Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden/Ein Sittenspiegel aus Stade

Die Sage vom Störtebecker Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden (1856)
von Friedrich Köster
Die Ursachen, welche die Einführung der Reformation in den Herzogthümern befördert haben
[87]
14.
Ein Sittenspiegel aus Stade, angeblich aus dem Ende des 15ten Jahrhunderts
[1].

Wiltu up erden erbarlich und durich leven
so merke unde betrachte watt hier steidt geschreven:
Gades gebodt in groten achtn
unde sinen bevele wilt natrachten
si unterdanich diner overicheit
alse di godt dat sulve bevalen deit
wes eines iedderen bedenstlike knecht
unde do in allen dingen lick unde recht

[88]

dinen negesten nicht wilt bedregern
vermidt to puchen stelen unde legen
gif einen jedern dat sin
unde in dinem levende guden schin
wes warhaftich verschwig hemelicke dinge
wultu dat di up erden wol gelinge
mit howart schouwe tho weren (?)
si nicht ilig mit diner rede
dwink dine tunge na tidt unde stede
hödt di vor krich unde naberlichen stridt
dardorch menniger des sinen werdt quidt
hoed di vor averflodige win spel unde lose wive
dardorch menniger kumpt van levende tho hader unde kive
geselle di nicht to unbekanden
si turtich (?) in steden unde landen
love nicht allewege wat man di secht
truwe nicht alto ser dinen versoneden vindt recht
trure nicht alto sere umme din verlaren gut
wedder tho nehmen hebbe stedes guden moth
fröwe di nicht alto sere um dines negesten wedderwerdicheit
wente din gelucke facken in blomen steit
love nicht henn unde hodt di vor borgen
lat iedermann dat sine sulven besorgen
holt matte in allen dingen
na groter pracht nicht wilt ringen
wenn du ienigen armen sühst
gedenke dat du ock Adames kindt sist
streve nicht baven matte alto seer
na grotter pracht unde hoger ere
er wi sodanes krigen unde erwerwen
so legge wi uns nedder und starven
wat wedder Godt er unde alle billicheit is
des entholt di nu unde tho aller frist.

Es ist auffallend, daß dieses Stück von christlichen Beweggründen, zumal denen der Römischen Kirchenlehre, fast nichts enthält. Dasselbe giebt überhaupt vornehmlich [89] nur Klugheits-Regeln, und ist wohl eben deßhalb ohne allen Schwung, poetischen sowohl als religiösen. Aber was dazumal im Volke als Sittlichkeit und Lebensklugkeit galt, läßt es in lehrreicher Weise erkennen.


  1. Aus einer handschriftlichen Sammlung alter Nachrichten über das Bremen- und Verdensche, welche der sel. Consist.-Rath Watermeyer aus der Auction des Consist.-Raths D. J. v. Stade in Verden erkauft hat, und welche jetzt der Prediger-Bibliothek in Stade angehört.
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