Stadt, auch die Kirche und das Kloster, wurden in Asche gelegt, die [59] Einwohner niedergehauen und Ansgar selbst konnte auf der Flucht kaum die Reliquien retten, die ihm als das Wichtigste erschienen, sein bischöfliches Oberkleid mußte er zurücklassen. Da galt es Glaubensmuth zu beweisen und Ansgar bewies ihn; mit tiefem Schmerz blickte er auf die vernichtete schöne Stiftung zurück, sprach aber mit Hiob: „Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen, der Name des Herrn sei gelobt!“ – und gab die Hoffnung auf endlichen Erfolg der guten Sache nicht auf.

Wo sollte er aber zunächst einen Zufluchtsort finden? Nach dem Gute Turholt in Flandern, welches ihm von Ludwig dem Frommen zum Lebensunterhalt geschenkt war, konnte er sich nicht mehr wenden, da ihm dies Gut bei der Ländervertheilung nach Ludwig’s Tode verloren gegangen war; der stolze und neidische Bischof Leuderich von Bremen, Willerich’s Nachfolger, wies ihn zurück und so mußte der treue Diener Gottes eine Zeitlang unstät umherwandern. Da erbarmte sich seiner eine fromme Frau, Ikia mit Namen, und schenkte ihm eines ihrer Güter, Ramsola oder Ramelsloh im Bisthum Verden, drei Meilen von Hamburg. Ansgar errichtete hier ein Kloster, sammelte eine Gemeinde von Flüchtlingen und besorgte von da aus sein Missionswerk, bis er an einem andern Orte wieder ein hohes Kirchenamt überkam.

Bischof Leuderich von Bremen war nämlich gestorben und der Kaiser Ludwig der Deutsche, der den kirchlichen Angelegenheiten im Norden seines Reiches seine Aufmerksamkeit zuwandte, beschloß, Hamburg und Bremen jetzt zu einem Erzbisthum zu vereinigen und dies Erzbisthum dem Ansgar zu übertragen. Die Sache hatte Anfangs große Schwierigkeiten, doch wurden dieselben dadurch überwunden, daß man den Bischof Waldgar von Verden für die Abtretung der jenseits der Elbe belegenen Gebietstheile aus dem Sprengel des bremischen Bisthums entschädigte und daß man den Erzbischof von Cöln, unter dem das Bisthum Bremen gestanden hatte, durch Verhandlungen bewog, Bremen aus seinem Erzbisthum zu entlassen. Der Pabst Nikolaus I. bestätigte die neue Einrichtung und so bildeten denn von jetzt an Hamburg und Bremen eine [60] Diöcese; Bremen wurde der gewöhnliche Sitz der Erzbischöfe.

Kaum hatte Ansgar im Jahre 850 die Leitung des Bremischen Erzbisthums übernommen, „so entbrannte er wieder, für den Namen Christi in Dänemark zu arbeiten.“ Er ging mit einer Gesandtschaft des Kaisers nach Dänemark, wußte das Vertrauen des früher gegen das Christenthum sehr feindselig gesinnten Königs Horich zu gewinnen und erhielt sogar die Erlaubniß, eine christliche Kirche zu erbauen (in Haddeby). „Das Erbarmen Gottes,“ sagt Rimbert, „nahm an diesem Orte immer mehr zu und eine Menge Volks wurde zum Glauben an den Herrn bekehrt.“ Der glückliche Fortgang dieses Unternehmens gestattete Ansgar, jetzt von Neuem nach Schweden zu gehn, wo nach Gautbert’s Vertreibung ein Missionar Ardgar gewirkt hatte und wo noch ein bedeutender Rest des Christenthums geblieben war. Mit großer Weisheit wußte Ansgar den schwedischen König Olaf, an den er Geschenke von Ludwig dem Deutschen und ein Empfehlungsschreiben des Dänenkönigs Horich mitnahm, sich geneigt zu machen; dagegen fand er im Volke eine große Gährung, einen Kampf zwischen Heidenthum und Christenthum, vor und schon glaubte er, hier des Märtyrertodes, nach dem sein Herz verlangte, gewürdigt zu werden. Allein es kam anders; fastend und betend sah er dem Tage der Volksversammlung entgegen, wo über die Zulassung oder Ausweisung der Glaubensboten berathen werden sollte, und siehe, das Resultat war, daß man der Predigt des Christenthums weder in Gothland, noch im eigentlichen Schweden ein Hinderniß entgegen setzen wollte. Ansgar ward fröhlich in seinem Gott, griff das Werk mit Freuden an, mußte aber die ganze schwedische Mission bald einem Freunde überlassen, um selbst in seinen Sprengel zurückzukehren (854).

