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Artikel „Weitbrecht, Georg Konrad“ von August Wintterlin in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 620–622, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Weitbrecht,_Georg_Konrad&oldid=- (Version vom 26. November 2024, 21:53 Uhr UTC)
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Weitbrecht: Georg Konrad W., Bildhauer, geboren am 24. Mai 1796 in Ernsbach a. K., OA. Oehringen, † am 15. Juli 1836 in Stuttgart, bethätigte als Sohn eines Hutmachers seinen Kunsttrieb zuerst an den Filzabfällen in der Werkstatt seines Vaters, aus denen er allerlei Figuren ausschnitt. Der aus dem Leben des Malers Eberhard Wächter bekannte Kunstfreund Freih. Karl v. Uxkull-Gyllenband lernte den Knaben in dem von Gemmingen’schen Dorfe Bonfeld, OA. Heilbronn, wohin der Vater übergesiedelt war, kennen, nahm ihn zu sich nach Stuttgart und ließ denselben nach Ablauf der Schulzeit, da er Maler werden wollte, in den Jahren 1813–14 in die Privatkunstschule von Dannecker gehen. Nach Wächter’s Vorschlag sandte er ihn im J. 1815 auf die Kunstakademie nach Mailand und im J. 1816 auf die von Florenz. Als es aber mit der Malerei bei dem jungen Manne nicht recht vorwärts gehen wollte, brachte ihn sein Gönner zu einem Freunde, Silberwaarenfabrikant Peter Bruckmann in Heilbronn, der, selbst ein tüchtiger Medailleur, den begabten und fleißigen Zögling in kurzer Zeit zu einem geschickten Graveur heranbildete. W. half seinem Lehrherrn den Uebergang der Fabrik aus Rokoko und Zopf zum classicistischen Stile vollziehen. Auch in der Familie des geist- und gemüthvollen Mannes fand er freundliche Aufnahme und zeichnete die Bruckmann’schen Kinder, an deren Spielen der stille und harmlose Geselle fröhlichen Antheil nahm, in allerlei Situationen ihres munteren Treibens. Hieran erwachte in ihm ein mächtiger Trieb zu realistischen Darstellungen, wie sie damals in den Akademien nicht gepflegt wurden; bald brachte sein fleißiger Stift auch von der Straße, vom Feld und aus den Weinbergen Gestalten und Gruppen des wirklichen Lebens in treuester Nachbildung nach Hause. Alle diese Zeichnungen aber trugen mehr einen plastischen, reliefartigen, als einen malerischen Zug an sich, was auch seinen Aufgaben in der Fabrik entsprach, wo mythologische Figuren in halberhabener Arbeit von Stahlstempeln abgeschlagen und auf die Körper von Pokalen, Cassetten u. dgl. aufgesetzt wurden. Eine frühe Heirath mit der mittellosen Schwester eines Freundes, Marie Zimmermann aus Fulda (1821), ließ W. eine Verbesserung seiner äußeren Lage wünschen und hierzu bot ihm der Präsident des württembergischen Bergrathes, Geh. Rath Freih. v. Kerner, ein Bruder des Dichters Justinus Kerner, die Hand. Er empfahl ihn als Künstler für das k. Hüttenwerk Wasseralfingen, dessen Gießerei gleichfalls noch den Uebergang zum Classicismus zu machen hatte. Im J. 1824 dort angekommen, vollzog der thätige junge Mann binnen Jahresfrist diesen Wechsel als Erfinder und Modelleur von allerlei Gußwaaren, namentlich von eisernen Oefen, die sich rasch der Gunst der Kundschaft erfreuten; er erhielt im J. 1825 eine feste Anstellung und Beamtenrang mit dem Titel eines k. Formereiinspectors. Dieses Amt ließ ihm jedoch Zeit genug zu freierer Kunstthätigkeit. W. zeichnete das bewegte Leben und Treiben der Bergleute und Eisengießer nach der Natur und machte die Zeichnung [621] zu einem Friese, der die ganze Arbeit auf dem Hüttenwerke in ihren verschiedenen Zweigen vorführt. König Wilhelm I., auf sein Talent aufmerksam gemacht, gab ihm den Auftrag, in dem Speisesaal des seit 1824 im Bau begriffenen Landhauses Rosenstein bei Cannstatt einen Fries mit Darstellung der vier Jahreszeiten in ländlichen Arbeiten zu schmücken. Der Künstler löste diese Aufgabe in zwei Jahren durch Herstellung von Gips-Relieftafeln, welche über 200 Figuren enthalten. Mit einer für jene Zeit seltenen Kühnheit durchbrach er den Bann des strengen Classicismus und stellte schwäbisches Landvolk in seiner eigenen Tracht