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Artikel „Zurlauben“ von Hans Herzog in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 506–507, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Zurlauben&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 05:44 Uhr UTC)
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Zurlauben: die bedeutendste Familie der Stadt Zug im 16.–18. Jahrhundert. Als das älteste daselbst urkundlich nachweisbare Familienglied hat der im J. 1488 als Bürger angenommene Stadtziegler Anton Z. zu gelten, dessen verwandtschaftliche Beziehungen zu dem elf Jahre vorher ins Zürcher Bürgerrecht aufgenommenen Anthony Zer Loben von Wallis von der Matt leider nicht genauer festgestellt werden können. Sicher bleibt nur, daß schon vor der Mitte des 17. Jahrhunderts diese beiden Anton Z. identificirt wurden und daß die Herkunft des Zürcher Bürgers Anthony Zer Loben aus dem Wallis dazu benützt wurde, der Familie Z. in den Walliser Freiherren von Thurn und Gestelenburg (Sires de la Tour, seigneurs de Chatillon) eine reiche und glänzende Ahnenreihe voranzustellen. Schon im J. 1625 hatte eine Familiengenealogie zum ersten Male der Abstammung der Z. von den Thurn und Gestelenburg Erwähnung gethan und schon 1641 hatte eine Fälschung im Jahrzeitbuche von Seedorf (Uri) die angebliche Verbindung beider Familien hergestellt, welche 1649 in einer französischen Urkunde anerkannt wurde. Halten die von den verschiedensten Familienmitgliedern bearbeiteten und durch Herbeiziehung möglichst vieler historischer Materialien gestützten Genealogien vor der kritischen Forschung nicht Stand, so waren dieselben dem bürgerlichen Geschlechte insbesondere in der Befestigung seiner Beziehungen zur französischen Krone von wesentlichem Nutzen.

Die Mehrzahl der Z. leistete dem engern und weitern Vaterlande als Diener des Staates (Ammänner, Statthalter, Landschreiber, Sekelmeister, Obervögte, Rathsherren, Stadtschreiber der Stadt und des Amtes Zug, Landvögte und Landschreiber in den freien Aemtern, im Thurgau und Rheinthal; als Gesandte bei den eidgenössischen Tagsatzungen sowie bei Bundesabschlüssen und Verhandlungen an auswärtigen Höfen) die wichtigsten Dienste. Ein starker militärischer Zug geht durch die ganze Familie; daher haben fast alle politisch bethätigten Z. sich gleichzeitig auch der militärischen Laufbahn im In- und Auslande (Savoyen, Venedig, Toscana, Spanien) ganz besonders in Frankreich gewidmet. Dem geistlichen Stande, insbesondere dem Benedictiner- und Cistercienserorden weihte sich eine nicht unerhebliche Zahl der Familienangehörigen beiderlei Geschlechtes. Unter ihnen sind die beiden Rheinauer Aebte Gerold I. (1547–1607) und Gerold II. (1649–1735) sowie Placidus I., der erste Fürstabt von Muri (s. u.) deswegen hervorzuheben, weil sie ihre Benedictinerklöster dadurch zu den ersten der Schweiz zu erheben wußten, daß sie ein bedeutendes Gewicht auf die Pflege der Wissenschaften in ihren Stiften legten. Wie sehr die letztere den Zurlauben am Herzen lag, zeigt die bald nach der Mitte des 17. Jahrhunderts erfolgte Gründung einer hauptsächlich aus Werken zur schweizerischen und französischen Geschichte bestehenden Familienbibliothek, die im Vereine mit dem Familienarchive den Grundstock zu der berühmten Bibliothek Beat Fidel’s Z. (s. u.) bildete.

Im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts unter Ammann Beat Jacob I. († 1690) erreichte die Familie nicht nur inbezug auf die außergewöhnliche Anzahl ihrer Glieder, sondern auch wegen ihres bedeutenden Einflusses den Höhepunkt ihres Glanzes. Allein das Uebergewicht, welches der Familie mit dem [507] Rechte der Austheilung der französischen Pensionen und Gnadengelder zuertheilt worden war, führte bald den Sturz des Geschlechtes herbei; als die Zuger unter Ammann Schumacher mit Erfolg gegen den Einfluß Frankreichs ankämpften, verlor die Familie Z. schon Ende des dritten Jahrzehnts des 18. Jahrhunderts ihre politische Bedeutung für immer.

Vgl. Keiser-Muos, Das Geschlecht der Zurlauben … in Zug 1488 bis 1799 im Geschichtsfreund, Bd. 29, S. 140–165.

Folgende Männer verdienen unter den Zurlauben besonders hervorgehoben zu werden:

Beat Z., geboren in Zug am 18. April 1597, † daselbst am 2. Mai 1663. Seine Ausbildung erhielt er im Kloster Rheinau, bei den Jesuiten in Freiburg i. Uechtlande und Lyon, in Bourges und in Paris. Nach kurzem Verweilen in französischen Diensten übernahm er 1617 die Stelle eines Landschreibers der freien Aemter in Bremgarten (Aargau), von wo er 1629 nach dem Ableben seines Vaters, des Ammanns Konrad Z., in den Rath seiner Vaterstadt Zug berufen wurde. Nach Aufgabe seiner Stellung in Bremgarten und nach neuer Dienstleistung im französischen Heere, in welchem ihm vom König Ludwig XIII. eine Compagnie zugetheilt worden war, siedelte er nun nach Zug über, wo ihn das Vertrauen seiner Mitbürger schon im nächsten Jahre 1632 und nochmals 1641 an die Spitze des Staates berief. Den letzteren vertrat er an den gemeineidgenössischen Tagsatzungen sowie an den Tagungen der V katholischen Orte im ganzen mehr als 150 Male und die intime Kenntniß der Verhältnisse und Personen, die er sich in diesen Verhandlungen erwarb, befähigte ihn hauptsächlich zum Unterhändler und Vermittler in besonders schwierigen politischen und religiösen Fragen. Die strenge und zähe Wahrung seines katholischen Standpunktes gegenüber den evangelischen Miteidgenossen trug ihm den Beinamen einer „Säule des (kathol.) Vaterlandes“ ein. 1634 sandten ihn die katholischen Orte mit zwei andern Gesandten zu Ludwig XIII. nach Paris, um denselben zu einer Einmischung in die Grenzverletzung durch die Schweden bei der Belagerung von Constanz sowie zur Wahrung ihrer katholischen Interessen gegenüber den evangelischen Städten zu veranlassen. Im Luzernischen Bauernkriege (1653) fand Beat Z. neuerdings Gelegenheit als Vermittler zwischen den aufrührerischen Bauern und dem Rathe der Stadt Luzern in so erfolgreicher Weise aufzutreten, daß er zum Danke sammt seinen Nachkommen in das Bürgerrecht Luzerns aufgenommen wurde. Beat Z. hatte die Gewohnheit sich über die Verhältnisse, die ihn interessirten, ausführliche schriftliche Rechenschaft zu geben. Die Familienbibliothek bewahrt eine große Anzahl zum Theil umfangreicher Arbeiten zur Geschichte des 17. Jahrhunderts von seiner Hand, welche zeigen, daß er auch eine gewandte Feder führte. Ueber seine Gesandtschaft zu Ludwig XIII. hinterließ er ein ausführliches Tagebuch.

Vgl. David Herrliberger, Schweitzer Ehrentempel. 4°, Basel 1748. – J. J. Leu, Allgem. Helvet. Lexicon 11, 401–402 in 4°, Zürich 1756. – Keiser-Muos a. a. O.