ADB:Wolfensberger, Johann Jakob

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Artikel „Wolfensberger, Johann Jakob“ von Carl Brun in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 4–6, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wolfensberger,_Johann_Jakob&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 00:23 Uhr UTC)
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Wolfensberger: Johann Jakob W., Landschaftsmaler, geboren am 20. Februar 1797 in Rumlikon im Kanton Zürich, † in Zürich am 15. Mai 1850. Die Kindheit Wolfensberger’s und seine frühesten Erinnerungen fielen in die Franzosenzeit. Auf dem Bauernhofe der Eltern aufgewachsen, hing W. mit besonderer Liebe an seiner Mutter, die redlich bestrebt war, dem Sohne die lästige Feldarbeit abzunehmen. Da die kleinlichen Verhältnisse auf dem Lande ihm überhaupt mißfielen, ergriff er die erste beste Gelegenheit, die sich ihm in Zürich bot, freudig beim Schopfe. Lange schon waren künstlerische Neigungen wach in ihm, der bereits als Jüngling, wie seine Gattin erzählt, in der Betrachtung der Schönheiten der Natur sich selbst und seine Sorgen und Hoffnungen vergessen konnte. So mußte er es als Glück empfinden, als Colorist in der Füßli’schen Kunsthandlung eine Anstellung zu bekommen, war ihm doch damit die Aussicht eröffnet, in freiem Studium die technischen Mittel sich anzueignen, die ihn später in den Stand setzten, als künstlerischer Interpret der Herrlichkeiten dieser Welt sein gutes Auskommen zu finden. Nach dreijährigem Aufenthalte in Zürich trat W. im August 1817 die Italienfahrt an auf Kosten des Zürcher Landschaftsmalers Wilhelm Huber, der damals als vielbeschäftigter Vedutenmaler in Neapel weilte und W. als Gehülfen sich verschrieben hatte. Die Reise [5] ging über Mailand und Genua nach Neapel, woselbst das Schiff, auf dem W. sich befand, eine Woche in Quarantäne gehalten wurde. W. war, als er zu Huber kam, noch durchaus Anfänger. Er konnte viel bei ihm lernen und machte in der That schnelle Fortschritte. Er kam jedoch mit Huber nicht aus. Nachdem er mit ihm eine sechswöchentliche Studienreise nach Amalfi unternommen hatte und von seinem Meister hierauf nach Neapel zurückgeschickt worden war, um einige angefangene Arbeiten zu vollenden, regte sich in W. plötzlich der Wunsch, auf eigenen Füßen zu stehen. Dem Gedanken folgte die Ausführung des Gedankens. W., der sich noch kurz zuvor den getreuen Lehrjungen Huber’s genannt hatte, war, als dieser nach Hause kam, verschwunden. Weder Drohungen noch gute Worte konnten ihn bewegen, zum Lehrer zurückzukehren, W., nunmehr gänzlich auf sich gestellt, fand bald hohe Gönner, unter anderen den Herzog von Berwick, König Franz von Neapel und den berühmten französischen Schlachtenmaler Horace Vernet, der ihm besonders wohl wollte. 1821 treffen wir W. in Sicilien, sodann in Rom; dort wie hier (1825–1829) faßte er die classischen Punkte ins Auge, um derentwillen der Fremde Italien zu besuchen pflegt. Vorübergehend (1829) suchte er die Schweizer Heimath auf; schon 1830 war er jedoch wieder in Rom. Die Sehnsucht nach Griechenland, nach der unverfälschten Kunst von Alt-Hellas ließ ihm keine Ruhe. Er durfte sie 1832 befriedigen. Nun boten sich dem entzückten Auge des Künstlers die reinen Linien der ionischen Inseln dar. W. sah Athen und die Akropolis, Olympia, Delphi, das uralte Mykene, Sunium, Akrokorinth und Ithaka. Ueberall war er mit Stift und Farben thätig; erst jetzt wurde er der bedeutende Aquarellmaler, als den wir ihn hoch schätzen. König Otto interessirte sich für ihn und die Gesandten Frankreichs und Oesterreichs beehrten ihn mit ihren Aufträgen. Drei Jahre lange weilte W. in Athen, dann ging er nach Kleinasien hinüber. Er sah sich Constantinopel, Smyrna und Troja an. Seine Schöpfungen aus der griechischen Periode sind wol seine bedeutendsten Leistungen; denn dem, was er später, auf Grund seiner Studien, in Zürich ausführte, fehlte die Unmittelbarkeit der Anschauung. 1835 kehrte W. über Malta und Messina nach Neapel zurück, nun besonders in Pästum und Pompeji Studien sammelnd, 1838 wandte er sich endgültig wieder dem Vaterlande zu. Er ließ sich in Zürich nieder, von wo aus er hie und da Reisen unternahm nach Wien, Paris (1839) und London (1840), in welch’ letzterer Stadt er 1841 eine Reihe von Handzeichnungen in einem von Fischer veröffentlichten Werke über Griechenland und Italien herausgab. Die Engländer J. Sands und R. Brandard stachen die Blätter Wolfensberger’s in Kupfer. Von London brachte er 1842 auch eine Frau heim. Die letzten Jahre seines Lebens verliefen ruhig. Er betheiligte sich 1827, 1833, 1846 bis 1849 an den von der Künstlergesellschaft in Zürich veranstalteten Ausstellungen, um seinen Mitbürgern die Resultate seiner Studien vorzuweisen. 1847 begab er sich zum letzten Mal nach Neapel, und so durfte er sich mit Fug und Recht bis ans Ende mit Odysseus πολύτροπον nennen. Auch von ihm kann man sagen: πολλῶν δ’ ἀνθρώπων ἴδεν ἄστεα, καὶ νόον ἔγνω.“

