Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen II. Section/H28

Heft 27 des Meissner Kreises Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen von Gustav Adolf Poenicke (Hrsg.).
Heft 28 der Section Meissner Kreis
Heft 29 des Meissner Kreises
Die Beschreibungen sind auch als Einzeltexte verfügbar unter:
  1. Moritzburg
  2. Zschekwitz
  3. Theisewitz
  4. Bärenclause


Moritzburg.


Mitten im Friedewalde, oder der Moritzburger Haide, die ehemals die Burggrafenhaide genannt wurde, weil sie das Wald- und Jagdrevier der Burggrafen von Meissen bildete, liegt das sonst Dianenburg getaufte Lust- und Jagdschloss Moritzburg, welches 1½ Meile von Dresden, 1⅓ Meile von Meissen und 2½ Meile von Grossenhayn entfernt ist.

Eigentlich sind es 2 Schlösser und man muss daher zwischen dem alten und neuen wohl unterscheiden. Das alte finden wir in der Abbildung.

Das alte Schloss wurde auf Befehl des Kurfürsten Moritz, wovon der Name stammt, durch den Oberbaumeister, Hans von Dohn Rothfelser angelegt, vom Kurfürsten August 1555 fortgebaut und der Bau selbst von Christian im Jahre 1589 vollendet.

Die innere Einrichtung, Erweiterung und Verschönerung stammt von spätern Fürsten. Georg I. liess im Jahre 1614 neue Seitengebäude aufführen, Johann Georg II. die Kapelle vollenden, und Johann Georg IV. ein neues Stockwerk aufsetzen.

Die trefflichen Parkanlagen und die innere Verzierung führten auf Befehl August II. die Baumeister Pöpelmann und Knöfler aus. Unter ihm und seinem Nachfolger König August III., fanden die grössten Jagd- und die glänzendsten Hoffeste, z. B. Götter- und Türkenaufzüge, Maskenbälle und andere mit dem grössten Pomp ausgestatteten Festlichkeiten statt, wie sie später nie wieder vorkommen.

Bei mehrern Festlichkeiten waren die höchsten fürstlichen Personen anwesend.

Nach Abschluss des Hubertsburger Friedens verweilte Friederich II. hier, und im Jahre 1791 speisten Kaiser Leopold II. und Friedrich Wilhelm II. auf dem Schlosse.

Dieses alte Schloss, zu dem von Dresden aus eine Stunde lange Allee führt, liegt auf erhabenem felsigen Grunde, um welches ein 800 Ellen breiter Wassergraben sich zieht. Der das Schloss umschliessende, grosse Freiplatz hat ein mit grotesken Bildsäulen verziertes Geländer. Ein 30 Ellen breiter und mit Alleen bepflanzter Damm, auf dem 4 Pavillons stehen, trennt den Wassergraben von dem gleichfalls 800 Ellen breiten Schlossteiche.

In das Schloss selbst führt eine Zugbrücke, an der ein Wachhaus steht, in welchem das Militärkommando den Dienst versieht.

Das Schloss ist von pirnaischen Sandstein erbaut und hat gegen 200 Zimmer, 7 grosse Säle, eine Kapelle, mehre Vorsäle und Vorrathsgewölbe eine grosse Anzahl Kammern und sehr geräumige, festgewölbte Keller: Mehre grosse und kleine runde Thürme umgeben dasselbe.

Der sogenannte Audienzsaal, der 30 Ellen breite und 24 Ellen Höhe hat, ist mit Hirschköpfen, die grosse Geweihe tragen, verziert. Die vergoldeten Ledertapeten desselben sind mit mythischen Scenen der Diana Virgils und Ovids Dichtungen bemalt. An den Wänden des daran grenzenden Speisesaals sind eine Menge von Dammhirschgeweihen angebracht.

In einem dritten Saale sind auf Ledertapeten die Jagdparthieen Königs August II. abgebildet.

Der 24 Ellen hohe und breite und 30 Ellen lange Ballsaal, welcher

2 Stockwerke durchzieht, ist mit 72 Hirschköpfen, welche die seltensten Geweihe von 24 – 50 Enden haben, verziert.

In einem grossen Schranke werden eine Reihe Pokale aufbewahrt, die noch der Zeit angehören, wo das Zechen als Ehre galt.

