Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels/Dritter Theil

Zweyter Theil – Achtes Hauptstück Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels (1755) von Immanuel Kant
Dritter Theil
Beschluß
[173]
Allgemeine
Naturgeschichte
und
Theorie des Himmels.
Dritter Theil.
Anhang,
von
den Bewohnern der Gestirne.


Weil ich davor halte, daß es den Charakter der Weltweisheit entehren heisse, wenn man sich ihrer gebrauchet, mit einer Art von Leichtsinn freye Ausschweifungen des Witzes, mit einiger Scheinbarkeit, zu behaupten, wenn man sich gleich erklären wolte, daß es nur geschähe, um zu belustigen; [174] so werde ich in gegenwärtigem Versuche keine anderen Sätze anführen, als solche, die zur Erweiterung unseres Erkenntnisses wirklich beytragen können, und deren Wahrscheinlichkeit zugleich so wohl gegründet ist, daß man sich kaum entbrechen kan, sie gelten zu lassen.

Obgleich es scheinen möchte, daß in dieser Art des Vorwurfes, die Freyheit zu erdichten, keine eigentliche Schranken habe, und daß man in dem Urtheil von der Beschaffenheit der Einwohner entlegener Welten, mit weit grösserer Ungebundenheit, der Phantasey könne den Zügel schiessen lassen, als ein Mahler in der Abbildung der Gewächse oder Thiere unentdeckter Länder, und daß dergleichen Gedanken weder recht erwiesen, noch widerleget werden könten; so muß man doch gestehen, daß die Entfernungen der Himmelskörper von der Sonne gewisse Verhältnisse mit sich führen, welche einen wesentlichen Einfluß, in die verschiedenen Eigenschaften der denkenden Naturen, nach sich ziehen, die auf denenselben befindlich sind, als deren Art zu wirken und zu leiden, an die Beschaffenheit der Materie, mit der sie verknüpfet seyn, gebunden ist, und von dem Maaß der Eindrücke abhänget, die die Welt, nach den Eigenschaften der Beziehung ihres Wohnplatzes, zu dem Mittelpunkte der Attraction und der Wärme, in ihnen erwecket.

Ich bin der Meinung, daß es eben nicht nothwendig sey, zu behaupten, alle Planeten müßten bewohnt seyn, ob es gleich eine Ungereimtheit wäre, [175] dieses, in Ansehung aller, oder auch nur der meisten, zu leugnen. Bey dem Reichthume der Natur, da Welten und Systeme, in Ansehung des Ganzen der Schöpfung, nur Sonnenstäubchen seyn, könnte es auch wohl öde und unbewohnte Gegenden geben, die nicht auf das genaueste zu dem Zwecke der Natur, nemlich der Betrachtung vernünftiger Wesen, genutzet würden. Es wäre, als wenn man sich aus dem Grunde der Weisheit GOttes ein Bedenken machen wolte, zuzugeben, daß sandigte und unbewohnte Wüsteneyen grosse Strecken des Erdbodens einnehmen, und daß es verlassene Inseln im Weltmeere gebe, darauf kein Mensch befindlich ist. Indessen ist ein Planet, viel weniger in Ansehung des Ganzen der Schöpfung, als eine Wüste, oder Insel, in Ansehung des Erdbodens.

Vielleicht, daß sich noch nicht alle Himmelskörper völlig ausgebildet haben; es gehören Jahrhunderte, und vielleicht tausende von Jahren dazu, bis ein grosser Himmelskörper einen festen Stand seiner Materien erlanget hat. Jupiter scheinet noch in diesem Streite zu seyn. Die merkliche Abwechselung seiner Gestalt, zu verschiedenen Zeiten, hat die Astronomen schon vorlängst muthmassen lassen, daß er grosse Umstürzungen erleiden müsse, und bey weiten so ruhig auf seiner Oberfläche nicht sey, als es ein bewohnbarer Planet seyn muß. Wenn er keine Bewohner hat, und auch keine jemals haben solte, was vor ein unendlich kleiner Aufwand der [176] Natur wäre dieses, in Ansehung der Unermeßlichkeit der ganzen Schöpfung? Und wäre es nicht vielmehr ein Zeichen der Armuth, als des Ueberflusses derselben, wenn sie in jedem Punkte des Raumes so sorgfältig seyn solte, alle ihre Reichthümer aufzuzeigen?

Allein, man kan noch mit mehr Befriedigung vermuthen, daß, wenn er gleich jetzt unbewohnt ist, er dennoch es dereinst werden wird, wenn die Periode seiner Bildung wird vollendet seyn. Vielleicht ist unsere Erde tausend oder mehr Jahre vorhanden gewesen, ehe sie sich in Verfassung befunden hat, Menschen, Thiere und Gewächse unterhalten zu können. Daß ein Planet nun einige tausend Jahre später zu dieser Vollkommenheit kommt, das thut dem Zwecke seines Daseyns keinen Abbruch. Er wird eben um deswillen auch ins zukünftige länger in der Vollkommenheit seiner Verfassung, wenn er sie einmal erreichet hat, verbleiben; denn es ist einmal ein gewisses Naturgesetz: alles, was einen Anfang hat, nähert sich beständig seinem Untergange, und ist demselben um so viel näher, je mehr es sich von dem Punkte seines Anfanges entfernet hat.

