Allgemeines Deutsches Kommersbuch:v 4

Schauenburg:
Allgemeines Deutsches Kommersbuch
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[VI] neueren Lieder, die sich die Studentenschaft und überhaupt die Jugend erobert haben, durch das Lahrer Kommersbuch sangbar gemacht und in die Geselligkeit eingeführt worden sind. Man sagt freilich von unserer Zeit, daß sie der Lyrik nicht günstig und freundlich sei. Das brauchte uns jedoch nicht anzufechten, weil von der eigentlichen Modelyrik unserer Tage, von der vorlauten Stotterdichtung der Jüngsten der herzensfröhliche Beruf eines Kommersbuches ohnehin durch ganze Abgründe geschieden ist. Mit Nachfolgendem hoffen wir den Beweis zu erbringen: daß, unbekümmert um alle Psychopathien unserer Litteratur und mancher Gesellschaftssphären – und leider auch eine gewisse beginnende Zersetzung im akademischen Leben – an den Biertischen und auf studentischer Wanderfahrt und bei den richtigen Studenten überhaupt alleweil noch gesunder Sinn die Oberhand hat und ein frisches, unmittelbar empfundenes Lied immer noch aufs neue bei jungen und alten Semestern erblüht.

     Als die Hauptsache haben wir indessen eine Kodifikation des schon vorhandenen und bewährten Bestandes angestrebt. Die Verlagshandlung hat keine Opfer gescheut, um die nötigen Eigentumsrechte hinzu zu erwerben. Ausgemerzt ist auch worden, und wenn dem Benutzer nicht sonderlich auffällt, wie viel und was, so wird darin die beste Rechtfertigung des Verfahrens liegen.

     Für die Texte haben wir uns angelegentlich um den richtigen oder besser ursprünglichen Wortlaut bemüht und in verwickelten Fällen keineswegs nur die mannigfaltigen neueren Vorarbeiten benutzt, sondern darüber hinaus Einzelstudien gemacht und Erkundigungen angestellt. Allen denjenigen auch an dieser Stelle zu danken, die um unser Buch direkt durch Mitteilungen oder indirekt durch eigene Arbeiten und Studien sich verdient gemacht haben, ist nicht thunlich; sie mögen unsere Würdigung und Dankbarkeit aus der Übernahme ihrer Neuaufschlüsse entnehmen. Besonders hervorzuhebende Förderung enthielten Fr. M. Böhmes „Volkstümliche Lieder der Deutschen im 18. und 19. Jahrhundert“ (Leipzig, Breitkopf und Härtel), M. Friedländers „Kommersbuch“ (Leipzig, C. F. Peters) und G. Wustmanns Liederbuch für altmodische Leute „Als der Großvater die Großmutter nahm“ (Leipzig, Fr. W. Grunow). Für sachliche und nicht bloß vage Mitteilungen, für kundigen Einspruch werden wir auch fernerhin jederzeit dankbar sein. Im übrigen blieben [VII] wir uns zum Glück bewußt, keinen philologischen Kodex, sondern ein Kommersbuch herauszugeben, dessen man sich ungeärgert duch Pedanterie und deplacierte Gelehrtthuerei erfreuen soll. So haben wir auch keineswegs grundsätzlich wieder vernichten wollen, was ein flotter und guter Einfall mit Erfolg an die Stelle einer flauen Richtigkeit gesetzt hat und was der Dichter selber hätte wünschen können gesagt zu haben. Wo übrigens derartige Umformungen durch die Sängerwelt größeren Umfang angenommen hatten, haben wir darüber eine Andeutung gemacht. Mit Anmerkungen wollten wir das Buch sonst nicht beladen.

Was die Singweisen, vulgo Melodien anlangt, so haben sich die musikalischen Herausgeber nicht entschließen können, die Noten so kahl und accentlos hinzustellen, wie das hier und da in Liederbüchern geschieht. Dagegen haben sie manchen musikalischen Greuel zugeben müssen und sich, wenn auch unter ästhetischem Leibschneiden, damit zu trösten gesucht, daß das Buch ja nicht für Liedertafeln bestimmt und daß auch nicht jederzeit der Tag des Herrn, sondern manchmal Mitternacht und darüber ist. – Bekanntlich gehen bei mehrstrophigen Liedern nicht immer alle Zeilen und Silben gleich pünklich in die Singweise der ersten Strophe auf, und in solchen Fällen verändern Komponisten und Bearbeiter einem Achtelchen oder Sechzehntel zuliebe gerne den Text. Hier haben wir, die selber mit robusterem Musikgewissen ausgestattet sind und uns darin mit den Herren Kommilitonen so ziemlich eines fühlen, auch genugsam wissen, wie der Kneipgesang noch ganz andere Hindernisse mit spielender Leichtigkeit nimmt, die Texttreue gegenüber jener feineren Harmonie der Silben und Noten aufrecht erhalten, selbst wenn wir damit einem Manne ungern widersprechen mußten, dessen Name, soweit das deutsche Lied erklingt, mit herzlicher Verehrung und Dankbarkeit genannt wird und der um das Lahrer Kommersbuch seit langer Zeit Verdienste der mannigfachsten Art sich erworben hat, Ludwig Liebe.

     Sonst aber und überhaupt wolle man in dem, was dies Buch und wie es es bringt, nicht eines Mannes Meinung erblicken. –

     Die 7 Titelzeichnungen, mit Ausnahme des lieben alten Haupttitels von Kaspar Scheurens Hand, sind von Adalbert von Rößler für unser Buch entworfen worden. –