Textdaten
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Autor: Adolf Bartels
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Titel: Albert Bürklin †
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aus: Die Gartenlaube, Heft 21, S. 674
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1890
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[674] Albert Bürklin †. Am 8. Juli d. J. starb zu Karlsruhe der Oberingenieur a. D. Albert Bürklin, einer unserer bedeutendsten Volksschriftsteller; durch den weitverbreiteten „Kalender des Lahrer hinkenden Boten“ drangen seine Erzählungen und Schwänke, seine Jahresübersichten

Albert Bürklin.

der Weltbegebenheiten überallhin, wo die deutsche Zunge klingt. Von Bürklin ist ferner auch die Idee zur Gründung von sogenannten „Fechtschulen“, wie sie noch jetzt in Deutschland im Süden und im Norden bestehen, wenn auch nicht ausgegangen, so doch zuerst litterarisch vertreten worden - das Reichswaisenhaus in Lahr ist bekanntlich die erste Frucht dieser Idee und Bürklin also sein Mitbegründer. Baden, das engere Heimathland des Verstorbenen kannte ihn dann noch als vortrefflichen Eisenbahntechniker und als liberaler Abgeordneter seiner zweiten Kammer.

Bürklin, als Sohn des nachmaligen Geh. Finanzraths Christian Ludwig Bürklin am 1. April 1816 zu Offenburg in Baden geboren, begann seine litterarische Thätigkeit mit dem „Kanzleirath“, der 1856 erschien, fünf Auflagen erlebte und noch nach dreißig Jahren in einer neuen Bearbeitung Beifall fand. Der Kanzleirath ist eine dem Karlsruher Leben entnommene ständige Figur des Volksschriftstellers Bürklin geblieben: höchste bürgerliche Ehrenhaftigkeit, glühender Patriotismus, im ganzen durchaus moderne Denkungsart, dazu eine Dosis Spießbürgerlichkeit und Bedrücktheit, die sich aus der Vermögenslage des Wackeren herleitet, machen diesen Charakter zu einem außerordentlich liebenswürdigen und werden ihm für die Zukunft sogar eine Art kulturgeschichtlicher Bedeutung verleihen, denn er ist der Typus des ehrenhaften kleinen Beamtenthums.

Mit seiner im Jahre 1861 erschienenen größeren Erzählung „Toni und Madlein“ betrat dann Bürklin das Gebiet der Dorfgeschichte, auf welchem damals Berthold Auerbach und seine zahlreichen Nachahmer unumschränkt herrschten. Bürklin eiferte jedoch nicht Auerbach nach: er wollte für das Volk schreiben, nicht für die Gebildeten Stoffe aus dem Volksleben behandeln. Es sind meist die bekannten und oft benutzten Gestalten, die Bürklin seinen Lesern vorführt: das ländliche Liebespaar, er arm, sie reich, der starre Hofbauer, sein übermüthiger Sohn, der edle Schulmeister, der lügnerische Barbier, ein großmüthiger Holzhändler etc.; die Geschichte nimmt auch, von einem in Holland spielenden ziemlich eigenartigen Intermezzo abgesehen, den gewöhnlichen Verlauf; doch zeigt Bürklin eine so genaue Kenntniß der Volkseele und weiß den Volkston durchweg so gut zu treffen, daß sein Werk noch jetzt im eigentlichen Volke viel gelesen wird.

Zum wirklich bedeutenden Volksschriftsteller wuchs Bürklin erst nach und nach empor, seitdem er mit dem im Verlag von J. H. Geiger (Moritz Schauenburg) in Lahr erscheinenden altbekannten „Kalender des hinkenden Boten“ in Verbindung getreten war. Das geschah im Jahre 1858, und an zwanzig Jahre hat der nun Verstorbene die Redaktion des Kalenders in der Hauptsache selbstständig geführt, selber zahlreiche Beiträge für ihn geschrieben und denen anderer Mitarbeiter vielfach seinen oder den dem Kalender angemessenen Charakter aufgeprägt. Der Werth von Bürklins Schöpfungen beruht zum großen Theil auch drauf, daß sie aus dem modernen Leben in seiner ganzen Breite herausgegriffen sind. Man kann fast sämmtliche geistige Bewegungen der jüngsten Tage in Bürklins Erzählungen wiedergespiegelt finden. Zu erster Linie war es ihm um die Festigung des Reichsgedankens im deutschen Vaterlande zu thun, um die Ausgleichung von Nord und Süd, und da hat er vielleicht mehr geleistet als mancher, der in der Oeffentlichkeit viel darum gepriesen wurde. Niemals hörte Bürklin auf, für Aufklärung und Menschlichkeit zu wirken, das engherzige Spießbürgerthum und die Dunkelmänner zu bekämpfen, echtes Volksthum aber, wo es nur anging, zu fördern und es zeigt sich bei ihm eine Vielseitigkeit des Interesses, die wirklich zu bewundern ist. Und damit hat er sich ein Anrecht auf dauerndes Gedächtnis erworben.

Adolf Bartels.