Die satyrische Vorstellung jenes witzigen Kopfes aus dem Haag, welcher, nach der Anführung der allgemeinen Nachrichten aus dem R. d. Wissenschaften, die Einbildung von der nothwendigen Bevölkerung aller Weltkörper, auf der lächerlichen Seite vorzustellen wuste, kan nicht anders, [177] als gebilligt werden. „Diejenigen Creaturen,“ spricht er, „welche die Wälder auf dem Kopfe eines Bettlers bewohnen, hatten schon lange ihren Aufenthalt vor eine unermeßliche Kugel, und sich selber, als das Meisterstück der Schöpfung, angesehen, als einer unter ihnen, den der Himmel mit einer feinern Seele begabet hatte, ein kleiner Fontenelle seines Geschlechts, den Kopf eines Edelmanns unvermuthet gewahr ward. Alsbald rief er alle witzige Köpfe seines Quartiers zusammen, und sagte ihnen mit Entzückung: wir sind nicht die einzigen belebten Wesen der ganzen Natur: sehet hier ein neues Land, hie wohnen mehr Läuse.“ Wenn der Ausgang dieses Schlusses ein Lachen erwecket; so geschicht es nicht um deswillen, weil er von der Menschen Art, zu urtheilen, weit abgehet; sondern weil eben derselbe Irrthum, der bey dem Menschen eine gleiche Ursache zum Grunde hat, bey diesen mehr Entschuldigung zu verdienen scheinet.

Laßt uns ohne Vorurtheil urtheilen. Dieses Insekt, welches, sowohl seiner Art zu leben, als auch seiner Nichtswürdigkeit nach, die Beschaffenheit der meisten Menschen sehr wohl ausdrückt, kan mit gutem Fuge zu einer solchen Vergleichung gebraucht werden. Weil, seiner Einbildung nach, der Natur an seinem Daseyn unendlich viel gelegen ist: so hält es die ganze übrige Schöpfung vor vergeblich, die nicht eine genaue Abzielung auf sein Geschlechte, als den Mittelpunkt ihrer Zwecke, mit sich führet. Der Mensch, welcher gleich unendlich [178] weit von der obersten Stufe der Wesen abstehet, ist so verwegen, von der Nothwendigkeit seines Daseyns sich mit gleicher Einbildung zu schmeicheln. Die Unendlichkeit der Schöpfung fasset alle Naturen, die ihr überschwenglicher Reichthum hervorbringt, mit gleicher Nothwendigkeit in sich. Von der erhabensten Classe, unter den denkenden Wesen, bis zu dem verachtetesten Insekt, ist ihr kein Glied gleichgültig; und es kan keins fehlen, ohne daß die Schönheit des Ganzen, welche in dem Zusammenhange bestehet, dadurch unterbrochen würde. Indessen wird alles, durch allgemeine Gesetze, bestimmet, welche die Natur, durch die Verbindung ihrer ursprünglich eingepflanzten Kräfte, bewirket. Weil sie in ihrem Verfahren lauter Wohlanständigkeit und Ordnung hervorbringt; so darf keine einzelne Absicht ihre Folgen stören und unterbrechen. Bey ihrer ersten Bildung war die Erzeugung eines Planeten nur eine unendlich kleine Folge ihrer Fruchtbarkeit; und nun wäre es etwas ungereimtes, daß ihre so wohlgegründete Gesetze, den besondern Zwecken dieses Atomus nachgeben solten. Wenn die Beschaffenheit eines Himmelskörpers der Bevölkerung natürliche Hindernisse entgegen setzet: so wird er unbewohnt seyn, obgleich es an und vor sich schöner wäre, daß er Einwohner hätte. Die Trefflichkeit der Schöpfung verlieret dadurch nichts: denn das Unendliche ist unter allen Grössen diejenige, welche, durch Entziehung eines endlichen Theiles, nicht vermindert wird. Es wäre, als wenn man klagen wolte, daß der Raum, zwischen dem [179] Jupiter und dem Mars, so unnöthig leer stehet, und daß es Cometen giebt, welche nicht bevölkert sind. In der That, jenes Insekt mag uns so nichtswürdig scheinen, als es wolle, es ist der Natur gewiß an der Erhaltung seiner ganzen Classe mehr gelegen, als an einer kleinen Zahl vortrefflicherer Geschöpfe, deren es dennoch unendlich viel giebt, wenn ihnen gleich eine Gegend, oder Ort, beraubet seyn solte. Weil sie in Hervorbringung beyder unerschöpflich ist, so sieht man ja gleich unbekümmert, beyde in ihrer Erhaltung und Zerstörung, den allgemeinen Gesetzen überlassen. Hat wohl jemals der Besitzer jener bewohnten Wälder, auf dem Kopfe des Bettlers, grössere Verheerungen unter dem Geschlechte dieser Colonie gemacht, als der Sohn Philipps, in dem Geschlechte seiner Mitbürger, anrichtete, als es ihm sein böser Genius in den Kopf gesetzet hatte, daß die Welt nur um seinetwillen hervorgebracht sey?

