Textdaten
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Autor: Karl Weiß
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Titel: Allegorien und Embleme
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 10, S. 160–161
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Allegorien und Embleme.

Allegorien! Eine ganze Welt traumhafter Gestalten und Bilder steigt vor uns auf, wenn dieses Zauberwort an unser Ohr schlägt. Eine lange, schier endlose Reihe von Gruppen und Einzelerscheinungen, in welchen zarte, hehre Frauen mit grimmigen Fabelthieren, holdes, rührendes Kinderlächeln mit grausigen Darstellungen des Sensenmannes in bunter Folge abwechseln, zieht an unserem geistigen Auge vorüber, und hinter ihr taucht die Erinnerung an die köstliche Schulzeit auf, da vor der begeistert aufhorchenden Jugend zum ersten Male das geheimnißvolle Wort von der Kunst der Alten, der ernsten, strengen und doch ewig schönen Antike, ausgesprochen wurde.

Die Allegorie, diese bedeutungsvolle Form in der bildenden Kunst, ist heute nicht mehr so viel, ja überwiegend gebraucht wie in vergangenen und halbvergangenen Zeiten; Goethe’s:

„Bilde, Künstler! Rede nicht!
Nur ein Hauch sei dein Gedicht!“

wird von unseren Künstlern fast zu weitgehend und jedenfalls etwas zu einseitig befolgt; denn in gewissem Sinne ist und bleibt die Geschichte der Allegorie die Geschichte der Kunst selbst, zum Mindesten der Malerei und Bildhauerei.

Afrika.
Aus dem Prachtwerke „Allegorien und Embleme,
herausgegeben von Martin Gerlach“.

Allegorie bedeutet bekanntlich die sinnbildliche Darstellung eines Gegenstandes durch einen andern ihm gleichenden, wobei Gegenstand und Bild einander zwar decken müssen, aber nicht verdecken dürfen, sodaß beide zu gleichzeitiger und ungeschmälerter Geltung gelangen. Die dritte der sogenannten „bildenden“ Künste, die Baukunst, vermag eine solche Doppelbedeutung nicht zum Ausdrucke zu bringen; ihr bleibt also die Allegorie unerreichbar, welcher Malerei und Plastik dagegen niemals völlig entrathen können. Von den Uranfängen dieser Schwesterkünste, welche auf das Bedürfniß nach sichtbaren Bildern für Götterbegriffe zurückzuführen sind, also von den primitiven ersten Götterdarstellungen, den unbearbeiteten Klötzen und viereckigen Steinen der Araber und Amazonen, den Riesenwerken der ägyptischen Sculptur, wie von der ältesten Venus zu Paphos bis auf die modernsten Versuche einer Versinnbildlichung des Magnetismus und der Elektricität, hat die Allegorie treulich die Kunst begleitet, anfänglich als ihre Herrin, später als ihre Dienerin.

Giebt uns somit die Kunst, als letzte und höchste Blüthe menschlicher Cultur, in ihrer wechselvollen Entwickelung ein fortlaufendes Bild der sich bald erweiternden, bald auch wieder verengenden Begriffs- und Phantasiewelt der Menschen, so gilt dies nicht minder von der Allegorie, insoweit sich dieselbe nicht gewisser feststehender, in allen Zeiten beibehaltener Symbole bedient, wie etwa der Darstellung des Lammes als Bild der Sanftmuth, oder des Löwen als Bild der Kraft und Macht. Diese Symbole werden, den allegorischen Göttergestalten beigegeben, zu Attributen derselben, und aus ihnen entwickelten sich später, auf rein menschliche Beziehungen, insbesondere auf die verschiedenartige sociale Thätigkeit der Menschen angewendet, die Embleme.

Eine Vergleichung der uns bekannten und geläufigen allegorischen Darstellungen der Alten, sowie jener der späteren Kunstepochen mit den Allegorien, zu welchen unsere modernen Künstler greifen, insbesondere wo es sich um die Darstellung neuer Begriffe handelt, welche den Alten wie auch unseren unmittelbaren Vorfahren noch unbekannt waren, giebt eine ebenso interessante wie lehrreiche Anregung, dem Fachmanne zu weiterer Schlußfolgerung, jedem Gebildeten aber zu nachdenklicher Betrachtung. Eine solche Vergleichung wird nun in dankenswerther Weise ermöglicht durch ein ebenso originelles wie instructives Werk: „Allegorien und Embleme, herausgegeben von Martin Gerlach“,[1] welches zwar vornehmlich die mittelbare und unmittelbare Belehrung des Kunstgewerbes in’s Auge gefaßt hat, doch aber vermöge seiner künstlerischen Anordnung und erschöpfenden Reichhaltigkeit auch im vorgedachten Sinne von besonderer Bedeutung ist. Der bekannte, ausgezeichnete Kunstgelehrte, Herr Dr. Albert Ilg, Custos und provisorischer Director an den kunsthistorischen Sammlungen des österreichischen Kaiserhauses in Wien, welcher den erläuternden Text zu dieser interessanten Publication verfaßt hat, bringt den angedeuteten Doppelzweck derselben in einer knappen, aber übersichtlichen Vorrede klar zum Ausdrucke.