Der grösste dieser Pokale, welcher 3 Kannen fasst, besteht in einem kelchförmig gebildeten Hirschgeweihe, aus dem bei jedem Gastmahl „der Willkommen,“ zugetrunken wurde. – Ein besonderes Buch lässt die Namen der Gäste lesen, die zu August II. Zeit hier mit getafelt haben.

Auf dem Altare des Ballsaals hat man eine vortreffliche Aussicht nach 9 in den Wald gehauenen Alleen, von denen die mittlere nach der Fasanengrube führt.

In allen Sälen hängen Spiegel von seltner Grösse, Spiegelschränke und Uhren. In allen Sälen und Vorsälen, so wie auf den Treppen und Gängen findet man Jagd- und andere historische Gemälde. Unter den erstern zeichnet sich ein Oelgemälde von Lucas Cranach aus, das eine auf der Annaburger Haide gehaltene Jagdparthie von 40 in verjüngtem Maassstab nach den Leben gemalter Personen darstellt.

Die durch Johann Georg II. gegründete und am 1. Nov. 1661 eingeweihte, katholische Kapelle, deren Emporkirchen an die königlichen Zimmer stossen, wurde im Jahre 1790 unter August II. der Jungfrau Maria geweihet. Sie ist mit Goldbesetztem, rothen Sammt ausgeschlagen. Ein hier aufgestellter ans Kreuz geschlagener Christus von fleischfarbenem Marmor wird als ein Meisterstück erklärt.

Unweit des Schlosses sind mehre Königl.- und Privatgebäude erbaut, zu denen die Ställe, die Menagerie, das Fasanenhaus und ein Gasthof gehören.

Friedrich August, der Vater der treuen Sachsen liess im Jahre 1769 auf einem gegen 2000 Schritte von diesem Schlosse entfernten und am Ufer der grossen Teiche gelegenen Hügel, das neue, achteckige Schloss erbauen.

Die in neuerem Geschmack eingerichteten Zimmer sind mit verschiedenen Trinkgeräthen geziert.

Auf dem vor dem neuem Schlosse gelegenen grossen Teiche, wurde im Jahre 1790 von dem Schiffszimmermann Petzold mit einem Aufwand von 30,000 Thlr. eine Fregatte erbaut und auch in demselben Jahre in der Gegend des Entenbergs bei Borsdorf vom Stapel gelassen.

Doch war dieses Schiff, dessen Ausbesserung während der Kriegsjahre ganz unterlassen worden war, in dem Grade schadhaft, dass man es im Jahre 1818 ganz auseinander nahm und die Bestandtheile desselben zu Meissen den Meistbietenden verkaufte.

Der zu dem Schlosse gehörige Fasanengarten hat mehrere grosse und kleine Drathhäuser. Der vor ihm gebaute Thiergarten war berühmt wegen des früheren seltenen Wildes, jetzt ist wenig mehr dort zu finden.

In der Mitte dieses Thiergartens ist auf einem künstlichen 30 Ellen hohen Berge ein achteckiges Gebäude errichtet, welches wegen seiner hellen Lage, bei der man aus demselben die höchsten Bäume und 8 strahlenförmig auslaufende Alleen überblicken kann, den Namen des Hollhauses nicht Höllenhauses erhalten hat. Auf seinem flachen, mit Geländer umgebenen Dache bezeichnet der Schwanenwärter bei königlichen Jagden mit einer Fahne die Richtung, in der das Wild gelaufen ist.

Der grosse Teich steht durch einen schiffbaren Kanal mit einer beträchtlichen Anzahl anderer Teiche in Verbindung, deren Fischfang, besonders an Karpfen, Hechten, Schleien sehr ergiebig und einträglich ist.

Die vom neuen Schlosse und vom Thiergarten südwestlich befindlichen Wiesen sind zu einem Gestüte umzäunt.

Der Entenfang ist an der entgegengesetzten Seite angelegt.

Unweit des alten Schlosses liegt der Marktflecken Eisenberg.

(M. G.)     



Zschekwitz


auf einer flachen Höhe, welche im Norden der Theisewitzer Bach halb umfliesst, ehe derselbe – 1000 Schritte östlich vom Gute bei der zu Maxen gehörigen Bretmühle – die Lungwitz erreicht – 1000 Schritte von Kreyscha und 2⅓ Stunde von Dresden gelegen.

Eine herrliche Gegend und herrliche Aussichten, vorzüglich nach dem Lockwitzer Grunde entzücken das Auge des Beschauers. Vorzüglich hat man von dem Thürmchen des Ritterguts eine herrliche Perspective nach Pillnitz, durch den Lockwitzer Grund.