Indessen sind doch die meisten unter den Planeten gewiß bewohnt, und die es nicht sind, werden es dereinst werden. Was vor Verhältnisse werden nun, unter den verschiedenen Arten dieser Einwohner, durch die Beziehung ihres Ortes in dem Weltgebäude zu dem Mittelpunkte, daraus sich die Wärme verbreitet, die alles belebt, verursachet werden. Denn es ist gewiß, daß diese, unter den Materien dieser Himmelskörper, nach Proportion ihres Abstandes, gewisse Verhältnisse in ihren Bestimmungen mit sich führet. Der Mensch, welcher [180] unter allen vernünftigen Wesen dasjenige ist, welches wir am deutlichsten kennen, ob uns gleich seine innere Beschaffenheit annoch ein unerforschtes Problema ist, muß in dieser Vergleichung zum Grunde und zum allgemeinen Beziehungspunkte dienen. Wir wollen ihn allhier nicht nach seinen moralischen Eigenschaften, auch nicht nach der physischen Einrichtung seines Baues betrachten: wir wollen nur untersuchen, was das Vermögen, vernünftig zu denken, und die Bewegung seines Leibes, die diesem gehorchet, durch die, dem Abstande von der Sonne proportionirte Beschaffenheit der Materie, an die er geknüpfet ist, vor Einschränkungen leide. Des unendlichen Abstandes ungeachtet, welcher zwischen der Kraft, zu denken, und der Bewegung der Materie, zwischen dem vernünftigen Geiste, und dem Körper, anzutreffen ist, so ist es doch gewiß, daß der Mensch, der alle seine Begriffe und Vorstellungen von den Eindrucke her hat, die das Universum, vermittelst des Körpers, in seiner Seele erreget, sowohl in Ansehung der Deutlichkeit derselben, als auch der Fertigkeit, dieselbe zu verbinden und zu vergleichen, welche man das Vermögen zu denken nennet, von der Beschaffenheit dieser Materie völlig abhängt, an die der Schöpfer ihn gebunden hat.

Der Mensch ist erschaffen, die Eindrücke und Rührungen, die die Welt in ihm erregen soll, durch denjenigen Körper anzunehmen, der der sichtbare Theil seines Wesens ist, und dessen Materie nicht allein dem unsichtbaren Geiste, welcher ihn bewohnet, [181] dienet, die ersten Begriffe der äusseren Gegenstände einzudrücken; sondern auch in der innern Handlung diese zu wiederholen, zu verbinden: kurz, zu denken, unentbehrlich ist[1]. Nach dem Maasse, als sein Körper sich ausbildet, bekommen die Fähigkeiten seiner denkenden Natur, auch die gehörigen Grade der Vollkommenheit, und erlangen allererst ein gesetztes und männliches Vermögen, wenn die Fasern seiner Werkzeuge die Festigkeit und Dauerhaftigkeit überkommen haben, welche die Vollendung ihrer Ausbildung ist. Diejenigen Fähigkeiten entwickeln sich bey ihm früh genug, durch welche er der Nothdurft, die die Abhängigkeit von den äusserlichen Dingen ihm zuziehet, genug thun kan. Bey einigen Menschen bleibt es bey diesem Grade der Auswickelung. Das Vermögen, abgezogene Begriffe zu verbinden, und durch eine freye Anwendung der Einsichten, über den Hang der Leidenschaften zu herrschen, findet sich spät ein, bey einigen niemals in ihrem ganzen Leben; bey allen aber ist es schwach: es dienet den unteren Kräften, über die es doch herrschen solte, und in deren Regierung der Vorzug seiner [182] Natur bestehet. Wenn man das Leben der meisten Menschen ansiehet: so scheinet diese Creatur geschaffen zu seyn, um wie eine Pflanze Saft in sich zu ziehen und zu wachsen, seyn Geschlecht fortzusetzen, endlich alt zu werden, und zu sterben. Er erreichet unter allen Geschöpfen am wenigsten den Zweck seines Daseyns, weil er seine vorzügliche Fähigkeiten zu solchen Absichten verbrauchet, die die übrigen Creaturen mit weit minderen, und doch weit sicherer und anständiger, erreichen. Er würde auch das Verachtungswürdigste unter allen, zum wenigsten in den Augen der wahren Weisheit, seyn, wenn die Hoffnung des Künftigen ihn nicht erhübe, und denen, in ihm verschlossenen Kräften, nicht die Periode einer völligen Auswickelung bevorstünde.

Wenn man die Ursache der Hindernisse untersuchet, welche die menschliche Natur in einer so tiefen Erniedrigung erhalten; so findet sie sich in der Grobheit der Materie, darinn sein geistiger Theil versenket ist, in der Unbiegsamkeit der Fasern, und der Trägheit und Unbeweglichkeit der Säfte, welche dessen Regungen gehorchen sollen. Die Nerven und Flüßigkeiten seines Gehirnes liefern ihm nur grobe und undeutliche Begriffe, und weil er der Reizung der sinnlichen Empfindungen, in dem inwendigen seines Denkungsvermögens, nicht genugsam kräftige Vorstellungen zum Gleichgewichte entgegen stellen kan: so wird er von seinen Leidenschaften hingerissen, von dem Getümmel der Elemente, die seine Maschine unterhalten, übertäubet und gestöret. Die Bemühungen der Vernunft, sich dagegen zu erheben, [183] und diese Verwirrung durch das Licht der Urtheilskraft zu vertreiben, sind wie die Sonnenblicke, wenn dicke Wolken ihre Heiterkeit unablässig unterbrechen und verdunkeln.

