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Artikel „Zöllner, Andreas“ von Robert Eitner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 424–426, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Z%C3%B6llner,_Andreas&oldid=- (Version vom 27. November 2024, 04:22 Uhr UTC)
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Zöllner: Andreas (eigentlich Johann Andreas Daniel) Z., der zweite Sohn eines Schlossermeisters Johann Christoph Z. zu Arnstadt, wo er am 8. December 1804 geboren wurde; † am 2. März 1862 zu Meiningen. Ein Nachbar des väterlichen Hauses, der Arnstädter Stadtmusikant, entdeckte die bedeutende musikalische Anlage des Knaben, gab ihm den ersten Unterricht auf der Geige und ließ ihn bald bei seinen Tanzmusiken mitspielen, um so lieber, da der Kleine es „ohne Gage“ that und im elften Jahre schon recht hübsche Tänze componirte. Der Vater gab der Neigung des Sohnes nach und brachte ihn nach Gotha, wo der tüchtige Violinist Bärwolf sein Lehrer wurde. Z. bewohnte ein Stübchen über dem Pferdestalle im Hause eines Oekonomen und war sehr fleißig, oft bis in die Nacht hinein. In Gotha machte er auch Bekanntschaft mit den dichterisch begabten Jünglingen Ludwig Storch und Ludwig Bechstein, besonders mit letzterem schloß er innige Freundschaft, wie er denn zu der größten Anzahl seiner späteren Liedcompositionen Texte von Bechstein gewählt hat. – Andreas Romberg war zu damaliger Zeit Capellmeister in Gotha, er lernte den talentvollen Jüngling kennen und unterrichtete ihn in der Harmonielehre; auch haben die Romberg’schen Compositionen, wie die Glocke, die Sehnsucht, die Macht des Gesanges u. a. entschiedenen Einfluß auf die Richtung gehabt, die Z. nachmals einschlug. Zur Feier des Geburtstages des Herzogs August am 23. November 1820 componirte der sechzehnjährige Tonkünstler einen Festmarsch, dem Spohr, der zur Zeit in Gotha Capellmeister war, eine ehrende Anerkennung zu theil werden ließ. Auch als Violinspieler hatte er solche Fortschritte gemacht, daß er aufgefordert wurde in einem Hofconcerte zu spielen, [425] worauf man ihm eine Stelle an der Hofcapelle anbot, die er aber ausschlug, weil ihn der Theaterunternehmer Gerlach in Erfurt als Musikdirector engagirte. Hier übten die Musiker G. Fischer und Dr. Stöpel auf seine Fortbildung einen entschiedenen Einfluß. Zwei Jahre hielt er „die Hundearbeit“ aus (wie er an einen Freund schrieb) „den oft musikalisch ganz ungebildeten Acteurs und Actricen die Gesänge einzupauken“, dann ging er nach Arnstadt, componirte fleißig und erfreute seine Umgebung mit seiner schönen Tenorstimme. Der Theaterunternehmer Gerlach bewog ihn mit ihm nach Hildburghausen zu gehen, wo Z. in einer Aufführung des Freischütz an der ersten Violine mitwirkte. Der dortige Herzog Friedrich bot ihm eine Stelle in seiner Capelle an, die Z. annahm. Das Gehalt war zwar gering, jedoch das Leben daselbst so anziehend, daß er gern blieb, besonders da der Herzog gegen ihn außerordentlich freundlich war. Charakteristisch für die damaligen Verhältnisse am Hildburghäuser Hof ist eine Anecdote, die Zöllner’s Biograph erzählt: der Herzog sprach einmal gegen Z. sein Bedauern aus, daß er ihm keine Geldzulage geben könne, fügte indessen hinzu „Holz aber sollen Sie so viel erhalten, wie Sie wollen, und sollten es fünfzig Klaftern sein“. Erstaunt fragt Z., was er mit so viel Holz anfangen soll? „Sie können’s ja verkaufen“, entgegnete der Herzog. Dazu konnte sich doch Z. nicht entschließen und es blieb beim Alten. Als das Land nach Herzog Friedrich’s Tode an Meiningen fiel, erhielt Z. 1827 durch Verwendung seines Jugendfreundes Nohr, der daselbst Concertmeister war, eine Anstellung als Violinist in der Meiningenschen Hofcapelle, die er bis an sein Lebensende behielt. 