Der Ort selbst auch gewährt einen freundlichen Anblick, wozu die nicht unansehnlichen Rittergutsgebäude das Ihrige beitragen. Das Gut selbst wurde zu den amtsässigen gezählt und mit ½ Ritterpferd verdient und war in den frühesten Zeiten wohl noch bedeutender. Unter die Gerichtsbarkeit von Zschäckwitz gehörten bis zu Einführung der neuen Gerichtsorganisation die Orte Quohren und die Laue.

Die Ziegelei steht am Prieschigner Bach, nordöstlich vom Gute.

In dem 12. und 13. Jahrhundert sollen in hiesiger Gegend die Herren von Lockwitz gehauset haben, doch sind die Ansichten hierüber nicht sicher. Später und zwar 1411 kam Lockwitz und Zscheckwitz an Paul Ziegler – eine Familie, die durch den Freyberger Silberbau reich geworden und aus welcher das berühmte Geschlecht derer von Ziegler und Klipphausen hervorgegangen ist. Im 16. Jahrhundert und zwar von 1550 bis 1574 besass das Gut der Churfürstl. Rath Valerian von Krackau oder Krako, Bruder des bekannten Dr. Georg Krakau. Dann kam es an die von Lützeburg, die es bis zum 18. Jahrhundert inne hatten. Erst im Jahre 1722 acquirirte die Besitzung Herr Dr. Moritz Nitzsche, von welchem solches 1752 an den Kammersecretair Gervan kam. Nachher kaufte Zschekwitz die Sahrsche Familie, welche es in neuerer Zeit an den dermaligen Besitzer, an Herrn Hauptmann abgetreten hat.

Vor der neuen Gerichtsorganisation gehörte zum Rittergute schriftsässig das Dorf Quohren, auch Kohren genau in einem angenehmen Thale nahe bei Kreischa dazu.

Nicht weit davon erhebt sich die Quohrner-Koppe, in Verbindung mit dem Hermsdorfer Berge, von welchem der Wilschberg der höchste Punkt ist.

Hier bietet sich dem Reisenden auf diesen Höhen ein schöner Anblick von den Dörfern Quohren und Kreischa, eben so eine reizende Aussicht über eine grosse Strecke des Elbthales von Pirna bis Pillnitz.

Das Dorf ist wegen grosser Gärten sehr weitläufig gebaut und hat eine Länge von 2000 Schritten.

Die Einwohner, deren Zahl sich auf 150 beläuft, beschäftigen sich meistens mit Landwirthschaft, vorzüglich auch mit Strohflechterei und sind unter die wohlhabenderen Landleute zu rechnen.

In frühesten Zeiten heisst das Dorf Tworna und kommt als Eigenthum der Burggrafen von Dohna vor, welche, wie noch Spuren da sind, auf dem Quohrerer Berge ein Schloss besassen.

Im Jahre 1327 wurde es an die Familie der Bussmänner in Dresden verkauft und 1412 kam es an den dasigen Stadtrath.

Dieser Ort, fest an der katholischen Lehre hangend, konnte nur erst spät und zwar mit Mühe zum Protestantismus gebracht werden und ist daher einer von den Orten Sachsens, welche zuletzt der neuen Lehre huldigten.

Hier war es auch, wo 1780 der als pädagogischer Schriftsteller bekannte Amadeus Ziehnert geboren wurde.

Ausserdem gehörte noch unter die Gerichtsbarkeit von Zscheckwitz ein Theil des von Dresden 2½ Stunden entfernten im früheren Amtsbezirke Pirna gelegene Dörfchen Kautzsch, auch Kautzschitz genannt, nahe der Lockwitz, ein anderer Theil war den Gerichten zu Niederkreyscha zugewiesen und ein Theil dem amtssässigen Rittergute Bärenclausa.

Alle die Einwohner von Zscheckwitz, von Quohren, von Kautzsch beschäftigen sich mit Strohflechten, wogegen aber der Ackerbau und vorzüglich der Obstbau nicht vernachlässigt wird.

Einer der Hauptversendungsorte der Strohwaaren ist Kreyscha, wohin Zscheckwitz mit Seyda, Gombsen, Kautzsch, Hermsdorf, Lungwitz und Wittgensdorf eingepfarrt ist.