Diese Grobheit des Stoffes und des Gewebes in dem Baue der menschlichen Natur ist die Ursache derjenigen Trägheit, welche die Fähigkeiten der Seele in einer beständigen Mattigkeit und Kraftlosigkeit erhält. Die Handlung des Nachdenkens, und der durch die Vernunft aufgeklärten Vorstellungen ist ein mühsamer Zustand, darein die Seele sich nicht ohne Wiederstand setzen kan, und aus welchem sie, durch einen natürlichen Hang der körperlichen Maschine, alsbald in den leidenden Zustand zurückfällt, da die sämtlichen Reizungen alle ihre Handlungen bestimmen und regieren.

Diese Trägheit seiner Denkungskraft, welche eine Folge der Abhängigkeit von einer groben und ungelenksamen Materie ist, ist nicht allein die Quelle des Lasters, sondern auch des Irrthums. Durch die Schwierigkeit, welche mit der Bemühung verbunden ist, den Nebel der verwirrten Begriffe zu zerstreuen, und das durch verglichene Ideen entspringende allgemeine Erkenntniß von den sinnlichen Eindrücken abzusondern, abgehalten, giebt sie lieber einem übereilten Beyfalle Platz, und beruhigt sich in dem Besitze einer Einsicht, welche ihr die Trägheit ihrer Natur und der Wiederstand der Materie kaum von der Seite erblicken lassen.

In dieser Abhängigkeit schwinden die geistigen Fähigkeiten zugleich mit der Lebhaftigkeit des Leibes: wenn das hohe Alter durch den geschwächten Umlauf [184] der Säfte nur dicke Säfte in dem Körper kochet, wenn die Beugsamkeit der Fasern, und die Behendigkeit in allen Bewegungen abnimmt, so erstarren die Kräfte des Geistes in einer gleichen Ermattung. Die Hurtigkeit der Gedanken, die Klarheit der Vorstellung, die Lebhaftigkeit des Witzes und das Erinnerungsvermögen werden kraftlos und erkalten. Die durch lange Erfahrung eingepfropften Begriffe ersetzen noch einigermaßen den Abgang dieser Kräfte und der Verstand würde sein Unvermögen noch deutlicher verrathen, wenn die Heftigkeit der Leidenschaften, die dessen Zügel nöthig haben, nicht zugleich, und noch eher als er, ebnehmen möchten.

Es erhellet demnach hieraus deutlich, daß die Kräfte der menschlichen Seele von den Hindernissen einer groben Materie, an die sie innigst verbunden werden, eingeschränket und gehemmet werden; aber es ist etwas noch merkwürdigers, daß diese specifische Beschaffenheit des Stoffes eine wesentliche Beziehung zu dem Grade des Hinflusses hat, womit die Sonne nach dem Masse ihres Abstandes sie belebet, und zu den Verrichtungen der animalischen Oeconomie tüchtig macht. Diese nothwendige Beziehung zu dem Feuer, welches sich aus dem Mittelpunkte des Weltsystems verbreitet, um die Materie in der nöthigen Regung zu erhalten, ist der Grund einer Analogie, die eben hieraus, zwischen den verschiedenen Bewohnern der Planeten, vest gesetzet wird: und eine jede Classe derselben ist vermöge dieser Verhältniß an den Ort durch die Nothwendigkeit [185] ihrer Natur gebunden, der ihr in dem Universo angewiesen worden.

Die Einwohner der Erde und der Venus können ohne ihr beyderseitiges Verderben ihre Wohnplätze gegeneinander nicht vertauschen. Der erstere, dessen Bildungsstoff vor den Grad der Wärme seines Abstandes proportionirt, und daher vor einen noch grössern zu leicht und flüchtig ist, würde in einer erhitzteren Sphäre gewaltsame Bewegungen und eine Zerrüttung seiner Natur erleiden, die von der Zerstreuung und Austrocknung der Säfte und einer gewaltsamen Spannung seiner elastischen Fasern entstehen würde; der letztere dessen gröberer Bau und Trägheit der Elemente seiner Bildung, eines grossen Einflusses der Sonne bedarf, würde in einer kühleren Himmelsgegend erstarren und in einer Leblosigkeit verderben. Eben so müssen es weit leichtere und flüchtigere Materie seyn, daraus der Körper des Jupiters Bewohners bestehet, damit die geringe Regung, womit die Sonne in diesem Abstande wirken kan, diese Maschinen eben so kräftig bewegen könne, als sie es in den unteren Gegenden verrichtet, und damit ich alles in einem allgemeinen Begriffe zusammenfasse. Der Stoff woraus die Einwohner verschiedener Planeten, ja so gar die Thiere und Gewächse auf denselben, gebildet seyn, muß überhaupt um desto leichterer und feinerer Art, und die Elasticität der Fasern sammt der vortheilhaften Anlage ihres Baues, um desto vollkommener seyn, nach dem Masse als sie weiter von der Sonne abstehen.

[186] Dieses Verhältniß ist so natürlich und wohl gegründet, daß nicht allein die Bewegungsgründe des Endzwecks darauf führen, welche in der Naturlehre gemeiniglich nur als schwache Gründe angesehen werden, sondern zugleich die Proportion der specifischen Beschaffenheit der Materien woraus die Planeten bestehen, welche sowohl durch die Rechnungen des Newton, als auch durch die Gründe der Cosmogonie ausgemacht sind, dieselbe bestätigen, nach welchen der Stoff, woraus die Himmelskörper gebildet sind, bey den entfernetern allemal leichterer Art, als bey den nahen ist, welches nothwendig an denen Geschöpfen, die sich auf ihnen erzeugen und unterhalten, ein gleiches Verhältniß nach sich ziehen muß.

