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Artikel „Wolff, Jakob“ von Ernst Mummenhoff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 34–37, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wolff,_Jakob&oldid=- (Version vom 28. Dezember 2024, 01:20 Uhr UTC)
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Wolff: Jakob W., Sohn des gleichnamigen Steinmetzen, der im J. 1596 zum Bau des Bogens der von dem berühmten Ingenieur Peter Carl entworfenen und in ihren Grundbauten und dem sog. Bockgestell ausgeführten Fleischbrücke zu Nürnberg, als „kunstreicher Meister“ von Bamberg berufen bis zu seinem Tode im J. 1612 als Stadt- und Werkmeister in reichsstädtischen Diensten stand, wurde vermuthlich Ende der 70er Jahre des 16. Jahrhunderts geboren. Bei dem Bau der Fleischbrücke war er, wie es ganz den Anschein hat, in außerordentlicher Weise mitthätig. Durch seine besondere Tüchtigkeit lenkte er die Aufmerksamkeit des Raths schon bald auf sich. Im J. 1600 hatte dieser durch den Goldschmied Hans Petzold in Erfahrung gebracht, daß Kaiser Rudolf II. einen „Abriß des Schlosses auf der Veste“ begehrt und der junge Steinmetzgesell Jakob Wolff für sich bereits einen Abriß und Plan des Schlosses „sehr artlich und kunstlich“ angefertigt habe. Daraufhin ließ der Rath dem Goldschmied eröffnen, da man nicht wisse, ob kaiserlicher Majestät Begehren proprio motu oder auf Angaben anderer geschehen und wie es damit im Grund bewandt sei, so solle er sich dieser Sachen ferner nicht annehmen, sondern, wenn keine weitere Anregung erfolge, sie auf sich beruhen lassen und wo möglich zusehen, daß sie nicht mehr auf die Bahn gebracht, sondern in Vergessenheit gestellt würden. Dem Losungsschreiber Hieronymus Koler ließ der ältere Rath sagen, er solle dieses Werkes halben in Ruhe stehen, denn es sei ihnen nicht lieb, daß er sich dergleichen angelegen sein lasse, Jakob W. aber wurden Abrisse und Pläne abverlangt und dem Baumeister überwiesen, ihm zugleich auch Schweigen auferlegt. Weiterhin bot ihm aber der Rath für seine Arbeit eine Verehrung von 50 Gulden an und ließ mit ihm verhandeln, ob er sich gegen ein jährliches Dienstgeld auf eine Bestallung dergestalt einlassen wolle, daß er ohne Wissen und Willen des Raths nicht in fremde Dienste treten werde. Er ließ ihm sogar noch sagen, daß er ihm eine Reise in Deutschland oder Welschland nicht wehren wolle, sondern geneigt sei, ihm eine Beihülfe dazu zu geben und sich auch mit ihm seiner Mühe und Arbeit halben an der Brücke und anderen Orten der Gebühr nach zu vergleichen.

