ADB:Westphal, Johann Heinrich
[WS 1] 1794 zu Schwerin, † im September 1831 auf der Insel Sicilien. Von seinem selbst schriftstellerisch thätigen Vater, dem geachteten Schweriner Bürgerschullehrer J. J. H. W., gut vorgebildet, besuchte der Sohn das Gymnasium seiner Vaterstadt, schloß sich aber 1813 dem Lützow’schen Freicorps an und machte mit demselben die Kämpfe in Mecklenburg und Dänemark, im folgenden Jahre die theilweise blutigeren Streifzüge gegen die Aufständischen in den Ardennen mit. Zum Officier befördert, trat er zu den neu errichteten Truppen des Münsterlandes über und kämpfte als deren Lieutenant bei Ligny tapfer mit. Nach dem endgültigen Friedensschlusse wurden die Studien wieder aufgenommen, und W. ging nach Göttingen, wo er 1817 mit einer geschichtlich-kritischen Schrift über das Kräfteparallelogramm („Demonstrationum compositionis virium expositio de iisque judicium“, Göttgn. 1817) den Doctorgrad erwarb. Eine gewisse Unstetigkeit seines Wesens ließ den tüchtigen, gelehrten Mann von da ab nicht mehr zur rechten Ruhe gelangen. Zunächst zwar nahm er eine Lehrstelle am Hundeycker’schen Erziehungsinstitute in Vechelde an, aber schon nach Jahresfrist sehen wir ihn am Gymnasium von Danzig als Professor der Mathematik thätig, in welcher Stellung er jedoch auch nur drei Jahre verblieb. Hierauf privatisirte er einige Zeit in Stettin, hielt seinen Mitbürgern gerne gehörte Vorträge über Astronomie und bereitete sich zu den Reisen vor, welche er nunmehr zu unternehmen gedachte. Unterhandlungen mit verschiedenen Hochschulen zerschlugen sich, und so ging er 1822 zuerst nach Aegypten. Im folgenden Jahre ließ er sich als Privatgelehrter in Neapel nieder und begann nun allseitig die Halbinsel zu durchstreifen, wie er denn auch die Insel Sicilien nicht weniger denn fünfmal besuchte. 1830 war er zum zweiten Male am Nil, dessen Ufern entlang er bis Nubien vordrang. Er glaubte sich durch Gewöhnung an das subtropische Klima und durch eine felsenfeste Gesundheit gegen die Gefahren und Mühen des Reiselebens gefeit, allein leider hatte er seine Kräfte überschätzt. An einem furchtbar heißen Tage überraschte ihn auf dem Wege von Syrakus nach Termini eine heftige Kolik, und todesmatt sank er vom Maulthiere, dessen Treiber nach dem letztgenannten Orte eilte, um Hilfe herbeizuholen. Dieselbe kam zu spät, man fand nur noch eine Leiche vor, und einsam ruht der deutsche Gelehrte auf dem Kirchhofe von Termini. Nicht einmal der genaue Todestag ist bekannt.
Westphal: Johann Heinrich W., Astronom, geboren am 31. JuniAls Schriftsteller ist W. sehr thätig gewesen, namentlich während seines Danziger Aufenthaltes. Er gab dort ein Bändchen „Naturwissenschaftliche Abhandlungen“ (1821, zugleich 2. Heft der „Neuen Schriften“ der „Naturforschenden Gesellschaft“) heraus, in welchem seine Untersuchungen über veränderliche Sterne, über die Abschätzung von Sterngrößen (durch Vergleich) und über das Danziger Klima (für welches eine besonders langjährige Beobachtungsreihe vorlag) enthalten sind. Bode’s Astronomisches Jahrbuch brachte von ihm unterschiedliche Beobachtungen und Berechnungen, sowie (1827) einen Aufsatz über die Berichtigung der Theilung eines Sextanten; anderes dergleichen ist in Bohnenberger-v. Lindenau’s „Zeitschrift für Astronomie und verwandte Wissenschaften“ enthalten. Aus der Danzig-Schweriner Zeit stammen auch mehrere selbständige Schriften: die von Gauß mit einer Vorrede versehene Uebersetzung [203] der „Lezioni elementari di astronomia“ von Piazzi (2 Bände, Berlin 1822), die Astrognosie (ebd. 1822), die Logarithmentafeln (Königsberg 1822) und die Lebensbeschreibungen der beiden westpreußischen Astronomen Hevelius (Danzig 1821) und Coppernicus (Konstanz 1822). Von ihnen ist namentlich die Hevelbiographie sehr verdienstlich, weil sie mit großer Schärfe und Sachkenntniß den Inhalt der vielen und voluminösen Werke des Danziger Patriciers auf kleinem Raum darstellt; daß W. mitunter allzu kritisch vorging und mehr als nöthig den Maßstab seines Jahrhunderts anlegte, soll dabei nicht geleugnet werden.
Nach Italien übergesiedelt, wandte sich W. einer wesentlich anderen litterarischen Beschäftigung zu. Es wird berichtet, daß er von der Berliner Gesellschaft für Erdkunde eine Unterstützung bezogen und sich exacte geographische Beobachtungen zum Hauptziele gesetzt habe; Instrumente wie Prismenkreis, Barometer u. s. w. hätten ihn auf allen seinen Fahrten begleitet. Wenn sich dies wirklich so verhält, so ist lebhaft zu bedauern, daß die Resultate seiner Aufnahmen großentheils verschollen sind. Immerhin leistete er tüchtiges auf dem Gebiete topographischer Studien, auf welches die nachstehend verzeichneten Publicationen entfallen: „Urbis antiquae Tarquiniorum topographia“ (Rom 1827); „Carta topografica della parte più interessante della Campagna di Roma“ (ebd. 1827; durch Moltke’s Aufnahmen theilweise überholt); „Carta dei contorni di Napoli“ (ebd. 1829). Ein selbständiges Reisewerk, welches W. unter dem gerne geführten Pseudonym „Justus Tommasini“ herausgab („Spatziergang durch Calabrien und Apulien“, Konstanz 1828), ist dagegen rein touristischen Inhaltes und entbehrt, obwol es eine sehr angenehme Lectüre darbietet, der eigentlich wissenschaftlichen Bedeutung.