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Artikel „Zimmermann, Ernst“ von Wilhelm Diehl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 258–260, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Zimmermann,_Ernst&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 16:21 Uhr UTC)
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Zimmermann: Ernst Christoph Philipp Z., hessischer Theologe und Kanzelredner, wurde am 18. September 1786 als Sohn des damaligen Subrectors Johann Georg Z. zu Darmstadt (s. S. 277) geboren. Seine Ausbildung erhielt er nach einem vorbereitenden Unterricht, den ihm sein Vater und nachher ein Candidat des Predigtamtes ertheilt hatten, vom neunten bis siebzehnten Lebensjahr (1795 bis 1803) auf dem unter der Leitung des hessischen Historiographen Helfrich Bernhard Wenck damals mächtig aufblühenden Darmstädter Gymnasium und dann 1803 bis 1805 auf der Landesuniversität zu Gießen. Nachdem es ihm durch gewissenhafte Benutzung der Studienzeit und einen wahrhaft eisernen Fleiß gelungen war, schon nach zwei Jahren seine akademische Laufbahn zu beschließen und das gesammte theologische Studium, dem er sich auf Veranlassung seines Oheims, des damaligen Superintendenten Chr. H. Z. (s. S. 251) gewidmet, mit einem rühmlich bestandenen Facultätsexamen zu absolviren, eröffnete der neunzehnjährige Jüngling in seiner Vaterstadt eine Privatlehranstalt für Mädchen und hatte die große Freude, schon nach wenigen Wochen gegen vierzig Kinder aus den angesehensten Familien Darmstadts seine Schülerinnen nennen zu können. Freilich bedurfte er nicht lange dieses außerordentlichen Nebenerwerbes. Er bestand noch in demselben Jahre 1805 sein Definitorialexamen und erhielt auch sofort eine Stelle im Kirchendienste, nämlich als Mitprediger und Präceptor in Auerbach an der Bergstraße. Nachdem er etwa vier Jahre diese recht gering besoldete Stelle versehen, wurde er im J. 1809 zum Diakonus in Groß-Gerau und Pfarrer in Büttelborn befördert, welches Amt er bis zum Herbst 1814 [259] versah. Diese Groß-Gerauer Wirksamkeit war für Zimmermann’s Lebensauffassung und Lebensführung von nicht geringem Einfluß. Er hat in diesem an der Straße von Darmstadt nach Mainz gelegenen und um dessentwillen einen Hauptetappenort in den Kriegsjahren bildenden Städtchen die ganze Noth eines schweren Krieges mit durchgemacht. Diese äußere Noth blieb aber nicht ohne inneren Segen auf sein ganzes Wirken. Von dem Groß-Gerauer Aufenthalte her datirt die stärkere Hervorhebung des patriotischen Elementes in seinen Predigten und die Hinwendung zu solchen theologisch-wissenschaftlichen Arbeiten, die einen Segen für das evangelische Volk bringen sollten und Zimmermann’s Ruhm begründet haben. Während er vorher, besonders in Auerbach, philologischen Studien (Bearbeitung des Euripides) seine freie Zeit gewidmet hatte und nur einmal auf das theologische Gebiet mit einem Schriftchen übergesprungen war, wird am Ende seines Gerauer Aufenthaltes der Anfang mit der Verwirklichung der Ziele gemacht, die nachher sein ganzes Leben füllten: der evangelischen Kirche, ihren Predigern, Lehrern und Gliedern durch praktisch-theologische Schriften zu dienen. Es entstanden in dieser Zeit seine „Predigten über Episteltexte“ (1813), seine „Patriotischen Predigten, zur Zeit der Wiederbefreiung Deutschlands gehalten“ (1814), sowie der Anfang zu seinem „Homiletischen Handbuch für denkende Prediger“. Wichtiger jedoch als der Segen, den diese Arbeiten Anderen brachten, ist der Segen, den Z. selbst aus diesem Uebergang von der philologischen zur theologischen Arbeit zog. Seinen Selbstgeständnissen zufolge war es gerade diese Periode seines Lebens, die seine eigentliche Ausbildung als Prediger und damit seine Größe begründete. Im Herbst 1814 verließ Z. die Stätte, da er soviel gelernt, um das Amt eines Hofdiakonus an der Hofkirche zu Darmstadt zu übernehmen. Es war ihm auf Veranlassung der Großherzogin Louise übertragen worden, die ihn schon bei seinem Auerbacher Aufenthalt als Prediger hatte schätzen lernen. Sie und ihr Gemahl Ludwig I. haben ihm auch in der Folgezeit diese Gunst öfters noch zu erkennen gegeben. 1815 wurde Z. zum Erzieher des minderjährigen Herzogs Ludwig von Anhalt-Köthen, eines Enkels Ludwig’s I. ernannt und bald nachher mit einem großen Theil des Unterrichtes des späteren Ludwig III. und des Prinzen Karl betraut. 