ADB:Wolkenstein, Veit Freiherr von

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Artikel „Wolkenstein, Veit Freiherr von“ von Hans von Voltelini in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 140–141, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wolkenstein,_Veit_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 10:18 Uhr UTC)
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Wolkenstein: Veit Freiherr von W., war einer der zwölf Söhne des Oswald Freiherrn von Wolkenstein des Jüngeren und Enkel des gleichnamigen Minnesängers. Die Lust nach Abenteuern, welche den Großvater fast durch ganz Europa getrieben hatte, bewog den Enkel, in der Ferne sein Glück zu suchen. Er trat in die Dienste des Erzherzogs Maximilian, als dieser nach dem Tode Karl’s des Kühnen in die Niederlande zog, um die Vermählung mit der ihm verlobten Maria von Burgund zu feiern. W. nahm an den Kämpfen des Erzherzogs gegen die Franzosen und die französischen Parteigänger in den Niederlanden regen Antheil; er focht in der Schlacht bei Guinegate, wo er sich in der Schaar jener Ritter befand, die von den Gegnern anfangs zum Rückzuge nach Aire gezwungen, hernach unter Führung des Philipp von Ravenstein rühmlichen Antheil an der Schlacht nahmen. Diese Dienste errangen W. neben Martin von Polheim schon im J. 1478 die dankbare Anerkennung Kaiser Friedrich’s III. und gewannen ihm die Gunst und das Vertrauen des Erzherzogs und seiner Gemahlin in hohem Grade. Der Erzherzog ernannte ihn zu seinem Rathe und Kämmerer und verlieh ihm bereits im J. 1484 die Lehensexpectanz auf das Schloß Rodeneck in Tirol. Im J. 1486 begleitete W. seinen Herrn zur Königswahl nach Frankfurt und zur Krönung nach Aachen, woselbst er von der Hand des Königs den Ritterschlag empfing. Im nächsten Jahre erscheint er schon in der Stellung eines obersten Feldhauptmannes, die er eine Reihe von Jahren hindurch bekleidete. Wir werden nicht fehlen, wenn wir ihm in dieser Eigenschaft einen hervorragenden Antheil an der großen Reform beilegen, mittelst welcher Maximilian gerade damals das Kriegswesen Deutschlands von Grunde aus umgestaltete, der Schöpfung der Landsknechte. In dem Maße, in welchem sich W. die Gunst seines Herrn errang, traf ihn aber andrerseits die Abneigung der Flandrer. Möglich, daß die mignons des Königs, zu welchen auch W. zählte, ihre Stellung mißbrauchten, möglich daß die Beschuldigungen der flandrischen Stände nur dem Hasse entsprangen, der jedesmal ausländische Günstlinge des Herrschers zu treffen pflegt, es blieb W. der Vorwurf nicht erspart, gleich den übrigen deutschen Günstlingen des Königs seine Stellung ausgebeutet zu haben, um sich in ungerechter Weise zu bereichern, und als im J. 1487 in Brügge der Aufstand gegen Maximilian losbrach, wurde W. nebst den anderen Freunden des Königs verhaftet, vom Könige nach einem rührenden Abschiede getrennt und ins Gefängniß gesteckt, von wo er bald nachher nach Gent gebracht wurde. W. gelang es aber, in kurzem seine Freiheit wieder zu erlangen, er eilte ins Reich, um bei Kaiser und Ständen den Hülfs- und Rachezug nach Flandern zu betreiben und betheiligte sich eifrig am Kampfe gegen die Rebellen. Als kurz nachher der König unter gewissen Bedingungen in Brügge freigelassen wurde, stellte sich W. neben dem Grafen Rudolf von Anhalt als Geisel für den König, wurde aber freilich nach kurzer Zeit wieder freigelassen. Als Lohn für diese Dienste empfing W. im J. 1491, nachdem Maximilian Herr von Tirol geworden war, das Schloß Rodeneck. Im Kriege mit den Franzosen gelang ihm an der Spitze einer vom Erzherzog Sigismund gesandten tirolischen Hülfstruppe durch Einverständniß mit den Bürgern die Einnahme von St. Omer. Bald wurde W. im Reiche eine andere Aufgabe zu theil. Von seinem Großvater hatte er die Beredsamkeit geerbt, die ihn befähigte, als Wortführer seines Herrn auf den Reichstagen eine große Rolle zu spielen. Zuerst hat er 1489 zu Frankfurt im Namen des Königs die Reichsstände zu ausgiebiger Hülfe gegen Frankreich und Ungarn zu bewegen gesucht. Der Krieg mit Frankreich wurde allerdings bald