1828 verheirathete er sich mit Emilie Oberländer aus Hildburghausen. Trotz des häuslichen Glückes war das Streben nach Vollendung seiner musikalischen Ausbildung so mächtig, daß er noch in demselben Jahre einen sechsmonatlichen Urlaub nahm und bei dem tüchtigen Theoretiker Umbreit in Rehstädt bei Arnstadt, einem Schüler Kittel’s, der noch Seb. Bach’s Unterricht genossen hatte, contrapunktische Studien machte. Zurückgekehrt gestaltete sich sein Leben in der angenehmsten Weise und es begann die Blüthezeit seiner Liedcompositionen. Im ganzen schuf er über 200 Lieder und größere Gesangsstücke, die im Druck erschienen. Der bei weitem größte Theil derselben, 190, gehört dem Männergesange an, 25 dem gemischten Chore und die übrigen sind Lieder für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte. Manche seiner besten Compositionen wurden fälschlich dem Leipziger Karl Zöllner zugeschrieben; sein Biograph Aug. Wilh. Müller gibt daher ein genaues Verzeichniß seiner Compositionen. Besonders sind es folgende Gesänge, die Karl Zöllner öfter zugeschrieben wurden: Das Gebet der Erde, Das Doppelständchen, Dein Wohl, mein Liebchen, Mein Stern, Streit der Wein- und Wassertrinker, Der Gerichtshof, Die Liebe und einige andere. An größeren Gesangswerken werden genannt: „Felix oder das Jawort“, eine einactige Operette, und „Der Einsiedler“, eine romantische Oper in vier Acten, beide mit Text von Bechstein. Sie wurden in Meiningen aufgeführt, fanden aber keine weitere Verbreitung, während seine Männerchöre in der ganzen civilisirten Welt gesungen werden. Am 10. Januar 1838 gründete er in Meiningen die erste dortige Liedertafel (Berlin war unter Zelter vorangegangen). Um die sich immer mehr vergrößernde Familie zu ernähren, griff er zum Privatunterricht, leitete von 1839–1843 den Gesangsunterricht in der Realschule und war als Musiklehrer im Bernhardt’schen Institute angestellt. Zahlreich waren die Ehrungen, die ihm von allen Seiten her zuflossen. Die praktischste waren zwei Fäßchen 1857er Hochheimer, welche die Gebrüder Walter in Mainz den beiden Autoren des Trinklieds „Rhein und Main“, Müller von der Werra und unserem Z., im J. 1859 übersandten. Das letzte Sängerfest, dem Z. beiwohnte, war der dritte Sängertag in Coburg am 21.–23. Juni 1860. [426] Hier erst machte er die persönliche Bekanntschaft seines Namensbruders Karl Zöllner aus Leipzig. Beide waren während jener Tage unzertrennlich. Karl erzählte unter anderem, daß die Verwechslung am häufigsten „Das Gebet der Erde“ und „Dein Wohl, mein Liebchen!“ betroffen hätte, welche man ihm zu Ehren oft gesungen. In Zöllner’s häuslichen Verhältnissen wechselten Freud und Leid. Seine älteste Tochter kehrte aus Amerika, wo sie ihren Mann, einen jungen Tonkünstler, verloren, mit zwei Kindern ins Vaterhaus zurück; die zweite war mit einem wackeren Landwirthe verlobt. Er selbst litt an der Brust, wiederkehrende Blutstürze griffen seine Gesundheit sehr an, so daß er seinem Lieblingsinstrumente, der Geige, ganz entsagen mußte. Bis acht Tage vor seinem Tode besuchte er noch regelmäßig die Nachmittagsgesellschaft im „Johannes“, wo er stets seine vertrautesten Freunde fand. Charakteristisch ist, was er in diesem Kreise nach der Bestattung eines Bekannten äußerte: „Es ist unrecht, den Grabgesängen so traurige Melodien zu geben. Ich habe mir meinen Grabgesang in ganz anderer Weise componirt. Als Grundzug klingt die Melodie durch: ‚Freut euch des Lebens, weil noch das Lämpchen glüht‘. Man muß die Leidtragenden erheben, trösten und erheitern“. In der That hat sich dieser Grabgesang in seinem Nachlasse vorgefunden. – Am 23. Februar 1862 warf ihn eine Lungenentzündung aufs Lager, von dem er nicht mehr erstand. Nach acht Tagen verschied er Nachts um halb 11 Uhr. Für seine unversorgte Familie erließen seine zahlreichen Freunde einen Aufruf zur Gründung eines Fonds und reichlich flossen die Gaben.

Aus des Lieder-Componisten Andreas Zöllner’s Leben und Streben. Eine Skizze von Aug. Wilh. Müller, Archidiaconus zu Meiningen. Magdeburg 1862, Heinrichshofen. 8°, 64 S. mit einem Verzeichniß seiner Werke.