Wir haben eine Vergleichung zwischen der Beschaffenheit der Materie, damit die vernünftigen Geschöpfe auf den Planeten wesentlich vereinigt seyn, ausgemacht: und es läst sich auch nach der Einleitung dieser Betrachtung leichtlich erachten, daß diese Verhältnisse eine Folge, auch in Ansehung ihrer geistigen Fähigkeit, nach sich ziehen werde. Wenn demnach diese geistige Fähigkeiten eine nothwendige Abhängigkeit von dem Stoffe der Maschine haben, welche sie bewohnen; so werden wir mit mehr als wahrscheinlicher Vermuthung schliessen können: daß die Treflichkeit der denkenden Naturen, die Hurtigkeit in ihren Vorstellungen, die Deutlichkeit und Lebhaftigkeit der Begriffe, die sie durch äusserlichen Eindruck bekommen, sammt dem Vermögen sie zusammen zusetzen, endlich auch [187] die Behendigkeit in der wirklichen Ausübung, kurz, der ganze Umfang ihrer Vollkommenheit unter einer gewissen Regel stehen, nach welcher dieselben, nach dem Verhältniß des Abstandes ihrer Wohnplätze von der Sonne, immer treflicher und vollkommener werden.

Da dieses Verhältniß einen Grad der Glaubwürdigkeit hat, der nicht weit von einer ausgemachten Gewißheit entfernet ist, so finden wir ein ofnes Feld zu angenehmen Muthmassungen, die aus der Vergleichung der Eigenschaften dieser verschiedenen Bewohner entspringen. Die menschliche Natur, welche in der Leiter der Wesen gleichsam die mittelste Sprosse inne hat, siehet sich zwischen den zwey äussersten Grenzen der Vollkommenheit mitten inne, von deren beyden Enden sie gleich weit entfernet ist. Wenn die Vorstellung der erhabensten Classen vernünftiger Creaturen, die den Jupiter oder den Saturn bewohnen, ihre Eifersucht reitzet, und sie durch die Erkenntniß ihrer eigenen Niedrigkeit demüthiget; so kan der Anblick der niedrigen Stufen sie wiederum zufrieden sprechen und beruhigen, die in den Planeten Venus und Merkur weit unter der Vollkommenheit der menschlichen Natur erniedrigt seyn. Welch ein verwunderungswürdiger Anblick! Von der einen Seite sahen wir denkende Geschöpfe, bey denen ein Grönländer oder Hottentotte ein Newton seyn würde; und auf der andern Seite andere, die diesen als einen Affen bewundern.

[188]

Da jüngst die obern Weisen sahn,
Was unlängst recht verwunderlich,
Ein Sterblicher bey uns gethan,
Und wie er der Natur Gesetz entfaltet; wunderten sie sich,
Daß durch ein irdisches Geschöpf dergleichen möglich zu geschehn,
Und sahen unsern Newton an, so wie wir einen Affen sehn.
                                        Pope.

Zu welch einem Fortgange in der Erkenntniß, wird die Einsicht jener glückseligen Wesen der obersten Himmelssphären nicht gelangen! Welche schöne Folgen, wird diese Erleuchtung der Einsichten nicht in ihre sittliche Beschaffenheit haben! Die Einsichten des Verstandes, wenn sie die gehörigen Grade der Vollständigkeit und Deutlichkeit besitzen, haben weit lebhaftere Reitzungen als die sinnlichen Anlockungen an sich, und sind vermögend, diese siegreich zu beherrschen, und unter den Fuß zu treten. Wie herrlich wird sich die Gottheit selbst, die sich in allen Geschöpfe mahlet in diesen denkenden Naturen nicht mahlen, welche als ein von den Stürmen der Leidenschaften unbewegtes Meer ihr Bild ruhig aufnehmen, und zurückstrahlen! Wir wollen diese Muthmassungen nicht über die, einer physischen Abhandlung vorgezeichnete Grenzen erstrecken, wir bemerken nur nochmals die oben angeführte Analogie: daß die Vollkommenheit der Geisterwelt sowohl, als der materialischen in den Planeten, von dem Merkur an bis zum Saturn, oder vielleicht noch über ihm, [189] (woferne noch andere Planeten seyn,) in einer richtigen Gradenfolge, nach der Proportion ihrer Entfernungen von der Sonne, wachse und fortschreite.

Indessen, daß dieses aus den Folgen der physischen Beziehung ihrer Wohnplätze zu dem Mittelpunkte der Welt zum Theil natürlich herfliesset, zum Theil geziemend veranlasset wird: so bestätigt anderer Seits der wirkliche Anblick der vortrefflichsten, und sich vor die vorzügliche Vollkommenheit dieser Naturen in den obern Gegenden anschickende Anstalten, diese Regel so deutlich, daß sie beynahe einen Anspruch auf eine völlige Ueberzeugung machen sollte. Die Hurtigkeit der Handlungen, die mit den Vorzügen einer erhabenen Natur verbunden ist, schicket sich besser zu den schnell abwechselnden Zeitperioden jener Sphären, als die Langsamkeit träger und unvollkomener Geschöpfe.