Unter die merkwürdigsten Orte dieser Parochie gehört unzweifelhaft Lungwitz am sogenannten Grimmaschen Wasser, welches hier den Namen Lungwitz annimmt, oft auch das Kreyscher Wasser, die Lungwitz und der Schierbach genannt wird. Alle diese Namen führt das Wasser von der Quelle an bis zur Ausmündung in die Elbe.

Wir finden dies deshalb für nöthig zu erwähnen, weil eben Zscheckwitz nicht weit vom Grimmschen Wasser liegt und vielleicht mancher Leser nicht im Klaren mit dieser Benennung ist.

Ueber die in hiesiger Gegend existirende Strohflechterei haben wir uns schon ausführlicher bei der Beschreibung von Kreyscha ausgesprochen, so dass wir es hier nicht nöthig haben, nochmals darauf zurückzukommen.

Viel, sehr viel könnte man noch von der entzückenden Lage des Orts sagen, aber auch darüber ist schon bei einzelnen Orten, die früher in diesem Album beschrieben worden sind erwähnt, so dass man auch hier sich hüten muss, des Guten nicht zu viel zu thun. Denn auch durch zu viel Beschreibung vom Schönen kann der Leser übersättigt werden.

Zscheckwitz gehört mit Kreyscha jetzt zum Gerichtsamte Dippoldiswalde und zählt ungefähr 60 Einwohner.

(M. G.)     



Theisewitz.


Ganz in der Nähe von Kreischa auf einem Vorgebirge über dem Priesgaer Bache im Abhange einer bedeutenden Höhe gelegen und in einer Entfernung von 2¼ Stunden von der Residenz.

Ein Nebenthal trennt es vom Rittergute Zcheckwitz; das Hauptthal aber im Norden von der Colberoder[VL 1] Höhe, von wo aus bei einer Höhe über der Meeresfläche zu 1098 Pariser Fuss die Dresdner Gegend sich ganz überschauen lässt.

Das Rittergut mit seinen schönen Gebäuden ist nicht uninteressant und von nicht geringem Betrage. Schriftsässig gehörte bis zur Einführung der neuen Gerichtsorganisation ein Haus von dem Dorfe Heidenau zum hiesigen Rittergute.

Vor ungefähr 200 Jahren gehörte das Rittergut dem geheimen Kriegsrath und Generalzahlmeister Cammel und vor 150 Jahren dem Oberstlieutenant von Riegen. Später acquirirte das Gut ein Bürgerlicher, ein gewisser Heinrich, bei welcher Familie die Besitzung bis in die 40ger Jahre dieses Jahrhunderts verblieb.

Der damalige Besitzer ist Herr Funke, welcher grosse und vorteilhafte Verbesserungen mit dem Gute vorgenommen und die Ertragsfähigkeit ungemein erhöht hat.

Der Boden ist ergiebig und alle Getreidearten gedeihen bestens. Das beweist schon die Nähe der Colberroder Höhe, welche in der Slavischen Sprache so viel als Brod bedeutet, also eine Gegend, ein Land, wo des Brodes genug wächst.

Ausser dem Rittergute hat der Ort keine besonderen Gebäude aufzuweisen und zählt überhaupt nur einige 30 Einwohner.

Eine Kirche befindet sich auch nicht hier, vielmehr ist Theisewitz mit Börnichen, Wilmsdorf, Quohren, Welschhufe, Kleincarsdorf, Kleba, Bärenclause, Babisnau, Priesgen, Rippgen, Ripgien, auch Rüppgen genannt mit Hähnigen nach Possendorf eingepfarrt, welche Kirche unter der Collatur des Rittergutsbesitzer von Possendorf, des Herrn von Otto steht.

Der Thurm der Kirche ist sehr hoch und deshalb war bei Aufsetzung des Knopfes am 16. August 1699 Friedrich August, König von Polen und Churfürst von Sachsen als damaliger Collator mit dem ganzen Hofstaate und vielen Polnischen Fürsten zugegen.

Nicht weit von Theisewitz bei Welschhufe liegt der Göhligberg, welcher einen Umfang von 1¼ Stunde und eine Meeresfläche von 1139 pariser Fuss erreicht. Nächst seinem Gipfel liegen mehrere eingegangene und ein noch gangbarer Steinbruch, dessen Produkt aber keineswegs dem Pirnaischen zu vergleichen ist. Nur in Südwest bedeckt den Bergabhang ein Gehölz, welches mit dem Peissenwalde zusammenhängt und meist aus Kiefern besteht.

Die übrigen Seiten sind mit Feldfluren überzogen.