Während seiner Abwesenheit war das Christenthum in Dänemark abermals hart bedrängt. König Horich war in einer Schlacht gefallen und sein Enkel, Horich II., der nun als ein kleiner Knabe auf den Thron kam, wurde von seinen Räthen zu entschiedener Feindschaft gegen das Evangelium entflammt. Ansgar wandte sich an seinen [61] treuen Helfer, den lebendigen Gott, und der bewies auch hier, daß er die Herzen der Könige lenkt wie Wasserbäche. Es ging eitle Umwandlung bei Hofe vor, der heftigste Gegner des Christenthums, ein Graf Hori, der z. B. die Kirche in Haddeby hatte schließen lassen, wurde entsetzt und der junge König erklärte, er wolle ebenso wie sein Großvater (Horich I.) ein Freund Christi und seines Dieners Ansgar sein. Nun wurde die Kirche zu Haddeby nicht nur wieder eröffnet, sie erhielt sogar ein Glockengeläute, das den Heiden aus Furcht vor Zauberei ein Greuel war und in der Stadt Ripen konnte Ansgar eine zweite Kirche bauen.

Nach seiner Rückkehr behielt Ansgar die nordische Mission stets im Auge und wenn er sich von der äußern Arbeit auf dem Missionsgebiet zurückzog, so wirkte er doch auch ferner für diese Aufgabe seines Lebens durch Opfer und Gebete. Seine eigne Arbeit widmete er von nun an besonders seiner Diöcese, die im Ganzen als bekehrt angesehn werden konnte, wo sich aber der heidnische Geist noch oft geltend machen wollte. Er war unermüdet im Visitiren, im Predigen, in der Sorge für die Jugend und für die Armuth; an manchem Orte unserer Provinz mag sein Fuß gestanden haben. Was aber ihm und dem von ihm gepredigten Worte die Herzen der Hörer gewann, war nicht nur seine bald sanfte, bald erschütternde Beredsamkeit, es war auch sein musterhaftes Leben. Die väterliche Liebe, die er als ein rechter Hirte und Bischof seiner Gemeinde bewies und mit der er für die Erziehung der Jugend[1], für die Ernährung der Armen[2], für die Loskaufung der Gefangenen[3] sorgte, die Weichheit seines Gemüths, die ihn nöthigte, sich zu freuen mit den Fröhlichen und zu weinen mit den Weinenden, die strenge Lebensweise, die er auch [62] als Erzbischof fortsetzte (er trug immer ein härenes Gewand auf dem Leibe und nährte sich nur von Brod und Wasser, zu welchem er erst im hohen Alter ein wenig Wein goß), die aufopferungsvolle Thätigkeit, die sich auf Nah und Fern erstreckte, alles dieses mußte die größte Ehrfurcht, wie die innigste Liebe zu ihm erwecken. War er denn ganz ohne Fehler? Wer wollte das von einem Menschen behaupten! Ausgar hatte namentlich Anfechtungen von Ruhmsucht, aber durch Gottes Gnade und anhaltendes Gebet erstickte er sie und wurde so demüthig, daß er einst zu seinen Freunden, die von seinen Wunderthaten redeten, sagte: „Wenn ich würdig wäre bei meinem Gott, so möchte ich ihn bitten, nur ein einziges Wunder zu gestatten, nämlich dies, daß er nach seiner Gnade einen guten Menschen aus mir machte.“