Die große Mehrzahl der von W. meistens in Aquarell ausgeführten Bilder befindet sich wol in Privatbesitz im Auslande. Durch seine ebenfalls künstlerisch veranlagte Frau hatte er besonders mit England intime Beziehungen geknüpft. Für den Verfasser der griechischen Geschichte G. Grote malte er „die Ebene von Troja“, für seinen Freund Jos. Parkes das „Forum romanum“, den „Theseus- und Jupitertempel zu Athen“. In Zürich besitzen Gemälde von W.: Martin Bodmer (Ansicht von Subiaco und Amalfi); der † Dr. Meyer-Ochsner (Vestatempel bei Tivoli); Zeller-Füßli (Sibyllentempel bei Tivoli); F. Zimmermann in Winterthur (Akropolis). Allgemein zugänglich sind die Werke Wolfensberger’s [6] in den öffentlichen Sammlungen Zürichs. In der Kupferstichsammlung des eidgenössischen Polytechnikums ist der Meister mit fünf Blättern vertreten: 1. 2. „Der Aventin in Rom mit der Peterskuppel im Hintergrunde“ (1828); „Die Akropolis in Athen“; Aquarelle. 3–4. „Auf dem Monte Palatin in Rom“; „Bei der Akropolis in Athen“, Bleistiftzeichnungen. 5. „Bach im Walde“. Sepiazeichnung. Die Stadtbibliothek besitzt eingerahmt ein Hauptwerk: „Das Parthenon auf der Akropolis“. Auch die Mappen des Künstlerguts enthalten einige Aquarelle Wolfensberger’s, es seien genannt: „Tempel zu Paestum“ (O. 11); „Bei Subiaco“ (O. 15.); „Ruinen eines Aquäduct“ (O. 17.); „Wasserfall bei Tivoli“ (R. 28). Im Figurenzeichnen war W. schwach, wo Figuren bei ihm vorkommen, wirken sie eher störend, es sei denn, daß Horace Vernet ihm seinen Griffel lieh, wie auf dem einzigen im Künstlergute ausgestellten Aquarell von 1832: „Rom von der Villa Mattei aus gesehen“ (Nr. 260 im Verzeichnisse der bedeutenderen Kunstwerke im Künstlergut zu Zürich von 1893).

Nagler’s Künstler-Lex. XXII, 58. – Neujahrsblätter der Zürcher Künstlergesellschaft von 1854 und 1885.