Die Strasse führt an einem westlichen Abhange hin; hingegen der Fusssteig geht gerade über den Gipfel hinweg und die Mühe des Steigens wird hier dem Wanderer durch die reiche, herrliche, umfassende Aussicht vielfältig belohnt.

Sie umfasst nicht nur das ganze blühende Elbthal, von Pilnitz nach Keiditz mit seinen malerischen, immer neu gestalteten Bergwänden und mit der lustig schönen Residenz, sondern auch ferne Gegenden, bis unter Elsterwerde und Mückenberg hinab.

Am Fusse des Göhligs liegen noch Hänichen und Rippgen, welche ebenfalls zur Parochie Possendorf gehören.

Die ganze hiesige Gegend soll mächtige Steinkohlenlager halten, bis jetzt ist aber für deren Hervorbringung keine Hand angelegt worden, auch keine Actienunternehmer haben sich dazu gefunden; Vielleicht, dass es geschehen konnte, einen glücklicheren Griff hier zu thun, als mit manchem andern Actienunternehmen der Neuzeit.

Jetzt wird schwerlich noch ein solches von Erfolg sein, da die Mehrzahl den Glauben und das Vertrauen zu Actienspeculationen verloren hat.

Theisewitz ist nach Possendorf in die Schule gewiesen, für deren armen Schulkinder Oberhofprediger Dr. Weller ein Legat von 50 fl. legirt hat.

Dieser Oberhofprediger Dr. Weller besass 1633 das zur hiesigen Parochie gehörige Kleincarsdorf, von wo nun ein freundliches Thal nach Kreyscha und Lungwitz sich hinzieht, mit Felsen, Wiesen und Buchenwäldern abwechselnd, und gehört der Ort ebenfalls zu denjenigen, unter welchen Steinkohlenlager sich hinziehen sollen: Er ist blos ¼ Stunde oder wohl gar nur 10 Minuten von Theisewitz entfernt.

Zu Kleincarsdorf gehörten schriftsässig die Dörfer Börnichen, Brösichen und Kleba am Fusse der oben erwähnten Golberoder Höhe.

Theisewitz mit den übrigen Dörfern der Parochie sind Dörfer, wie man sie selten wieder findet. Die Lage, die Umgebung ist von der Art, dass überall das Auge gefesselt wird und man kann, ein Mal eingetreten in diese Gegend, nur schwer sich wieder trennen. Oft sucht man in der Ferne, was wir in unserem schönen Vaterlande so nahe haben.

Theisewitz gehört jetzt zum Gerichtsamte Dippoldiswalde.

(M. G.)     



Bärenclause


am linken Ufer des Grimmaischen Wassers 3 Stunden südlich von Dresden gelegen, mehr an der Golberoder Höhe, welche eine köstliche Aussicht über das Elbthal bis nach der sächsischen Schweiz hinaus gewährt.

Bärenclause wurde früher Beerenclausa genannt und das Allodial-Rittergut ist von nicht geringer Grösse. Schriftsässig gehörten dazu Welschhufe und die Bruchschenke, ein Theil von Kautzsch und Rippchen, so wie die Dörfer Golberode und Gomsen. Das Rittergut Golberode ist längst schon mit Bärenclause combinirt, so dass es schon dadurch einen grössern Umfang erhalten.

Die Gutsgebäude sind nicht von dem grössten Umfang, aber nett und wohnlich und die Oeconomie im besten Zustande. Alle Getreidesorten werden hier in guter Qualität erbaut, der Wiesewachs ist vortrefflich und die Obstgärten gewähren einen wahren Genuss für den Beschauer. Der grössere Theil der Felder gehört zum Rittergut, weshalb das Dorf selbst wenig Oeconomie hat, aber ebenfalls schöne Obstgärten besitzt. An Einwohnern zählt der Ort nur 60.

Im Orte selbst befindet sich auch ein Hammerwerk.

Ueber diesen Ort und über dieses Hammerwerk stand im 17. Jahrhundert der von Haugewitzschen Familie die Gerichtsbarkeit zu als Besitzerin vom Rittergute. Später und jetzt längst schon ist von Bärenclause mit Golberode die Familie van der Beck beliehene Besitzerin.

Der jetzige Gerichtsherr, ist Alexander van der Beck.

Das vorerwähnte Welschhufe ist eigentlich ein Vorwerk von Bärenclause, weil es aber näher an Golberode liegt, so hat man es immer mehr zu letzterem gerechnet.

