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Artikel „Woeste, Friedrich“ von Edward Schröder in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 706–707, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Woeste,_Friedrich&oldid=- (Version vom 26. November 2024, 18:13 Uhr UTC)
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Woeste: Friedrich W., Germanist, wurde am 15. Februar 1807 zu Hemer in der Grafschaft Mark als das älteste von acht Kindern eines evangelischen Schullehrers geboren, erhielt nach kurzem Besuch des Elberfelder Gymnasiums seine weitere Ausbildung als Hausschüler der Franckischen Stiftungen (1822–1826) und studirte gleichfalls in Halle bis 1829 Theologie, wesentlich von der philologischen Seite der Wissenschaft angezogen. Nach dem Abschluß seines Studiums hat er zunächst an einer Privatschule seines Heimathortes Unterricht gegeben und sich auch, nachdem er in Münster 1832 die licentia concionandi erworben hatte, niemals um ein geistliches Amt bemüht, da seiner rationalistischen Richtung die pastorale Wirksamkeit in der Landeskirche widerstrebte. Er ist vielmehr mit kurzen Unterbrechungen, die eine Hauslehrerstelle in Altena (1838/39) und eine Stellvertretung an der höheren Bürgerschule zu Iserlohn (1849/50) brachten, Privatlehrer geblieben bis an sein Lebensende: in Iserlohn, wo er seit 1839 sein bescheidenes Auskommen, besonders als Lehrer und gelegentlicher Dolmetsch der neueren Sprachen gefunden hatte, ist er am 7. Januar 1878 gestorben.

Die erste Anregung, der heimischen Mundart Beachtung zu schenken, hat W. schon in Halle aus den Schriften Radlof’s erhalten. Später haben ihm Firmenich’s „Völkerstimmen“ und vor allem J. Grimm’s „Mythologie“ lebhaftere Stimmung geweckt und den Weg der Interessen gewiesen, welche fortan seine Mußestunden ausfüllten. Von intimster Heimathskunde und zugleich von sicherem wissenschaftlichen Tact legten die „Volksüberlieferungen in der Grafschaft Mark nebst einem Glossar“ (Iserlohn 1848) Zeugniß ab. Ihr Erscheinen fiel in eine Zeit, welche der Aufnahme und Verbreitung seiner Interessen in Westfalen wenig günstig war, aber sie erwarben W. die warme Anerkennung J. Grimm’s und den freundschaftlichen Verkehr mit Adalbert Kuhn, für dessen „Westfälische Sagen und Märchen“ er eifrig beisteuerte, und sie erschlossen ihm die Mitarbeit [707] an der Berliner „Germania“, an der „Zeitschrift für vergleich. Sprachforschung“, an der „Zeitschr. f. deutsche Mythologie und Sittenkunde“ und der „Zeitschrift für deutsche Mundarten“. Insbesondere seine Abhandlungen über die Vocale und Konsonanten der süderländischen Mundart in Bd. 2 (S. 81–101, 190 bis 209) und Bd. 4 (S. 131–138, 175–189) der Kuhn’schen Zeitschrift begründeten seinen Ruf auch als Sprachforscher, und Jacob Grimm selbst war es, der seine „genauen und scharfsinnigen Forschungen“ denen Schmeller’s an die Seite stellte und ihn aufforderte, „ein Westfälisches Wörterbuch zur Hauptsache seines Lebens zu machen“.

Mehr und mehr trat denn auch diese Aufgabe in den Mittelpunkt von Woeste’s Sammelarbeit. Sein anziehendes Büchlein „Iserlohn und Umgegend. Beiträge zur Ortsnamendeutung, Ortsgeschichte und Sagenkunde“ (Iserlohn 1871) und was er in den letzten zwei Jahrzehnten seines Lebens zu philologischen und historischen Zeitschriften („Zeitschr. f. deutsche Philologie“, „Jahrbuch“ und „Correspondenzblatt“ des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung, „Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins“) beigesteuert hat, zahlreiche Aufsätze und Aufsätzchen, die sich fast durchweg durch Akribie und Selbstbescheidung auszeichnen, alles läßt sich als Vorfrucht und Seitentrieb seines Lebenswerkes ansehen. Dieses selbst zum Druck zu bringen ist dem Unermüdlichen nicht mehr beschieden gewesen: genau nach dem Manuscript, aber leider ohne einen Vorbericht des Autors hat es dann A. Lübben als „Wörterbuch der Westfälischen Mundart“ (Norden und Leipzig 1882) herausgegeben. Mit dem „Bayrischen Wörterbuch“, das J. Grimm dem bescheidenen Sammler als zu erreichendes, ja zu übertreffendes Vorbild hingestellt hatte, läßt sich der gehaltvolle, aber wenig umfangreiche Band (330 S.) nicht vergleichen. Es ist eben in erster Linie ein Idiotikon des märkischen Dialektes, die übrigen Mundarten Westfalens sind nur zur Ergänzung herangezogen, das Münsterländische und das Ravensbergische erscheinen am wenigsten berücksichtigt. Der Iserlohner Heimathsdialekt aber, in dem W. aufgewachsen und der ihm durch ein langes Leben auf der Scholle vertraut war, wie kaum jemals einem Mundartenforscher der seinige, ist in nahezu erschöpfender Vollständigkeit und mit höchst lebensvollem Belegmaterial dargestellt, sodaß man sich wünschen möchte, es wären jene mehr zufälligen Ergänzungen, wie auch die Belege aus älteren Urkunden und Schriftwerken ganz fortgeblieben. Der Quellenwerth würde durch eine solche Einheitlichkeit ein größerer und für alle Zukunft unantastbar sein. Aber auch so wie es ist wird Woeste’s „Wörterbuch“, eines der letzten die aus der unmittelbaren Anregung J. Grimm’s hervorgegangen sind, stets einen ehrenvollen Platz in der Lexikographie der deutschen Mundarten behaupten.

W. Cornelius in der Zeitschr. d. Bergischen Geschichts-Vereins 15 (1879), 1–18. – K. Koppmann im Jahrb. d. Ver. f. niederdeutsche Sprachforschung 3, 165–169.