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Artikel „Ziegler, Jakob Melchior“ von Viktor Hantzsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 178–179, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ziegler,_Jakob_Melchior&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 06:26 Uhr UTC)
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Ziegler: Jakob Melchior Z., schweizerischer Kartograph, war am 27. November 1801 zu Winterthur als Sohn eines wohlhabenden und angesehenen Baumwollenhändlers geboren, besuchte die Schule seiner Vaterstadt und gewann schon als Schüler durch den Einfluß seines Vaters und seiner Lehrer eine ausgesprochene Vorliebe für die Realien und für mechanische Fertigkeiten. Da er als einziger Sohn das ausgedehnte väterliche Geschäft übernehmen und sich zu diesem Zwecke eine gründliche kaufmännische und technische Bildung aneignen sollte, bezog er 1817 das Gymnasium zu Zürich. Vier Jahre später ging er nach Genf, um sich im Gebrauche der französischen Sprache zu vervollkommnen und um zugleich an der Universität einige Fächer zu belegen, die seinen Neigungen entsprachen und ihm überdies für seine spätere Thätigkeit als Fabrikant und Großkaufmann nützlich werden konnten. So hörte er Botanik bei de Candolle, Mathematik und Geographie bei Dufour, dem Urheber der berühmten Karte der Schweiz. Die von diesem Lehrer empfangenen Anregungen wurden für Ziegler’s ferneres Leben entscheidend, da sie ihn überzeugten, daß er nie im Berufe seines Vaters, sondern nur in freier wissenschaftlicher Thätigkeit bedeutendes zu leisten im Stande sein würde. Um sich noch gründlicher in das geographische und mathematisch-naturwissenschaftliche Wissensgebiet einzuarbeiten, namentlich aber auch, um sich in der kartographischen Technik zu vervollkommnen, bezog er im Herbst 1823 die Pariser Universität. Hier setzte er seine Sprachstudien fort, hörte bei Lacroix Geometrie, bei Gay-Lussac Physik und beschäftigte sich theoretisch und praktisch mit Geodäsie und Topographie. Aber bereits im Sommer 1824 sah er sich durch den plötzlichen Tod seines Vaters gezwungen, nach Winterthur zurückzukehren und das väterliche Geschäft zu übernehmen. Doch widmete er neben der Handelsthätigkeit einen großen Theil seiner Zeit den Studien. Um wenigstens in einiger Verbindung mit den ihm lieb gewordenen Wissenschaften zu bleiben, nahm er 1828 eine Stelle als Lehrer der Mathematik und Naturkunde an der Realschule seiner Vaterstadt an. Zu seinem lebhaften Bedauern sah er sich nach sechs Jahren gezwungen, dieses Amt infolge eines hartnäckigen Halsleidens niederzulegen, doch bewahrte er der Schule auch ferner ein warmes Herz und regte, überzeugt von der Nothwendigkeit einer realistischen Bildung neben der humanistischen, die Errichtung einer gewerblichen Fortbildungsschule in Winterthur an. Nach der unfreiwilligen Beendigung seiner Lehrthätigkeit wendete sich Z. vorzugsweise technischen Studien zu. Namentlich war er bemüht, Pläne zur Verbesserung des schweizerischen Verkehrswesens zu entwerfen. Als in den dreißiger Jahren die Eisenbahnen aufkamen, erkannte er sofort die hohe Bedeutung dieses neuen Verkehrsmittels und veröffentlichte nicht nur mehrere Schriften über Eisenbahnbau, sondern bearbeitete auch im Auftrage des Bundesrathes einen Plan zur Ausführung eines schweizerischen Schienennetzes. Unterdessen war er in seiner Heimath zum Stadtrath und bald darauf zum Stadtforstinspector erwählt worden. Als solcher hatte er die umfangreichen städtischen Wälder zu verwalten. Um diese besser zu übersehen und um ihren Ertrag zu steigern, begann er seine Thätigkeit mit einer genauen Vermessung. Hierbei half ihm sein ehemaliger Schüler Johann Ulrich Wurster, ein geschickter Lithograph und Kartenzeichner. Da auch Z. von jeher ein Freund der Kartographie war, schlug er seinem Mitarbeiter vor, gemeinsam eine kartographische Anstalt zu gründen. Sie trat 1842 unter der Firma Wurster und Compagnie ins Leben, gelangte bald zu hoher Blüthe und wurde 1852 mit einer Verlagsbuchhandlung verbunden. Unter der persönlichen Leitung Ziegler’s konnte die Anstalt schon nach wenigen Jahren auf glänzende Leistungen hinweisen. Ihre Karten vereinten zuverlässige Richtigkeit mit Klarheit und künstlerischer Ausführung. Fast jede neue Karte erwies sich als ein Fortschritt in Technik und [179] Methode. Den Höhepunkt erreichten die Leistungen, als 1863 der namhafte Kartograph Johannes Randegger, ebenfalls ein ehemaliger Schüler Ziegler’s, als Theilhaber eintrat. Seitdem zog sich Z., durch zunehmendes Alter und schwankende Gesundheitsverhältnisse genöthigt, allmählich vom Geschäft zurück. 1873 trat er aus der Firma aus, da er sie in zuverlässigen Händen wußte und ihren rühmlichen Fortbestand gesichert sah. Weil das Klima Winterthurs sein altes Kehlkopfleiden nie zu völliger Heilung kommen ließ, siedelte er nach Basel über, brachte hier eine große Kartensammlung zusammen, die er testamentarisch der Universitätsbibliothek vermachte, und starb am 1. April 1884.