Im Jahre 1615 wurde Welschhufe von Johann I. zum Dippoldiswalder Amte gekauft. Es hat einen Gasthof, die Bruchschenke genannt, und liegt am Fusse des Göhligsberg, wo der Nöthnitzer Bach entspringt.

Auf der Seite des Göhligberges, wo der Ort liegt, zeigt sich, wie wir schon bei Theisewitz erwähnt haben, eine der schönsten und vollkommensten Aussichten Sachsens.

Alle die Bewohner dieser Orte, so auch die von Bärenclause beschäftigen sich mit Strohflechterei, welche in Wendisch-Carsdorf, einem ebenfalls zur Possendorfer Parochie gehörenden Dorfe, ihren Anfang nimmt. Der Ort selbst liegt nur 1⅜ Stunde von Dippoldiswalde und werden dessen Felder von Dresden aus als die ersten erzgebirgischen betrachtet.

Bärenclause hat keine eigene Kirche, sondern ist, wie Theisewitz, nach Possendorf eingekircht.

Ueberall, von dem letzteren Orte, vorzüglich vom Göhligberge aus, hat man sich einer herrlichen Aussicht zu erfreuen und ungefähr 400 Schritte hinter Possendorf, an der Strasse nach Dippoldiswalde nimmt man einen Wetterscheidepunkt wahr, bei welchem die erzgebirgische Luft sich genau verspüren lässt.

In der Gegend findet man viele versteinerte Holzstücken, wie auch Muschelversteinerungen und den sogenannten Wurmstein.

Dreizehn Dörfer sind mit 2000 Einwohnern in die Possendorfer Kirche eingepfarrt, welche wir schon bei der Beschreibung von Zscheckwitz speciell aufgeführt haben.

Die meisten dieser Dörfer treiben Strohflechterei.

Auf die einheimische Stroharbeit stösst, wenn wir ein solches Dorf betreten, überall unser Auge, wozu selbst die Fenster beitragen, welche gewöhnlich mit Wassergefässen voll eingeweichter Strohhalme besetzt sind.

Das hohe Alter dieses Gewerbes bürgt für dessen Fortbestehen.

In den sogenannten Strohdörfern gesellen sich während des Winters die Stroharbeiter wieder zahlreich zusammen, eben so, wie in andern Gegenden mit dem Klöppelsacke oder Spinnrade die Mädchen gegenseitige Besuche zu machen pflegen und im Sommer sitzt, mit Ausschneiden, Flechten und Nähen beschäftigt, vor den Thüren der Häuser Alt und Jung.

Neben diesem Erwerbszweige ist aber auch der reichliche Obstbau ein bedeutender Nahrungszweig für die Bewohner dieser Gegend.

Dadurch und durch die Fruchtbarkeit der Felder wird der Reiz der Gegend nicht wenig erhöht.

Die Früchte, welche in dieser Gegend gebaut werden, bringt man meistens in die Residenz, so dass Letztere mit gutem Obst stets reichlich versorgt ist.

Ein sehr mit Obst gesegneter Ort ist besonders Babisnau, auch Babistnau und Babistenau, wovon 2 Häuser sonst zur Gerichtsbarkeit von Bärenclause gehörten.

Auch Rippchen, von welchem ebenfalls früher 2 Hufen dem Rittergute Bärenclause unterworfen, ist ein höchst fruchtbarer und interessanter Ort, welcher nahe an Lockwitz liegt. Kann Jemand eine interessantere Lustreise unternehmen, als gerade hieher, wo ihm der schöne Lockwitzgrund die angenehmsten Parthieen bietet?

Auch Bärenclause bietet der angenehmen Wege und Gänge viele, welche durch künstliche Nachhülfe Seitens der Gerichtsherrschaft noch vermehrt worden sind. –

Wohin man seine Blicke wendet, überall nur schöne Obstbäume, überall Wohlhabenheit und Frohsinn.

Im Vergleiche zu andern Gegenden wird man leicht zu schiefen Urtheilen veranlasst und fragt vielleicht, warum kann es nicht überall so sein, wie hier in Bärenclause und Umgegend.

Bärenclause ist seit Aufhebung der Patrimonialgerichte mit 60 Einwohnern zum Gerichtsamte Dippoldiswalde gewiesen.

(M. G.)     





Anmerkungen der Vorlage

  1. handschriftliche Korrektur: Golberoder
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  Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.