Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Zinn, August“ von Melchior Josef Bandorf in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 334–336, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Zinn,_August&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 07:04 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 45 (1900), S. 334–336 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
August Zinn in der Wikipedia
Friedrich Karl August Zinn in Wikidata
GND-Nummer 104295937
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|45|334|336|Zinn, August|Melchior Josef Bandorf|ADB:Zinn, August}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=104295937}}    

Zinn: August Z., Irrenarzt, geboren am 20. August 1825 als Sohn eines Pfarrers zu Ilbesheim in der Rheinpfalz, † am 17. November 1897 als Director der Provinzialirrenanstalt zu Eberswalde. Ursprünglich hatte er sich dem Forstwesen gewidmet und war bereits Forstbeamter, als er sich 1849 der [335] politischen Bewegung anschloß. Nach deren Zusammenbruch flüchtete er in die Schweiz und wendete sich nun an der Züricher Universität dem Studium der Medicin zu, welches er 1853 absolvirte. Hierauf wurde er Assistent am dortigen Kantonspital und der damit verbundenen Irrenabtheilung. Die eingehende Beschäftigung mit der Irrenpflege, in welcher er seine Kenntnisse noch durch einen längeren Aufenthalt bei Roller in Illenau, wie in Wien und Prag erweiterte, veranlaßte ihn über die Mängel des öffentlichen Irrenwesens im Kanton Zürich eine kleine Studie zu veröffentlichen. Zunächst ließ er sich jedoch 1856 als praktischer Arzt in Thalweil nieder und erst seine Ernennung zum Director der St. gallenschen Kantonirrenanstalt St. Pirminsberg führte ihn 1864 dauernd dem Irrenwesen zu. Das veraltete Pirminsberg bedurfte dringend einer den Forderungen der Neuzeit entsprechenden Reorganisation, Z. gelang es hiefür die nicht unbeträchtlichen Mittel vom Kanton zu erhalten und unter seiner Leitung erfolgte eine umfassende Umgestaltung der ganzen Anlage. 1865 gründete er den Hülfsverein für aus der Anstalt entlassene Geisteskranke, den ersten dieser Art, welcher alsbald durch sein segensreiches Wirken allenthalben Nachahmung fand. Noch größere Aufgaben erwarteten ihn, als er 1872 einem Rufe zum Director der brandenburgischen Provinzialirrenanstalt in Eberswalde folgte. Auch hier war er unablässig thätig für die Neuorganisation und Erweiterung der Anstalt, und als er 1882 zum Landesmedicinalreferenten für die Provinz ernannt worden war, dehnte sich diese Thätigkeit auch auf den Umbau der andern älteren Anstalten und die Erweiterung der Irrenpflege der Provinz aus. Zu den beiden neuen mustergültigen Irrenanstalten in Landsberg a. W. und Neuruppin hatte er die Programme und Pläne entworfen. Nach dem Muster des Pirminsberger Vereins errichtete er ebenfalls einen Hülfsverein für entlassene Geisteskranke der Provinz Brandenburg. 1874 wendete sich Z. auch wieder der Politik zu. Einige Freunde hatten ihn beredet, in dem Wahlkreis seines Geburtsortes für den Reichstag zu candidiren. Schon sein erstes Auftreten war durchschlagend und seine Wahl erfolgte mit großer Stimmenmehrheit, die Wähler blieben ihm auch in der Folge treu, bis er 1881 auf eine Wiederwahl verzichtete. Im Reichstage war es ihm gegönnt, in einer Reihe von ärztlichen Fragen, besonders auch psychiatrischen erfolgreich zu wirken. Er war der einzige ärztliche Vertreter in der Justizcommission, welche die gesetzlichen Bestimmungen über das Verfahren bei Entmündigung wegen Geisteskrankheiten, über die Prüfung von Angeklagten in den Fällen zweifelhaften Seelenzustandes, über Strafvollstreckung, über die Zuziehung der Aerzte als Zeugen vor Gericht, über den Schutz des ärztlichen Berufsgeheimnisses und die Stellung der ärztlichen Sachverständigen festsetzte. Auch bei Verhandlungen auf dem Gebiete der öffentlichen Gesundheitspflege nahm er als Berichterstatter über das Nahrungsmittelgesetz, sowie gelegentlich des Impfgesetzes, der Schaffung des kaiserlichen Gesundheitsamtes, des Viehseuchengesetzes wie in anderen Fragen hervorragenden Antheil. Mit der Errichtung ärztlicher Standesvereine in Preußen wandte er auch diesen seine Fürsorge zu, wiederholt war er zweiter Vorstand der Aerztekammer der Provinz und Vertreter der Kammer in der wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen. Als der Verein deutscher Irrenärzte beschloß gegen die zu Anfang des Decenniums in der Oeffentlichkeit mehr und mehr hervortretende Bewegung gegen die Irrenärzte und Irrenanstalten Stellung zu ergreifen, übernahm Z. für die Versammlung in Frankfurt a. M. 1893 die zwei ausgedehnten Referate „über Psychiatrie und Seelsorge“ und „über Reform des Irrenwesens in Preußen und des Verfahrens in Entmündigungssachen der Geisteskranken“. Die von ihm aufgestellten Thesen wurden von der zahlreichen Versammlung einstimmig angenommen. Schriftstellerisch war Z. wenig thätig, nur einige [336] Gelegenheitsschriften existiren von ihm, seine ganze Arbeitskraft war der praktischen Thätigkeit gewidmet.

Lähr, Allgem. Zeitschr. f. Psychiatrie, Bd. 54, S. 1112.