Es bleibt uns nun noch übrig, einen Blick auf das Ende unsers Ansgar zu werfen. Er hatte nie einen starken Körper gehabt und bei seinem mühevollen Leben ist es um so mehr zu bewundern, daß er erst im 64. Lebensjahre von einer Krankheit befallen wurde (Dyssenterie), die sich bald als eine Krankheit zum Tode herausstellte. Schwer waren seine Leiden, doch seine Ergebung überwand Alles. Nur das Eine schmerzte ihn, daß er die ersehnte Märtyrerkrone nicht erlangen sollte; er glaubte darin ein Zeichen seiner Verwerfung vor Gott sehn zu müssen und selbst der trostreiche Zuspruch seines treuen Rimbert war vergeblich. Doch Gott ließ ihn nicht ungetröstet; er meinte einst in wachendem Zustande eine himmlische Stimme vernommen zu haben, die ihn wegen seines Zweifels tadelte, ihm dann aber Ruhe und Frieden in’s Herz goß. Hierauf besorgte er, was er noch auf Erden zu besorgen hatte, vornämlich die Angelegenheiten der nordischen Mission und seines Erzbisthums und sah so dem Feste der Reinigung Mariä entgegen, welches, wie er hoffte, der Tag seines Heimgangs sein werde. Am Vorabende der Festes ordnete er, obwohl völlig entkräftet, alles für die Feier des folgenden Tages an, ließ dann drei große Kerzen aus reinem Wachs holen und befahl sie aufzustellen, die eine auf dem Altar der Maria, die anderen auf den Altären des Petrus und des [63] Täufers Johannes, die in jenem merkwürdigen Traumgesicht seine Führer gewesen waren. Für die Geistlichen, sowie für die Armen wurde ein Mahl zugerichtet. Am folgenden Tage und in der Nacht ließ er seine Freunde zu sich kommen, ermahnte sie zur Treue im Dienste des Herrn und hieß sie, nachdem sie schon manche Psalmen gesungen hatten, den Lobgesang des heil. Ambrosius: Herr Gott dich loben wir, und das Athanasianische Glaubensbekenntniß singen. Am Morgen des 3. Februar empfing er das heil. Abendmahl, betete um Vergebung für seine Widersacher und wiederholte öfter die Sprüche. „Herr, gedenke meiner nach deiner großen Barmherzigkeit und um deiner großen Güte willen“, und: „Gott sei mir Sünder gnädig!“ und: „Herr, in deine Hände befehle ich meinen Geist.“ Als seine Stimme ihm endlich versagte, mußte sein Schüler und Nachfolger Rimbert ihm dieselben Sprüche vorsagen und so starb er mit zum Himmel gerichteten Augen am 3. Februar 865. Unter den Thränen des ganzen Volks, am meisten der Geistlichen, der Waisen und Wittwen, der Kinder und Armen wurde er im St. Petri-Dom in Bremen begraben.

Es hätte der Heiligsprechung von Seiten des Pabstes nicht bedurft, um Ansgar’s Gedächtniß in der Christenheit zu erhalten. Dan. 12, 3; Ebr. 13, 7.

Stade.

Dieckmann.     

  1. Der Erziehung der Kinder dienten besonders die Klöster, die er anlegte, das Kloster in Hamburg, das Kloster in Ramelsloh, sowie das Nonnenkloster in Bassum, damals Briximon genannt.
  2. An der Stelle, wo jetzt die Ansgarii-Kirche steht, hatte Ansgar ein Armenhospital erbaut, das St. Jügen-Hospital.
  3. Der Sclavenhandel, besonders mit Kriegsgefangenen, wurde damals auf die schändlichste Weise getrieben.
St. Willehad, der erste Bischof von Bremen Nach oben Eine Urkunde des Erzbischofs Adalbert vom Jahre 1059
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