Man sieht, daß der Rath den jungen Steinmetzen festhalten wollte, ohne Zweifel, weil die von ihm gefertigten Pläne und Risse eine ungewöhnliche Tüchtigkeit und Geschicklichkeit verriethen, und weil er sich auch in seinen sonstigen Arbeiten als begabten Gesellen bewährt hatte. W. ging auf den Vorschlag der älteren Herren mit Freuden ein. So wurde ihm denn „um weiterer Versuchung und Erfahrung willen“ eine Reise nach Italien erlaubt, ihm eine Reisesteuer bewilligt und im Anschluß daran ihn zu befragen beschlossen, was er zum Reisegeld begehre, wie lange er auszubleiben gedenke und was er, falls man ihn anstellen wolle, als Besoldung beanspruche. Eine Ergötzlichkeit wegen seiner Arbeit an der Fleischbrücke, um die er noch besonders einkam, wurde ihm übrigens nicht gewährt. Die älteren Herrn ließen ihm laut Beschluß vom 7. Mai 1600 eröffnen, er werde sich zu erinnern wissen, was ihm an Dienstgeld, Reisekosten und anderen Verehrungen zuvor beschehen und gütlich bewilligt worden wäre. Man halte dafür, er solle es dabei bewenden lassen und die Herrn mit einem Mehrern verschonen. Wenn es ihm aber nur um ein Dutzend Gulden zu thun wäre, so wolle es der Herr Baumeister auf sich nehmen und bei den älteren Herrn [35] verantworten. An dem oben genannten Tage wurde der Dienstvertrag mit Jakob W. vom Rathe abgeschlossen. Allem Anschein nach wollte dieser das Dienstverhältniß endgültig in aller Form geregelt wissen. Er fürchtete wol, der junge Steinmetz könnte sich in eines anderen Herrn Dienst begeben. Durch diesen Dienstvertrag trat er in die Bestallung ein, obschon er noch kein Meister war. Bürgermeister und Rath gaben ihm darin die Zusage, ihm während seiner Gesellenzeit, „bis so lang er seine Meisterstück machen und ihren Herrlichkeiten als ein Werk- und Stadtmeister an gemeiner ihrer Stadt Gepäuen dienen würde, jährlich 50 Gulden Wartgelds zu geben“. Es wird ihm aber ausdrücklich gestattet, sich noch ein oder zwei Jahre an auswärtige Orte zu begeben und in deutschen und welschen Landen der Gebäude halben etwas Mehreres zu sehen und zu erfahren. Für jedes Jahr erhält er „zur Steuer am Raiskosten“ 40 Gulden. Wenn er nach zwei Jahren zurückkehrt und seine Meisterstücke gemacht hat, soll er als angehender Werk- und Stadtmeister dieselbe Besoldung und Unterhaltung genießen, wie sein Vater, ob dieser noch am Leben oder nicht. Er selbst aber verpflichtet sich, vom Tage des Vertrags an bei keiner anderen Herrschaft in Dienst und Bestallung zu treten, sondern allein Bürgermeister und Rath der Stadt Nürnberg zu dienen.

Ein Vertrag mit so außerordentlich günstigen Bedingungen läßt am besten erkennen, wie hoch man die Fähigkeiten des jungen Künstlers schätzte, wie viel man sich von ihm für die Zukunft versprach. Schon als Gesellen, der erst seine Wanderung antreten will, suchte sich ihn die Stadt für ihren Dienst zu fesseln und auf jeden Fall es zu verhindern, daß er sich einem fremden Herrn verpflichte. Fünf Jahre scheint sich der junge W. auf seiner Wanderung durch Deutschland und Italien weiter ausgebildet zu haben. Erst 1605 erscheint er als Stadtwerkmeister in der ihm vertragsmäßig zugesicherten Stellung.

Aber nicht allein die Nürnberger Bauten nahmen den jungen Baumeister in Anspruch, sein Ruf als hervorragender Architekt war bald weit und breit gedrungen, überall suchte man sich seines Raths und seiner Hülfe zu Bauplänen und Bauten zu versichern. Zu Anfang des Jahres 1608 weilte er mit seinem Vater acht Tage am Hofe Markgraf Christian’s von Brandenburg, um ihm wegen der in Aussicht genommenen Bauten zu rathen. Der Rath setzt aber die Bedingung, daß sie zu rechter Zeit sich wieder einstellen. Im März des gleichen Jahres finden wir beide acht Tage bei Graf Wolf Jakob von Schwarzenberg, um ihm zu seinem Schloßbau mit ihrem Rath zu dienen, sie hatten aber vorher versprechen müssen, „sich zu diesem Bau nicht bestellen zu lassen“. Im März reist der junge W. abermals auf zwei Tage dahin, ebenso im Juli 1609. Im August begehrte ihn Adam Werdensteiner im Auftrag des Bischofs von Eichstädt auf einige Tage nach Eichstädt. Aber der Rat ließ ihn ein Concept zu einem Brief aufsetzen, daß er wegen vielfacher Arbeit, die keinen Verzug leide, nicht abkömmlich sei; er besorge daher, daß er die Erlaubniß zur Abreise nicht bekommen werde. In einigen Wochen aber hoffe er abkommen zu können. 1611 erhielt er Urlaub an den bischöflichen Hof zu Eichstädt, zugleich aber auch ein Schreiben an den Bischof, er möge ihn nicht zu lange aufhalten, da man seiner bei den Stadtbauten nicht entrathen könne. Auf Bitte des Raths zu Schwabach besichtigte er dort im J. 1610 eine Schlagbrücke. Etwas später überließ man ihn auf einige Tage Hans Adam von Wolfstein zur Besichtigung eines Baus. Anstatt des Meisters Peter Carl, den sich der Administrator der Pfalz erbeten, der aber wegen eines Grund- und Wasserbaus am Spital nicht abkömmlich war, sandte der Rath im August 1610 vorläufig W. nach Heidelberg. Im Mai 1611 durfte er dem Freiherrn Heinrich Hermann zu Burk, Mulching und Wilhelmsdorf auf zwei Tage zu seinen in Aussicht genommenen Bauten rathen. [36] Aber den Freiherrn ließ man wissen, er möge ihn nicht über die Zeit aufhalten, „dann meine Herren seiner zu gemeiner Stadt Gepeuen dieser Zeit nicht entrathen können“, unserm Baumeister aber wurde bedeutet, wenn er die Zeit nicht einhalte, so werde man ihm ein anderes Mal die Erlaubniß nicht mehr geben.

