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Artikel „Ziegler, Christoph“ von August Wintterlin in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 164–165, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ziegler,_Christoph&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 16:16 Uhr UTC)
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Ziegler: Christoph Z., Philolog und Archäolog, geboren am 3. Februar 1814 in Ulm, † am 12. Juni 1888 als Gymnasiallehrer in Stuttgart, war der Sohn eines Merzlers, wie in seiner Vaterstadt die Victualienhändler heißen. Schon im neunten Lebensjahre verlor er den Vater und kam später in das Haus einer Großmutter. Im Ulmer Gymnasium, das er vom 11.–18. Jahre durchlief, gewannen zwei Lehrer, der als Orientalist und Archäologe bekannte Haßler (s. A. D. B. XI, 15 ff.) und Moser (XXII, 371 ff.), ein hervorragender Ciceronianer, großen Einfluß auf ihn. Er entschloß sich, Philolog zu werden, trat aber gegen allen württembergischen Brauch jener Zeit nicht in das Tübinger Stift ein, um dort viel Theologie und ein wenig Philologie zu studiren, sondern ging im Herbste 1833 gleich nach Leipzig. Vier Jahre lang unterstellte er sich ganz der Leitung von Gottfried Hermann, dessen begeisterter Verehrer er sein Leben lang blieb.

In Tübingen, wo Z. seine Studien unter Walz (XLI, 127 ff.) und Tafel (XXXVII, 346 ff.) bis Herbst 1839 fortsetzte und mit einer Doctorarbeit „De Apollonio Rhodio et nonnullis Musaei locis“ abschloß, öffnete ihm der erstere auch die Augen für die alte Kunst; er suchte sie im Frühjahr 1841 in Italien selbst auf, nachdem er einige Zeit in Blaubeuren, Schönthal und Ulm Schuldienste gethan hatte. In Rom, kurze Zeit auch in Florenz und Neapel, vertiefte er sich zumeist in die Archäologie und machte daneben Vorarbeiten für eine Apollonius- und eine Theokritausgabe. Mit einem längeren Aufenthalte in Paris im Winter 1843 auf 1844 beschloß er seine Wanderjahre.

Sein Theokrit erschien im J. 1844 in Tübingen; eine daran sich knüpfende Hoffnung, dort eine Professur an der Universität zu erhalten, ging nicht in Erfüllung; wol aber wurde er im J. 1845 an der oberen Abtheilung des Stuttgarter Gymnasiums als Professor angestellt zum Ersatz für Pauly (XXV, 297 f.), den ersten Herausgeber der Realencyklopädie der classischen Alterthumswissenschaft. In dieser Stellung wirkte Z. als Hauptlehrer an der Unterprima 31 Jahre lang mit großem Eifer und Erfolg. Allen Collegen an philologischem und archäologischem Wissen weit überlegen, pädagogisch-methodologischen Künsteleien gründlich feind, machte er durch sein frisches und mannhaftes Auftreten selbst manche Eigenheiten seiner überlebhaften Natur vergessen, die für einen Lehrer von geringeren Kenntnissen und einem weniger achtunggebietenden Charakter hätten gefährlich werden können. Weitere Reisen über die Alpen erhielten und verstärkten an ihm den Anhauch von altrömischem Wesen, dessen Spuren er gerne in dem modernen Volksleben der Italiener nachging. Auf der zweiten, vom April 1864 bis zum Herbst 1865, nahm er seine kritischen Studien zu Theokrit wieder auf, dessen zweite Auflage im J. 1867 erschien; es war ihm dabei gelungen, im Herbste 1864 in der Ambrosiana zu Mailand ein bis dahin noch unbekanntes Gedicht, jetzt Nr. 30 (anecdoton Zieglerianum) der Theokritausgaben, zu entdecken. Als weitere Frucht dieser Reise veröffentlichte Z. im J. 1867 die bis dahin noch nicht herausgegebenen Theokritscholien des Codex Ambrosianus 222, im J. 1868 die Elegien des Theognis „e codicibus Mutinensi, Veneto 522, Vaticano 915“ und die Idyllen von Bion und Moschus, „e codicibus italis a se collatis“. Nach der dritten Reise (1877–78) folgte seine dritte Theokrit- (1879) und seine zweite Theognisausgabe (1880). Aus seinem Unterrichte heraus wuchsen vier Schulausgaben der Euripideischen Iphigenie bei den Tauriern (1871, 1873, 1884 und 1886, die letztere mit Commentar), für die von 1884 waren von ihm auf seiner vierten italienischen Reise (1880–81) die Handschriften verglichen worden. Seine Collationen zu Apollonius Rhodius finden sich verwerthet in dem Stuttgarter Gymnasialprogramm von 1846, seine Studien über die dramatische Kunst der Griechen in einer Abhandlung über [165] die Antigone des Sophokles, welche dem Programm des Jahres 1855 beigegeben ist.

Hatte Z. mit den bisher genannten Arbeiten seine Schuld an seinen Meister, „Godofredus Hermannus“ abgetragen, so sollte daneben auch seine Begeisterung für die römische Archäologie ihren bleibenden Ausdruck finden. Er plante nichts Geringeres, als die „Herausgabe eines großen archäologischen Bilderwerkes, welches das ganze antike Leben umfassen und der Jugend alle für die Lectüre der Classiker nothwendige Anschauung bieten sollte“. Es kam aber davon nur die Grundlage heraus, „Illustrationen zur Topographie des alten Rom“, welche in vier Heften von 1873–1877 in Stuttgart bei Neff erschienen. Z., dem im J. 1871 ein Jahr Urlaub zu den Vorbereitungen gegeben wurde, überwachte die künstlerische Ausführung mit demselben unermüdlichen Eifer, mit dem er in Rom selbst seine Studien gemacht hatte. Die billige Schulausgabe, „Das alte Rom“ von 1882 ließ diesen Atlas aus einem Vorzeigewerk in der Hand der Lehrer zu einem geschätzten Besitze vieler Schüler werden. Die großen Opfer an Zeit und Geld, welche Z. für diese Schöpfung gebracht hatte, würde er auch für eine Fortsetzung nicht gescheut haben, wenn er nicht hier, wie im Schuldienste jeden Schein einer Kräfteabnahme im herannahenden Alter ängstlich hätte vermeiden wollen. Er ließ sich im J. 1876 in den Ruhestand versetzen und zog sich – unverheirathet geblieben – auf den Umgang mit wenigen Freunden aus älterer Zeit und den in Stuttgart reichlich gebotenen Genuß edler Musik zurück, wofür er ein ungewöhnliches Verständniß besaß. Was er immer gewesen war, blieb er auch im hohen Alter: eine „anima candida im vollsten Sinne des Wortes, wahr und offen, verläßlich, wohlmeinend und wohlthuend, ein Feind aller krummen Wege und selbstsüchtigen Gedanken“. Ein Schlaganfall, der ihn am Abend des 11. Juni 1888 über einem Buche traf, bereitete ihm am andern Morgen ein sanftes Ende.

Vgl. den Nekrolog von Max Planck in dem Jahresber. ü. d. Fortschr. d. class. Alterthumswissenschaft. LVII. – Biogr. Jahrb. 1888 S. 47 ff. – Nachruf von h. in dem Schw. Merkur (Kronik) Jhrg. 1888. S. 1090.