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Artikel „Zastrow, Leopold von“ von Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 719–720, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Zastrow,_Leopold_von&oldid=- (Version vom 3. November 2024, 12:19 Uhr UTC)
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Zastrow: Leopold Karl Anton von Z., zuletzt landgräflich hessen-casselscher Generallieutenant, Sohn eines kurhannoverschen Oberst und Bruder von Christian und Georg v. Z. (s. oben), war jung in französische Dienste getreten und in diesen zum Capitän aufgerückt als König Friedrich II. ihn als preußischen Vasallen 1745 zurückrief und am 24. October d. J. zum Major im Infanterieregimente Forcade Nr. 23 ernannte, doch soll er schon am 30. September in der Schlacht bei Soor gefochten haben. Bei Beginn des Siebenjährigen Krieges war er Oberstlieutenant, in der Schlacht von Prag am 6. Mai 1757 wurde er verwundet, in der am 5. December d. J. bei Leuthen geschlagenen bildete das von ihm befehligte Regiment v. Geist (Nr. 8) die Spitze der dritten Angriffscolonne. Beim Einmarsche in Böhmen hat Z. am 25. April 1757 nach dem vom Herzoge von Braunschweig-Bevern geführten Journale viel Bravour und Intelligenz an den Tag gelegt, im Mai d. J. erhielt er den Orden pour le mérite, 1759 wurde er Chef des Infanterieregiments Nr. 38, 1760 Generalmajor. Dadurch ward aber seine Stellung als Commandant von Schweidnitz, welche ihm 1758 übertragen worden war, nicht berührt und in dieser beschloß er seine Laufbahn im preußischen Heere in einer wenig erwünschten Weise. Als im September 1761 Butturlin sich von Laudon getrennt und, unter Belassung des Generals Tschernyschew mit einer starken Abtheilung beim österreichischen Heere, die Hauptmasse der Russen nach Polen geführt, Laudon aber eine Aufstellung bei Kunzendorf genommen hatte, verließ König Friedrich am 26. das Lager von Bunzelwitz und ging mit seinem Heere in die Gegend von Münsterberg. Die Behauptung der Festung Schweidnitz blieb dem Commandanten von Z. anvertraut, welchem zu diesem Zwecke eine sowol ihrer Zahl nach allzu geringe, wie in Hinsicht ihrer Beschaffenheit wenig geeignete Besatzung zur Verfügung stand. Laudon lag auf der Lauer sich des Platzes zu bemächtigen. An eine Belagerung konnte er wegen der Nähe des Königs nicht denken; er versuchte es daher mit einer Ueberrumpelung. Und diese führte zum Ziele (Streffleur’s österreichische militärische Zeitschrift, I. Band, Wien 1860). Z. hatte Kunde von den Absichten des Feindes; am Nachmittage des 30. September traf er Sicherheitsmaßregeln gegen einen Ueberfall. In der darauffolgenden Nacht aber fehlte es an der gebotenen Wachsamkeit. Laudon dagegen hatte vorsichtig und geschickt seine Anordnungen getroffen. Leichte Truppen umringten seit dem Abend den Ort von allen Seiten. Kroaten suchten durch einen Scheinangriff die Aufmerksamkeit der Besatzung von den bedrohten Stellen abzulenken; um 3 Uhr früh erfolgte der wirkliche Angriff unter Leitung des Generalwachtmeisters v. Amadei mit 20 österreichischen Bataillonen und 800 russischen Grenadieren (im ganzen 15 000 Mann) in vier mit Leitern und Faschinen versehenen Sturmcolonnen, welche nach kurzem Gefechte sich mehrerer Außenwerke bemächtigten, die preußischen Geschütze gegen die Stadt richteten und dann den Hauptwall erstiegen. In den ersten Morgenstunden war die Einnahme vollendet, die Besatzung, welche sich nach Kräften gewehrt hatte, war kriegsgefangen, es waren 3348 Mann, die Sieger hatten 1600 Mann an Todten und Verwundeten. Das Auffliegen eines Pulverthurmes, in welchen ein preußischer Artillerist Feuer geworfen haben soll, und der Beistand, den 250 in der Festung befindliche österreichische Kriegsgefangene leisteten, hatten das Gelingen begünstigt. Von Z. hieß es, daß er den Tafelfreuden ergeben gewesen sei, in der Sturmnacht einen Ball gegeben und darüber seine Pflicht vernachlässigt und daß er einem jener Kriegsgefangenen, einem Major Roca, zu viel Freiheit gestattet habe; hierdurch sei diesem die Möglichkeit gegeben gewesen, Laudon Mittheilungen zu machen.

[720] Der Bericht, welchen Z. erstattete, veranlaßte den König zunächst ihm keinen Vorwurf zu machen, er schrieb ihm sogar einen tröstenden Brief. Als jener aber, nachdem der Hubertsburger Friede geschlossen war, aus der Gefangenschaft zurückkehrte, wurde unter dem Vorsitze von Zieten ein Kriegsrecht über ihn abgehalten, welches ihn zu einem zweijährigen Festungsarreste verurteilte. Die nämliche Strafe war gegen den Lieutenant v. Irwing vom Dragonerregimente v. Alvensleben verhängt, dessen Nachlässigkeit im Sicherheitsdienste das unbemerkte Nahen des Feindes ermöglicht hatte. Das über Z. gefällte Urtheil war in einer sehr milden Weise begründet; es wurde ihm ein Hauptvorwurf daraus gemacht, daß er nicht auf eine Verstärkung der Garnison angetragen habe. Nachdem er seine Strafe verbüßt hatte, schrieb ihm der König jedoch, daß er ihn nicht beschuldige, daß es aber, nachdem er ein solches Unglück gehabt habe, gefährlich sein würde, ihm ferner einen Posten oder ein Commando anzuvertrauen. Z. bat nun um seinen Abschied, welcher ihm als Generallieutenant bewilligt wurde, trat mit gleichem Range 1766 in landgräflich hessen-casselsche Dienste, in denen zu jener Zeit mehrere Mißvergnügte aus preußischen Landen Aufnahme fanden, und ist zu Cassel 1779 in seinem neunundsechzigsten Lebensjahre gestorben.

O. v. Zastrow, Die Zastrowen, Berlin 1872, S. 123.