Zu Ausarbeitung von Plänen zu den Bauten Markgraf Christian’s in Frauenaurach erhielt er im Frühjahr 1616 vier Tage Urlaub, aber auf keinen Fall solle er länger ausbleiben bei Strafe des Thurms. Zugleich wurden der Hauptmann und Räthe in Neustadt verständigt, daß man ihm wegen der Stadtbauten keinen längeren Urlaub ertheilen könne.

Aus allem geht hervor, daß der Ruf von der hervorragenden Tüchtigkeit unseres Baumeisters weit über die Mauern Nürnbergs hinausgedrungen war. Man schätzte seinen Rath und seine Dienste an den Residenzen der Fürsten und Bischöfe und sonst. Der Rath zu Nürnberg aber wußte am besten, welch’ auserlesene Kraft er in diesem Baumeister besaß, und nur ungern entsprach er deßhalb den stets wiederkehrenden Wünschen hoher Persönlichkeiten, die sich des Beistandes J. Wolff’s zu ihren Bauten versichern wollten. In Nürnberg, wo er bis zu seinem Tode als Stadt- und Werkmeister thätig war, leitete er die sämmtlichen Bauten. Seine bedeutendsten Werke sind der Basteibau am Wöhrderthor, den er 1613 und 1614 nach den Plänen des Kriegsingenieurs Meinhard von Schönberg ausführte, die Baumeisterwohnung auf der Peunt vom Jahre 1615 und das neue in den Jahren 1616–1622 erbaute Rathhaus, dessen Bau er bis zum Jahre 1619 leitete. Das Rathhaus ist sein bedeutendstes Werk. Es zeigt italienische Einflüsse, besonders der Hof, der als eine sehr bedeutende, wenn auch nichts originell Nürnbergisches aufweisende Leistung bezeichnet wird. In der Architektur des Nürnbergischen Rathhauses sollen sich insbesondere Palladianische Einflüsse bemerkbar machen. Auf jeden Fall aber dürfen wir ein früher abgegebenes Urtheil in seinem ganzen Umfang aufrechterhalten. „Ohne Zweifel zeigt sich das Rathaus vom Stil der italienischen Renaissance stark beeinflußt. Die Portale und Fenster mit ihren Giebeln, der bossenartige Ausbau der Ecke, die das Gebäude krönende Galerie, die geräumige Halle und der wirkungsvolle Hof mit den großen Rundfenstern, zwischen denen sich Pilaster erheben, während unter ihnen Balustraden sich hinziehen, dieses und anderes weist auf einen Baumeister hin, der mit den Formen und dem Geiste der italienischen Renaissance wol vertraut war. Aber andererseits sind die Verhältnisse nicht von jener Schlankheit und Leichtigkeit, die wir an den italienischen Bauten bewundern und bei aller Schönheit der Formen sind diese doch von einer gewissen Derbheit, die vielleicht auf die Beschaffenheit des Materials; vielleicht auf die Auffassung des Baumeisters, vielleicht auf beides zurückzuführen ist“.