1816 erfolgte seine Ernennung zum 2. Hofprediger, in welchem Amte er bis zu seinem Tode verblieb. Die hiedurch eingeleitete letzte Periode seines Lebens ist die fruchtbarste desselben zu nennen. Nicht bloß daß Z. durch seinen Einfluß am Hofe und die großen Verbindungen, die daher stammten, die Kraft seiner Persönlichkeit erst recht entfalten konnte, er konnte auch jetzt allmählich an die Realisirung von Plänen gehen, die er aus finanziellen Gründen bisher hatte unterlassen müssen. Der Druck finanzieller Sorgen, der auf ihm bisher so manches Mal gelastet, hörte auf, und wenn es auch manchmal schien, als trete an seine Stelle ein anderer schwerer Druck, nämlich der einer kaum zu bewältigenden Arbeit, so bot ihm doch gerade diese Arbeit so viel des Erfreulichen, so viel äußere Anerkennung und inneren Gewinn, daß er sie bei seiner eminenten Arbeitskraft leicht ertrug. In diese Jahre fallen die wissenschaftlichen Arbeiten, die Zimmermann’s Ruhm begründeten: 1821 beginnt er mit der Herausgabe der „Monatsschrift für Predigerwissenschaften“; 1822 folgte die „Allgemeine Kirchenzeitung“, eine Zeitschrift, die „ein Archiv für die neueste Geschichte und Statistik der christlichen Kirche und eine kirchenhistorische und kirchenrechtliche Urkundensammlung“ bilden sollte; ihr folgt 1824 ein ähnliches Unternehmen auf dem Gebiete des Schulwesens, die Herausgabe einer „Allgemeinen Schulzeitung“ in Verbindung mit einem „Pädagogisch-philologischen Literaturblatt“; in demselben Jahre reiht sich der Kirchenzeitung ein „Theologisches Literaturblatt“ an. Alle diese Zeitschriften hat Z. zwar auf die Dauer nicht allein redigiren können, aber er hat sie begründet, [260] eifrig an ihnen mitgearbeitet und ihnen eine geachtete Stellung im wissenschaftlichen und praktischen Leben seiner Zeit zu verschaffen gewußt. Darmstadt ward gerade durch diese Arbeiten ein Centrum der theologisch-wissenschaftlichen Arbeit, er selbst eine theologische Koryphäe, um deren Besitz mehr als einmal auswärtige Fürsten und Städte, freilich vergeblich, warben. Neben der redactionellen Thätigkeit liefen andere Publicationen her. Es sei hingewiesen auf die „Predigten in der Hofkirche zu Darmstadt gehalten“ (acht Theile 1816 bis 1830), die „Briefe über die evangelische Kirchenvereinigung und Kirchenverfassung im Großherzogthume Baden“ (1822), die ihm von der theologischen Facultät zu Heidelberg den Ehrentitel eines Doctors der Theologie eintrugen, die Herausgabe eines Corpus Patrum, einer Handausgabe der Kirchenväter, von der allerdings nur der erste Theil, die Kirchengeschichte des Eusebius, erschien und endlich auf das vierbändige Werk „Geist aus Luther’s Schriften oder Concordanz der Ansichten und Urtheile des großen Reformators über die wichtigsten Gegenstände des Glaubens, der Wissenschaft und des Lebens, herausgegeben von F. W. Lomler, G. F. Lucius, I. Rust, L. Sackreuter und E. Zimmermann“ (1828–1832), dessen Plan und theilweise Ausführung sein Verdienst ist. Freilich verlor er über diesen der ganzen wissenschaftlichen Welt und der Bevölkerung von ganz Deutschland dienenden Arbeiten nicht den Blick für seine engere Heimath. Schon 1821 hatte er in höherem Auftrag einen Entwurf einer evangelischen Kirchenverfassung für das Großherzogthum ausgearbeitet, die aber nicht ins Leben trat. So weh ihm dies um der begleitenden Umstände willen that, so hat er sich doch dadurch nicht verbittern lassen, sondern seine Kraft auch weiterhin in den Dienst der Heimath gestellt. Die Anerkennung blieb denn auch nicht aus. Der Großherzog, sein Gönner, ließ ihn vom Jahre 1824 an so entlasten, daß er noch mehr als bisher der wissenschaftlichen Muße leben konnte, und als es sich im Jahr 1831 darum handelte, bei der Schaffung einer neuen kirchlichen Organisation des Landes das alte Superintendentenamt wiederherzustellen, wurde Z. für den Posten des Superintendenten der Provinz Starkenburg, des ersten Oberconsistorialrathes und Prälaten des Großherzogthums in Aussicht genommen. Freilich erlebte er die Verwirklichung dieser Absicht nicht mehr. Er starb unerwartet am 24. Juni 1832 zu Darmstadt und mit ihm nicht bloß, wie es in einem Nachruf heißt, einer der ersten Kanzelredner Deutschlands und ein unerschrockner Kämpfer für Licht und Wahrheit sondern auch einer der besten Söhne des Hessenlands.

Ernst Zimmermann nach seinem Leben, Wirken und Charakter geschildert von seinem Bruder Karl Z., Großh. Hess. Hofdiakonus, Darmstadt 1833, woselbst auch ein genaues Verzeichniß der von Ernst Z. erschienenen 56 größeren Abhandlungen und Schriften. Wesentlich mit dem von Karl Z. hier dargebotenen Material arbeitet auch das Biogr.-lit. Lexikon der Schriftsteller des Großh. Hessen im ersten Viertel des 19. Jahrh. Darmstadt 1. Abth. 1831 in seinem Artikel „Ernst Z.“ S. 473–479 und 2. Abth. 1843, S. 827 f., woselbst auch einige Nachrufe auf Ernst Z. verzeichnet sind. – Ueber sein Leben und seine Schriften bis zum Jahr 1819 berichtet auch Strieder’s Grundlage z. e. hess. Gelehrten- u. Schriftsteller-Geschichte XVII, 356 f.