Die Sehröhre lehren uns, daß die Abwechselung des Tages und der Nacht im Jupiter in 10 Stunden geschehe. Was würde der Bewohner der Erde, wenn er in diesen Planeten gesetzt würde, bey dieser Eintheilung wohl anfangen? Die 10 Stunden würden kaum zu derjenigen Ruhe zureichen, die diese grobe Maschine zu ihrer Erholung durch den Schlaf gebrauchet. Was würden die Vorbereitung zu den Verrichtungen des Wachens, das Kleiden, die Zeit die zum Essen angewandt wird, nicht vor einen Antheil an der folgenden Zeit abfordern, und wie würde eine Creatur, deren Handlungen mit solcher Langsamkeit geschehen, nicht zerstreuet, und zu etwas tüchtigen [190] unvermögend gemacht werden, deren 5 Stunden Geschäfte plötzlich durch die Dazwischenkunft einer eben so langen Finsterniß unterbrochen würden? Dagegen wenn Jupiter von vollkommneren Creaturen bewohnet ist, die mit einer feinern Bildung mehr elastische Kräfte, und eine grössere Behendigkeit in der Ausübung verbinden; so kan man glauben, daß diese 5 Stunden ihnen eben dasselbe und mehr sind, als was die 12 Stunden des Tages vor die niedrige Classe der Menschen betragen. Wir wissen, daß das Bedürfniß der Zeit etwas relatives ist, welches nicht anders, als aus der Grösse desjenigen was verrichtet werden soll, mit der Geschwindigkeit der Ausübung verglichen, kan erkannt und verstanden werden. Daher eben dieselbe Zeit, die vor eine Art der Geschöpfe gleichsam nur ein Augenblick ist, vor eine andere eine lange Periode seyn kan, in der sich eine grosse Folge der Veränderungen durch eine schnelle Wirksamkeit auswickelt. Saturn hat nach der wahrscheinlichen Berechnung seiner Umwälzung, die wir oben dargelegt haben, eine noch weit kürzere Abtheilung des Tages und der Nacht, und lässet daher an der Natur seiner Bewohner noch vorzüglichere Fähigkeiten vermuthen.

Endlich stimmet alles überein das angeführte Gesetz zu bestätigen. Die Natur hat ihren Vorrath augenscheinlich auf der entlegenen Seite der Welt am reichlichsten ausgebreitet. Die Monde, die den geschäftigen Wesen dieser glückseligen Gegenden, durch eine hinlängliche Ersetzung die Entziehung des Tageslichts vergüten, sind in grössester [191] Menge daselbst angebracht, und die Natur scheinet sorgfältig gewesen zu seyn, ihrer Wirksamkeit alle Beyhülfe zu leisten, damit ihnen fast keine Zeit hinderlich sey, solche anzuwenden. Jupiter hat in Ansehung der Monde einen augenscheinlichen Vorzug vor allen unteren Planeten, und Saturn wiederum vor ihm, dessen Anstalten an dem schönen und nützlichen Ringe der ihn umgiebt, noch grössere Vorzüge von seiner Beschaffenheit, wahrscheinlich machen; dahingegen die untern Planeten, bey denen dieser Vorrath unnützlich würde verschwendet seyn, deren Classe weit näher an die Unvernunft grenzet, solcher Vortheile entweder gar nicht, oder doch sehr wenig theilhaftig geworden sind.

Man kan aber, (damit ich einem Einwurfe zuvor komme, der alle diese angeführte Uebereinstimmung vereiteln könnte,) den grösseren Abstand von der Sonne, dieser Quelle des Lichts und des Lebens, nicht als ein Uebel ansehen, wogegen die Weitläuftigkeit solcher Anstalten bey den entfernetern Planeten nur vorgekehrt werden, um ihm einigermassen abzuhelfen, und daß in der That die obern Planeten eine weniger vortheilhafte Lage im Weltgebäude und eine Stellung hätten, die der Vollkommenheit ihrer Anstalten nachtheilig wäre, weil sie von der Sonne einen schwächern Einfluß erhalten. Denn wir wissen, daß die Wirkung des Lichts und der Wärme nicht durch deren absolute Intensität, sondern durch die Fähigkeit der Materie, womit sie solche annimmt, und ihrem Antriebe weniger oder mehr widerstehet, bestimmt werde, [192] und daß daher eben derselbe Abstand, der vor eine Art grober Materie ein gemäßigtes Clima kan genannt werden, subtilere Flüßigkeiten zerstreuen, und vor sie von schädlicher Heftigkeit seyn würde; mithin nur ein feinerer und aus beweglichern Elementen bestehender Stoff dazu gehöret, um die Entfernungen des Jupiters oder Saturns von der Sonne beyden zu einer glücklichen Stellung zu machen.