nachher am 22. Juli dieses Jahres durch den Frankfurter Frieden beendigt, bei dessen Abschlusse auch W. zugegen war, in Ungarn aber brachte der Tod des Königs Matthias eine Wendung hervor. Max trat bekanntlich selber als Thronbewerber auf, und der [141] Gesandtschaft, welche im März 1490 zum Wahlreichstage nach Ungarn gesandt wurde, gehörte auch W. an. Die Sendung mißlang, und W. ist nun eifrig mit den Rüstungen zum Kriege gegen die Ungarn beschäftigt. Wieder hat er auf dem Tage des schwäbischen Bundes zu Gmünd und auf dem Ulmer Städtetag die königlichen Propositionen, welche Hülfe zum Ungarnkrieg fordern, vertreten. Inzwischen war durch Vermählung König Karl’s VIII. von Frankreich mit Anna von Bretagne ein neuerlicher Bruch mit Frankreich erfolgt, und es ist nun der Franzosenkrieg, den W. in erster Linie betreiben hilft. Nachdem er auf einigen Versammlungen des schwäbischen Bundes den König vertreten hatte, war es besonders auf dem Reichstage zu Coblenz, wo er im September 1492 in langer schöner Rede, wie die Frankfurter Rathsfreunde berichten, mit beweglichen Worten die Reichsstände aufforderte, die dem deutschen Könige zugefügte Schmach nicht ungerächt zu lassen. Mit dem Könige wohnte er im nächsten Jahre zu Wien dem Leichenbegängnisse Kaiser Friedrich’s III. bei. Auf dem berühmten Frankfurter Reichstage von 1495 entwickelte W. eifrige Thätigkeit, um die Reichsstände zum Kriege gegen Frankreich und zur Unterstützung der italienischen Politik des Königs zu bewegen. Hier hat er sicherlich auch an den vom Könige gemachten Entwürfen wegen des gemeinen Pfennigs mitgewirkt. Auch an der Eröffnung des Reichskammergerichtes war W. betheiligt. Zu Frankfurt im Hause Groß-Braunfels, wo das Kammergericht tagen sollte, hielt er am 31. October 1495 im Beisein des Königs und einer großen Versammlung eine stattliche Rede, in welcher er den Kammerrichter Grafen Eitel Fritz von Zollern ermahnte, an Stelle des Königs nach der Kammergerichtsordnung das Kammergericht zu besetzen und Recht zu sprechen, worauf der König dem Grafen von Zollern mit Ueberreichung des Scepters und Richterstabes die Gerichtsgewalt verlieh und das Personal des Gerichtes beeidet wurde. Fortwährend erhielt sich W. in der Gunst seines Herrn. Mächtige Fürsten, wie Markgraf Albrecht von Brandenburg und Städte wie Frankfurt suchten um seine Vermittelung beim Könige nach. Der König verlieh ihm 1496 Schloß und Herrschaft Yvano im Valsuganathale als Pfandlehen, da W. seinem Herrn in finanziellen Nöthen beigesprungen war, wodurch er allerdings selber in eine üble Lage gekommen zu sein scheint. Seit 1496, wo wir W. noch auf einem schwäbischen Städtetage zu Augsburg treffen, tritt er in den Hintergrund. Zu Ende 1498 oder zu Anfang 1499 (zwischen 11. September 1498 und 20. Januar 1499) ist er in Freiburg im Breisgau vermuthlich auf dem Reichstage gestorben, nachdem er kurz zuvor in den Orden des goldenen Vließes aufgenommen worden sein soll. Zu Freiburg im Chore des Münsters ist er begraben worden. W. war mit Elisabeth von Montfort in kinderloser Ehe vermählt. Rodeneck, das er kurz vor seinem Tode an seinen Bruder Michael gegen Zahlung einer Leibrente überlassen hatte, fiel diesem zu, der später zum kaiserlichen Landhofmeister und Ritter des goldenen Vließes befördert, der eigentliche Stammvater der Linie Wolkenstein-Rodeneck geworden ist.

Jean Molinet, Chroniques publiées par J. A. Buchon. – Ulmann, Kaiser Maximilian I., 1. Band. – Chmel, Monumenta Habsburgica. – Harpprecht, Staatsarchiv des kais. Kammergerichtes II. – Janssen, Frankfurts Reichscorrespondenz II. – Müller, Reichstagstheater. – Klüpfel, Schwäbischer Bund; und andere Quellenwerke über Maximilian I. – Die Maximiliana des k. u. k. Haus-, Hof- und Staatsarchives. – Burgklechner, tirolischer Adler, Band 6 und 8 (Handschrift des Wiener Staatsarchives Nr. 454). – Mayerhofen’s Genealogie (Handschrift des Museums in Innsbruck, gütige Mittheilung des Herrn Custos Conrad Fischnaler). – Wolkensteinische Acten des germanischen Nationalmuseums in Nürnberg (gütige Mittheilung des Herrn Bibliothekars Dr. Fuhse).