Allerlei Weisen und Märlein
[258] Allerlei Weisen und Märlein. Ein liebenswürdiges Dichtergemüth, das ein Stück Eichendorffscher Naturschwärmerei mit Anklängen an Scheffels sinnenfrohe Art verbindet, tritt uns entgegen aus den Dichtungen Josef Bendels, welche uns unter dem eingangs genannten Titel, von Ernst Juch mit hübschen Zeichnungen versehen, gesammelt vorliegen (Wien, R. v. Waldheim). Der Poet verfügt über mannigfaltige Töne: das stimmungsvolle Lied, die kräftigeren Klänge der politischen Lyrik, die munter und behaglich daherfließende gereimte Erzählung, das alles finden wir in seinen „Weisen und Märlein“, und man darf sich durch den Titel nicht irre führen lassen, in ihnen nur Verse für Kinder zu suchen. Als eine Probe von Josef Bendels dichterischer Art diene das folgende Gedicht:
Ostermorgen.
Ein Jubel tönt durch helle Lüfte,
Ein tausendstimmiger Freudenruf,
Es wallt empor wie Weihrauchdüfte
Aus Flur und Wald, und rings erschuf
Auf der erstorb’nen freudeleeren Erde
Ein neues Leben das allmächt’ge „Werde“.
Die Sonne steigt in hell’rem Glanze
Am wolkenlosen Himmel auf
Und bricht des Winters letzte Schanze
In unhemmbarem Siegeslauf,
Es keimt und knospet, treibt und sprießt, entfaltet
Die Erstlingsblüthen, grünet und gestaltet.
Ein sel’ger Auferstehungsmorgen!
O tritt hinaus, wo alles lebt,
Daß es den schweren Stein der Sorgen
Vom Grabe deiner Freuden hebt.
Ist Glaube, Hoffnung, selbst die Lieb’ erstorben,
O tritt hinaus – und neu sind sie erworben.