Alte Dresdner Geschichten. Nr. 2. Die zwei Grenadiere

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Titel: Alte Dresdner Geschichten. Nr. 2. Die Grenadiere
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aus: Die Gartenlaube, Heft 51, S. 707-708
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1857
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[707] Alte Dresdner Geschichten. Nr. 2. Die zwei Grenadiere. Der Mond schien hell, es war um die Mitternachtsstunde, als zwei Grenadiere Schildwacht hielten vor dem Palast des Grafen Rutowsky. Da nahete sich ihnen ein Mann in einem Mantel. Er fing mit den Soldaten ein Gespräch an und klagte, daß er, da es bereits so spät sei, in seinem Hause keinen Einlaß erhalte. Nach einer Weile brachte dieser Mann eine Flasche Branntwein hervor, und nöthigte die zwei Grenadiere, ihm darin Bescheid zu thun. Er brauchte nicht zum zweiten Mal zu bitten, die Flasche ging von Mund zu Mund, und die drei Männer in einsamer Nacht wurden gesprächig. Einer der Soldaten fragte, welches Geschäft der Fremde betreibe, und dieser antwortete, daß es die geheimnißvolle Kunst besitze, die Metalle zu verwandeln. „Eben in dieser Nacht,“ setzte der Gast hinzu, „habe ich einen merkwürdigen Stein gefunden, von einer Beschaffenheit, wie ich sie gerade zu meinen Experimenten nöthig habe; er liegt dort mitten in der Straße, ein paar Dutzend Schritte links von uns.“ Die Soldaten schauten hin und gewahrten nichts. „Es ist ein gewöhnlicher Pflasterstein,“ erwiderte der Fremde, „ihr seht’s ihm nicht an; doch wollt ihr mir helfen, ihn mit euren Bajonneten aus der Erde zu heben, so soll dieses Goldstück euch gehören.“ Damit brachte er einen Doppellouisd’or aus der Tasche. Die Grenadiere bedachten sich nicht lange, die Straße war einsam, das Werk konnte nicht lange dauern, das Geld war leicht verdient. Sie gingen die wenigen Schritte mit dem Fremden, und machten sich an das Geschäft, den bezeichneten Stein aufzulockern, und als dies geschehen war, nahm ihn der Fremde, und ließ dafür das Goldstück den Soldaten zurück. In seinen Mantel gehüllt, ging er mit dem Steine eilig fort. Die Grenadiere unterhielten sich während der Dauer ihrer Wachtzeit über die herrliche Kunst, die jener Fremde verstehe, und bezeigten einander ihre Verwunderung, wie ein gewöhnlicher Stein so großen Werth haben könne für den Wundermann.

Als sie abgelöst wurden und das Geld wechseln wollten, um es unter sich zu theilen, entstand die Frage, woher sie das Geld hatten. Leugnen half nicht, sie mußten gestehen, und die sonderbare Begebenheit wurde sofort von dem wachthabenden Officier weiter gemeldet. In jenen Zeiten, wo diese Geschichte spielt, nämlich unter August III., war es nichts Ungewöhnliches, daß seltsame Praktikanten aller Art im Lande umherzogen, und für ihre alchymistische Küche allerlei Utensilien einsammelten. Indessen ließ man nach dem Manne forschen; die Soldaten mußten genau angeben, wie er ausgesehen und ob er sich in seiner Sprache und seinen Manieren als ein Ausländer kund gethan. Das letztere glaubten jene als gewiß annehmen zu können. Man brachte jedoch nichts heraus. Die Geschichte gerieth in Vergessenheit.

Nach vielen Jahren wurde dieses Räthsel durch einen Zufall erklärt. Ein Diener des Grafen Rutowsky befand sich mit seinem Herrn in Wien und wurde von seinen Cameraden zu einem Abendschmause geladen. Als sich Alle versammelt halten, wurde von den Liebesabenteuern ihrer Herrn gesprochen, und Balthasar, ein besonders verschmitzter Bursche, nahm das Wort. Als ich noch bei dem französischen Gesandten in Dienst war, hub er an, geschah es, daß sich mein Herr in eine wunderschöne junge Wittwe verliebte, die aber einen sehr harten Oheim hatte, [708] der sie überall mit Spionen umgab. Man war bereits überein gekommen, daß man sich zu nächtlicher Stunde sehen wollte, und das Kammermädchen hielt ein Fenster bereit, wo allein das Einsteigen mit einer Leiter möglich war, nur mußte eine Schwierigkeit besiegt werden, und die bestand darin, daß das Fenster in geringer Entfernung von einem Palais sich befand, vor welchem zwei Posten Schildwache hielten. Diese mußten nothwendig Alles bemerken, was an dem gegenüberliegenden Hause geschah, und natürlichcherweise mußte durch sie das ganze Unternehmen vereitelt werden. Wie es nun also anfangen, dazu bei hellem Mondschein, die Soldaten unschädlich zu machen? Ich kam auf eine List. In meinen Mantel gehüllt, spielte ich die Rolle eines fremden Wunderdoktors und brachte die Burschen, die ich durch die Flasche kirre gemacht, dahin, daß sie mir einen Pflasterstein, der in gehöriger Entfernung und von dem bezeichneten Hause in entgegengesetzter Richtung in der Mitte der Straße lag, mit ihren Bajonneten ausgruben. Bei dieser Arbeit, die ich künstlich noch zu verlängern wußte, brachte ich jene Beiden in solche Stellung, daß sie dem Hause den Rücken kehrten und folglich nichts sahen, als dort die Leiter angelegt wurde, auf der mein Herr einstieg. Das Stückchen gelang vortrefflich. Es kam nichts heraus; bald darauf verließen wir auch die Stadt; mir hat der Spaß eine volle Börse eingebracht.“

„Und den armen Grenadieren zwölf Tage strengen Gewahrsam,“ setzte der Rutowsky’sche Diener hinzu. „Jetzt wissen wir, was uns in Dresden lange Zeit Unruhe gemacht, denn unser gnädiger Herr und so Viele mit ihm hatten seit der Zeit die größte Neigung, Pflastersteine zu betrachten und auszugraben. Und wie sorgfältig haben wir nach dem Alchymisten forschen lassen. Nun ist an Allem ein spitzbübisches hübsches Weib schuld.“ Das Abenteuer wurde belacht. –

Der Herr Hofrath Meusel zu Erlangen hat in seinen historischen Unterhaltungen diese Anekdote erzählt und versichert, es sei über diese Begebenheit ein Protokoll aufgenommen worden.