Unter den Arbeiten Ziegler’s sind in erster Linie seine Karten zu nennen. Sie sind fast durchgängig als mustergültig zu bezeichnen und wiesen sowol für die Methode als auch für die Technik der Kartographie neue Bahnen. Ein besonderes Verdienst hat sich Z. um die Darstellung des Terrains erworben. Er vereinigte das Isohypsensystem mit Schraffur und Farbengebung und erzielte dadurch nicht nur ein plastisches Bild der Bodengestalt, sondern auch einen deutlichen Einblick in die Lagerungs- und Schichtungsverhältnisse der geologischen Formationen. Auch suchte er auf seinen Karten die Lehre Karl Ritter’s von der Wechselwirkung der geographischen Factoren zu veranschaulichen. Als die werthvollsten unter seinen Kartenwerken sind folgende hervorzuheben: „Topographische Karte der Kantone St. Gallen und Appenzell in 16 Blättern“ (1849–52); „Karte der Schweiz“ 1 : 380000 (1850); „Atlas über alle Theile der Erde nach Karl Ritters Lehre in 24 Blättern“ (1851); „Geologische Karte der Schweiz“ (in Gemeinschaft mit B. Studer und A. Escher von der Linth, 1853); „Hypsometrischer Atlas mit Erläuterungen und Höhenverzeichnissen“ (1856); „Topographische Karte der Insel Madeira“ (1856, Frucht eines längeren Aufenthaltes, den Z. zur Heilung seines Kehlkopfleidens auf der Insel nahm); „Allgemeiner Atlas über alle Theile der Erde“ (1857); „Geographische Kartennetze mit ausgeführten Gebirgen für den Unterricht in der Erdkunde und zur Uebung im Kartenzeichnen“ (1857); „Neue Karte der Schweiz“ 1 : 380000 (1857); „Karte des Kantons Zürich“ 1 : 125000 (1858); „Geographische Karte der schweizerischen Gewerbsthätigkeit“ (1858); „Wandkarte der Schweiz“ 1 : 200000 (1858); „Karte von Oberitalien mit den Alpenpässen“ (1859); „Topographische Karte des Kantons Glarus 1 : 50000 (1861); „Hypsometrische Karte der Schweiz“ (1866); „Topographische Karte des Engadin“ 1 : 50000 (1867–73); „Geologische Karte der Erde“ (1875); „Orohydrographische Wandkarte der Schweiz“ 1 : 200000 (1877).

Von den zahlreichen Schriften Ziegler’s, die wie die Karten fast alle im Verlage von Wurster & Comp. in Winterthur erschienen, sind hervorzuheben: „Ueber die bei uns schon vorhandenen und noch wünschbaren Bildungsmittel“ (1832, behandelt die Nothwendigkeit von realistischen Bildungsanstalten neben den humanistischen); „Darstellende Geometrie“ (1843); „Sammlung absoluter Höhen der Schweiz und der angrenzenden Nachbarländer“ (1853); „Ueber die neuesten Reisen und Entdeckungen in Innerafrika“ (1859, schildert namentlich die Leistungen von Barth, Overweg, Vogel, Livingstone, Caillie und Munzinger); „Die Mineralquelle Pfäfers“ (1861); „Zur Hypsometrie der Schweiz und zur Orographie der Alpen“ (1866); „Ueber das Verhältniß der Topographie zur Geologie bei Darstellung von Gebirgskarten in größerem Maßstabe“ (1869); „Ueber Topographie und topographische Karten“ (1874); „Ueber das Verhältniß der Topographie zur Geologie“ (1876); „Ein geographischer Text zur geologischen Karte der Erde, mit einem Atlas von 17 Karten“ (1883).

Geilfus, Das Leben des Geographen Dr. Jakob Melchior Ziegler. Winterthur 1884 (mit dem Bilde Ziegler’s).