Es werden hier die wichtigsten allegorischen Begriffe, welche seit Jahrhunderten die Künste beschäftigt haben, von den verschiedensten Künstlern frei nach ihrer ureigensten Auffassung dargestellt. Einen künstlerischen Decamerone nennt Dr. Ilg diese bunte Reihe, und hat damit wirklich die zutreffende Bezeichnung gefunden. Kunstrichtungen und Stilarten fast aller Epochen tauchen vor uns auf, wenn wir die vorliegenden einundvierzig Tafeln überblicken. Hier macht sich der noch lebhafte Einfluß der strengen Schulzeichnung nach der ernsten Antike geltend; dort glüht und leuchtet das farbensprühende Quattrocento; hier grüßt die nun zu hohen Ehren gekommene deutsche Renaissance; dort lächelt würdevoll und vornehm das Aschenpüttel der modernen Kunststile, einst eine vielgefeierte Schöne: die Baroke, und last not least macht auch das jüngste Kind unserer Kunstlaune, der moderne [161] „gesunde Realismus“ der Münchener Schule, seine Rechte geltend – eine Fülle von Sprachen, aber doch kein Babel; denn die leitende Hand des Ordners fehlt nicht. Von allgemeinen Begriffen, wie Zeit, Ewigkeit, Dauer und Vergänglichkeit ausgehend, führen uns die allegorischen Darstellungen durch das ganze Menschenleben, wie es sich in Jugend und Alter, in Eheglück und Wittwenstand, in Leben und Tod ausdrückt, durch die Jahreszeiten, Monate, Tage und Tagesstunden bis zu Licht und Finsterniß, zu den Elementen und den vom Menschen dienstbar gemachten Naturkräften, wie Elektricität und Magnetismus.

Sodann beginnt auf den weiteren 48 Tafeln desselben Bandes, welche insbesondere dem Kunstgewerbe eine hochwillkommene Gabe sein dürften, eine Reihe von gewerblichen Emblemen und Zunftwappen, theils wie sie alte Denkmäler, namentlich Grabstätten, aus der großen Blüthezeit des deutschen Zunftwesens, enthalten, theils neue Entwürfe, theils auch beide in künstlerisch empfundener Vereinigung. Die wenigen Proben aus dem Gerlach’schen Werke, welche wir vorführen, sind beiden obenerwähnten Theilen des bisher veröffentlichten ersten Bandes entnommen und sollen eben nur andeuten, was in denselben angestrebt wird.

Das Wappen der Flößer.
Aus dem Prachtwerke „Allegorien und Embleme, herausgegeben von Martin Gerlach“.

F. Simm in München entwirft in unseren Abbildungen zwei allegorische Darstellungen der Welttheile Afrika und Australien, während das Zunftwappen der Flößer (1882) ein moderner, aber höchst charakteristisch gehaltener Entwurf des begabten A. Seder ist. So ist in dieser Publication ein wahrer Schatz gehoben, ein stolzes Capitel deutscher Geschichte in deutlich sprechenden Bildern entrollt, wofür dem Herausgeber, welcher sich bereits durch die Publication des bekannten Werkes: „Das Gewerbe-Monogramm“ ein Verdienst um die Reformbestrebungen unseres Kunstgewerbes erworben hat, die Anerkennung nicht versagt werden darf.

Die nimmerfrohen Zweifler aber, die immerzu jammern und klagen, daß die Kunst rettungslos dahinsieche in unserer nüchternen Zeit des Dampfes und der Elektricität, wird ein Blick auf dieses Werk überzeugen, daß es mit dem Absterben noch seine guten Wege habe. Unsere Künstler sind eifrig bestrebt, die Brücke zu bauen, welche das Fabelreich des Schönen mit unserem modernen Leben, unseren Hoffnungen und Wünschen verbinden soll. Vielleicht ist die Allegorie ein erster Pfeiler zu dieser Brücke.

Karl Weiß.     
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Australien.
Aus dem Prachtwerke „Allegorien und Embleme, herausgegeben von Martin Gerlach“.


  1. Originalentwürfe von den hervorragendsten Künstlern, sowie Nachbildungen alter Zunftzeichen und moderne Entwürfe von Zunftwappen im Charakter der Renaissance. Wien 1882, Gerlach und Schenk.