Endlich scheinet noch die Treflichkeit der Naturen in diesen oberen Himmelsgegenden, durch einen physischen Zusammenhang mit einer Dauerhaftigkeit, deren sie würdig ist, verbunden zu seyn. Das Verderben und der Tod können diesen treflichen Geschöpfen nicht so viel, als uns niedrigen Naturen anhaben. Eben dieselbe Trägheit der Materie und Grobheit des Stoffes, die bey den unteren Stufen das specifische Principium ihrer Erniedrigung ist, ist auch die Ursache desjenigen Hanges, den sie zum Verderben haben. Wenn die Säfte, die das Thier oder den Menschen nähren und wachsen machen, indem sie sich zwischen seine Fäserchen einverleiben und an seine Masse ansetzen, nicht mehr zugleich dessen Gefässe und Canäle in der Raumesausdehnung vergrössern können, wenn das Wachsthum schon vollendet ist; so müssen diese sich ansetzende Nahrungssäfte durch eben den mechanischen Trieb, der das Thier zu nähren angewandt wird, die Höle seiner Gefässe verengen und verstopfen, und den Bau der ganzen Maschine, in einer nach und nach zunehmenden Erstarrung, zu Grunde richten. Es ist zu glauben, daß, obgleich die Vergänglichkeit auch an den vollkommensten Naturen naget, [193] dennoch der Vorzug in der Feinigkeit des Stoffes, in der Elasticität der Gefässe, und der Leichtigkeit und Wirksamkeit der Säfte, woraus jene vollkommnere Wesen, welche in den entfernten Planeten wohnen, gebildet seyn, diese Hinfälligkeit, welche eine Folge aus der Trägheit einer groben Materie ist, weit länger aufhalten, und diesen Creaturen eine Dauer, deren Länge ihrer Vollkommenheit proportionirt ist, verschaffen werde, so wie die Hinfälligkeit des Lebens der Menschen ein richtiges Verhältniß zu ihrer Nichtswürdigkeit hat.

Ich kan diese Betrachtung nicht verlassen, ohne einem Zweifel zuvor zu kommen, welcher natürlicher Weise aus der Vergleichung dieser Meinungen mit unseren vorigen Sätzen entspringen könnte. Wir haben in den Anstalten des Weltbaues an der Menge der Trabanten, welche die Planeten der entferntsten Kreise erleuchten, an der Schnelligkeit der Achsendrehungen, und dem gegen die Sonnenwirkung proportionirten Stoffe ihres Zusammensatzes, die Weisheit GOttes erkannt, welche alles dem Vortheile der vernünftigen Wesen, die sie bewohnen, so zuträglich angeordnet hat. Aber wie wollte man anjetzt mit der Lehrverfassung der Absichten einen mechanischen Lehrbegriff zusammen reimen, so daß, was die höchste Weisheit selbst entwarf, der rohen Materie, und das Regiment der Vorsehung, der sich selbst überlassenen Natur zur Ausführung aufgetragen worden? Ist das erstere nicht vielmehr ein Geständniß, daß die Anordnung des Weltbaues nicht durch die allgemeinen Gesetze der letzteren entwickelt worden.

[194] Man wird diese Zweifel bald zerstreuen, wenn man auf dasjenige nur zurück denckt, was in gleicher Absicht in dem vorigen angeführet worden. Muß nicht die Mechanik aller natürlichen Bewegungen einen wesentlichen Hang zu lauter solchen Folgen haben, die mit dem Project der höchsten Vernunft in dem ganzen Umfange der Verbindungen wohl zusammenstimmet? Wie kan sie abirrende Bestrebungen, und eine ungebundene Zerstreuung in ihrem Beginnen haben, da alle ihre Eigenschaften, aus welchen sich diese Folgen entwickeln, selbst ihre Bestimmung aus der ewigen Idee des göttlichen Verstandes haben, in welchem sich alles nothwendig auf einander beziehen, und zusammenschicken muß? Wenn man sich recht besinnet, wie kan man die Art zu urtheilen rechtfertigen, daß man die Natur, als ein wiederwärtiges Subject ansiehet, welches nur durch eine Art von Zwange, der ihrem freyen Betragen Schranken setzt, in dem Gleise der Ordnung und der gemeinschaftlichen Harmonie kan erhalten werden, woferne man nicht etwa davor hält, daß sie ein sich selbst genugsames Principium sey, dessen Eigenschaften keine Ursache erkennen, und welche GOtt, so gut als es sich thun läßt, in den Plan seiner Absichten zu zwingen trachtet. Je näher man die Natur wird kennen lernen, desto mehr wird man einsehen, daß die allgemeinen Beschaffenheiten der Dinge einander nicht fremd und getrennt seyn. Man wird hinlänglich überführet werden, daß sie wesentliche Verwandtschaften haben, durch die sie sich von selber anschicken, einander in Errichtung vollkommener [195] Verfassungen zu unterstützen, die Wechselwirkung der Elemente zur Schönheit der materialischen und doch auch zugleich zu den Vortheilen der Geisterwelt, und daß überhaupt die einzelnen Naturen der Dinge in dem Felde der ewigen Wahrheiten schon untereinander, so zu sagen, ein System ausmachen, in welchem eine auf die andere beziehend ist; man wird auch alsbald inne werden, daß die Verwandtschaft ihnen von der Gemeinschaft des Ursprungs eigen ist, aus dem sie insgesammt ihre wesentlichen Bestimmungen geschöpft haben.