Das Nürnberger Rathhaus wurde bis vor kurzem als ein Werk des Nürnberger Rathsherrn und Rathsbaumeisters Eustachius Karl Holzschuher angesprochen. Aber ganz abgesehen davon, daß zu jener Zeit Patricier nicht als Architekten, die den ganzen Weg vom Lehrjungen bis zum Steinmetzen und Meister durchzumachen hatten, sich ausbildeten, daß fernerhin Eustachius Karl Holzschuher nicht der technische Leiter des städtischen Bauamts, sondern nur Verwaltungsbeamter war, der den Connex zwischen dem Amt und dem Rath zu unterhalten hatte, die gleichzeitige Starkische Chronik liefert den unwidersprechlichen Beweis, daß Jakob W. für das Rathhaus die Pläne lieferte und die ganze Leitung des Baues führte, bis er 1619 in seiner Krankheit von seinem Bruder Hans W. abgelöst wurde. Bei Stark heißt es ausdrücklich zum 20. Mai 1619, daß er, Steinmetz und vornehmster kunstreicher Stadtmeister, das neue Rathhaus mit allen Stuben und Gemächern entworfen und abgerissen und mit seinem Bruder [37] Hans von schönen, weißen Steinen zum Theil aufgeführt habe, sodaß man in etlichen Stuben wohnen und die vorfallenden Händel verrichten könne. Er sei aber als Rathsbaumeister abgesetzt und seinem Bruder Hans der Steinmetz und Meister auf dem Pflaster Nikolaus Teufel zugeordnet worden. Als Ursache dieser „Enturlaubung“ wird bezeichnet, daß er sich täglich bezecht, der Arbeit nicht recht gewartet und vermeint habe, er könne nichts recht anordnen und verrichten, wenn er sich nicht einen guten Rausch getrunken. So sei er aber, wenn die deputirten Herrn Aediles des großen, schweren Baues am Rathhaus halben Rathschläge gehalten und seines Vorschlags und Bedenkens bedurft, entweder nirgend zu finden oder doch nicht nüchtern gewesen, sodaß er keinen rechten, nützlichen Vorschlag habe geben können. Auch wurde ihm nachgesagt, daß er das Stückgeld für die Steinmetzen eingenommen, ihnen aber nur den Tagelohn gegeben, das übrige aber, was wöchentlich viele Gulden ausgemacht, jenen entzogen und zu seinem eigenen Nutzen verwendet habe. „Weil man aber“, fährt Hans Stark fort, „seiner als eines verständigen und wohlerfahrenen Werkmeisters zu solchem Bau bedurfte, ist er, Jakob, wieder angenommen, aber ihm das Zechen und die Wirthshäuser verboten und alle Tage ein Maß Wein zu reichen versprochen worden, darbei er verblieben“.

Der Mann, den man zuerst mit Schimpf und Schande entließ, dann aber wieder anstellte, weil man ihn nicht entbehren mochte, war ohne Zweifel damals der beste Baumeister, den die Stadt Nürnberg aufzuweisen hatte. Auch sonst weist noch manches darauf hin, daß der Rathhausbau sein Werk war. Erwähnt sei in dieser Beziehung nur an die hübsche Handzeichnung der Rathhaushalle vom mittleren Durchgang aus gesehen, welche von ihm selbst herrührend, folgende Unterschrift trägt: „Von dem Pflaster hinein das Gewelb zum Rathhaus allhier zu Nürnberg anzusehen von M. Jacob Wolffen, meim Schwager, Steinmetzen, so das Rathhaus allhier gebauet Ao. 1619. Ist mir von ihm verehrt worden“. Leider war ihm damals nur noch eine kurze Frist zu leben vergönnt. Er starb wol so bald infolge des unordentlichen und ausschweifenden Lebenswandels, den er geführt hatte. Das Totenbuch enthält unterm 25. Februar 1620 den Eintrag: „Der ersam und kunstreich Jacob Wolff, Steinmetz und Stattmeister auf dem Lorenzer Platz“.

E. Mummenhoff, das Rathhaus zu Nürnberg. Nürnberg 1891.