Und um daher diese wiederholte Betrachtung zu dem vorhabenden Zwecke anzuwenden: Eben dieselbe allgemeine Bewegungsgesetze, die den obersten Planeten einen entfernten Platz von dem Mittelpunkte der Anziehung und der Trägheit in dem Weltsystem angewiesen haben, haben sie dadurch zugleich in die vortheilhafteste Verfassung gesetzt, ihre Bildungen am weitesten von dem Beziehungspunkte der groben Materie, und zwar mit grösserer Freyheit anzustellen; sie haben sie aber auch zugleich in eine regelmäßige Verhältniß zu dem Einflusse der Wärme versetzt, welche sich, nach gleichem Gesetze, aus eben dem Mittelpunkte ausbreitet. Da nun eben diese Bestimmungen es sind, welche die Bildung der Weltkörper in diesen entfernten Gegenden ungehinderter, die Erzeugung der davon abhängenden Bewegungen schneller und kurz zu sagen, das System wohlanständiger gemacht haben, da endlich die geistigen Wesen eine nothwendige Abhängigkeit von der Materie haben, an die sie persönlich verbunden sind; so ist kein Wunder, daß [196] die Vollkommenheit der Natur von beyderley Orten in einem einzigen Zusammenhange der Ursachen, und aus gleichen Gründen bewirket worden. Diese Uebereinstimmung ist also bey genauer Erwegung nichts plötzliches oder unerwartetes, und weil die letzteren Wesen durch ein gleiches Principium in die allgemeine Verfassung der materialischen Natur eingeflochten worden; so wird die Geisterwelt aus eben den Ursachen in den entferneten Sphären vollkommener seyn, weswegen es die körperliche ist.

So hänget denn alles in dem ganzen Umfange der Natur in einer ununterbrochenen Gradfolge zusammen, durch die ewige Harmonie, die alle Glieder auf einander beziehend macht. Die Vollkommenheiten GOttes haben sich in unsern Stufen deutlich offenbaret, und sind nicht weniger herrlich in den niedrigsten Classen, als in den erhabnern.

Welch eine Kette die von GOtt den Anfang nimmt, was vor Naturen
Von himmlischen und irdischen, von Engeln, Menschen bis zum Vieh,
Vom Seraphim bis zum Gewürm. O Weite die das Auge nie
Erreichen und betrachten kan!
Von dem Unendlichen zu dir, von dir zum Nichts!
                              Pope.

Wir haben die bisherige Muthmassungen treulich an dem Leitfaden der physischen Verhältnisse fortgeführet, welcher sie auf dem Pfade einer vernünftigen Glaubwürdigkeit erhalten hat. Wollen wir uns noch eine Ausschweifung aus diesem [197] Gleise in das Feld der Phantasie erlauben? Wer zeiget uns die Grenze wo die gegründete Wahrscheinlichkeit aufhöret, und die willkührlichen Erdichtungen anheben? Wer ist so kühn, eine Beantwortung der Frage zu wagen: ob die Sünde ihre Herrschaft auch in den andern Kugeln des Weltbaues ausübe, oder ob die Tugend allein ihr Regiment daselbst aufgeschlagen.

Die Sterne sind vielleicht ein Sitz verklärter Geister,
Wie hier das Laster herrscht, ist dort die Tugend Meister.
          v. Haller.

Gehört nicht ein gewisser Mittelstand zwischen der Weisheit und Unvernunft zu der unglücklichen Fähigkeit sündigen zu können. Wer weiß, sind also die Bewohner jener entferneten Weltkörper nicht zu erhaben und zu weise, um sich bis zu der Thorheit, die in der Sünde steckt, herabzulassen, diejenigen aber, die in den unteren Planeten wohnen, zu fest an die Materie geheftet und mit gar zu geringen Fähigkeiten des Geistes versehen, um die Verantwortung ihrer Handlungen vor dem Richterstuhle der Gerechtigkeit tragen zu dörfen? Auf diese Weise wäre die Erde, und vielleicht noch der Mars, (damit der elende Trost uns ja nicht genommen werde, Gefährten des Unglücks zu haben,) allein in der gefährlichen Mittelstrasse, wo die Versuchung der sinnlichen Reizungen gegen die Oberherrschaft des Geistes ein starkes Vermögen zur Verleitung haben, dieser aber dennoch diejenige Fähigkeit nicht verleugnen kann, wodurch er [198] im Stande ist, ihnen Wiederstand zu leisten, wenn es seiner Trägheit nicht vielmehr gefiele, sich durch dieselbe hinreissen zu lassen, wo also der gefährliche Zwischenpunkt zwischen der Schwachheit und dem Vermögen ist, da eben dieselbe Vorzüge, die ihn über die niederen Classen erheben, ihn auf eine Höhe stellen, von welcher er wiederum unendlich tiefer unter diese herabsinken kan. In der That sind die beyden Planeten, die Erde und der Mars, die mittelsten Glieder des planetischen Systems, und es läst sich von ihren Bewohnern vielleicht nicht mit Unwahrscheinlichkeit ein mittlerer Stand der physischen sowohl, als moralischen Beschaffenheit zwischen den zwey Endpunkten vermuthen; allein ich will diese Betrachtung lieber denjenigen überlassen, die mehr Beruhigung bey einem unerweißlichen Erkenntnisse, und mehr Neigung dessen Verantwortung zu übernehmen, bey sich finden.


  1. Es ist aus den Gründen der Psychologie ausgemacht, daß, vermöge der jetzigen Verfassung, darinn die Schöpfung Seele und Leib von einander abhängig gemachet hat, die erstere nicht allein alle Begriffe des Universi durch des letztern Gemeinschaft und Einfluß überkommen muß; sondern auch die Ausübung seiner Denkungskraft selber auf dessen Verfassung ankommt, und von dessen Beyhülfe die nöthige Fähigkeit dazu entlehnet.
Zweyter Theil – Achtes Hauptstück Nach oben Beschluß
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