dar, aber mit einem durch tiefes Studium der Antike geschulten reinen und großen Formengefühl, als Bildner in seiner Art mit dem Dichter wetteifernd, der in gleicher Weise Hermann und Dorothea geschaffen hatte. Wäre dieser Fries, der alsbald mit vermehrter Gruppenzahl bei J. G. Cotta in lithographischen Umrißstichen von C. Wenng erschien, in Marmor ausgeführt worden, würde er wol als eine der edelsten Schöpfungen seiner Zeit in den deutschen Kunstgeschichten glänzen, die ihn, außer der von Lübke, gar nicht kennen. Der königliche Bauherr belohnte den Meister mit einem anfangs auf ein, dann auf zwei Jahre ausgedehnten Reiseurlaub nach Italien unter Fortbezug seines Gehaltes und entsprechenden Zulagen. W. lernte in Rom bei Thorwaldsen die Marmorarbeit und führte einige kleine Reliefs unter dessen Leitung aus; er erkannte das Relief und das Ornament als seine besondere Begabung und studirte in Rom und Neapel mit Vorliebe Ornamente und kunstgewerbliche Gegenstände. Nach seiner Zurückkunft im J. 1830 wurde er unter Beibehaltung seiner Stellung in Wasseralfingen, aber mit Verlegung seines Wohnsitzes nach Stuttgart, als Lehrer für den Zeichen- und Modellirunterricht an der neugegründeten Kunstschule angestellt, aber schon im Herbst 1832 an die damals von dieser abgezweigte Gewerbeschule herübergenommen mit dem Lehrauftrage für Zeichenunterricht im Ornamentfache, auch jetzt noch ohne Lösung seines Verhältnisses zu Wasseralfingen. An dieser schnell aufblühenden, später „Polytechnische Schule“, jetzt „Technische Hochschule“ genannten Anstalt entwickelte W. eine für Württemberg auf lange Zeit hinaus segensreiche Thätigkeit, indem er das Formengefühl seiner Schüler, aus denen sich mehrere selbst wieder zu tüchtigen Lehrern entwickelten, auf die anregendste Weise zu schärfen und zu läutern verstand. Mit seiner im J. 1833 ausgegebenen „Ornamenten-Zeichnungsschule in 100 Blättern für Künstler, Manufacturisten und Gewerbsleute“ wirkte er weit über die Grenzen seines engeren Vaterlandes hinaus. Dieses Werk, von dem eine zweite Auflage im J. 1853, eine dritte im J. 1878 erschien, wurde auch in andern deutschen Staaten zur Grundlage des öffentlichen Zeichenunterrichts gemacht und fand selbst im Auslande z. B. in England vielfache Verwendung. Zu schöpferischer Kunstthätigkeit blieb freilich dem in seinen Aemtern höchst gewissenhaften Manne nicht viel Muße mehr übrig. Außer einigen kleinen Marmorreliefen sind aus der Stuttgarter Zeit nur noch zu nennen zwei ursprünglich gleichfalls für plastische Ausführung bestimmte Entwürfe: Die Christus-Tafel und die Hausfrau. Die für Elfenbeinschnitt componirte Tafel mit dem segnenden Christus in der Mitte, umgeben von Darstellungen der guten Werke und oben mit einer Himmelfahrt bekrönt, wurde, lithographirt von E. Emminger, als Gabe des württembergischen Kunstvereins für 1840 und 1841 vertheilt. „Die Hausfrau“, als Basrelieffries in 17 Darstellungen gedacht, erschien, von Ad. Gnauth meisterlich im Umrißstich lithographirt, mit Text von F. L. Bührlen im J. 1838 als nachgelassenes Werk im F. Brodhag’schen Verlage zu Stuttgart. Ein Brustleiden, das durch wiederholte Fieberanfälle in Italien und übermäßige Arbeit beschleunigt worden sein mag, warf im Frühjahr 1836 den seit länger kränkelnden Mann auf ein Schmerzenslager, von dem ihn am 15. Juli der Tod erlöste.

[622] Ein Selbstbildniß von W., Gipsmedaillon in h. Lgr., ist vielfach verbreitet; ebenso eine kleine Gipsbüste von seinem talentvollen Schüler und Nachfolger Christian Plock in Wasseralfingen verfertigt. Vortrefflich ist sein Kopf wiedergegeben auf einem Siegelring (Heliotrop), dessen Urheber nicht bekannt ist.

Vgl. Grüneisen, Ueber die Kunstwerke des k. Landhauses Rosenstein im Kunstblatt, Jahrg. 1830, S. 293 ff. – Weisser, Vortrag über den Historienmaler J. F. Dietrich u. den Bildhauer K. Weitbrecht, abgedr. im Staatsanzeiger f. Württ., Jahrg. 1862, S. 2064 ff. – Mayer, Lebensskizze von K. Weitbrecht in dem Katalog der Ausstellung der hinterl. Werke von Prof. K. Weitbrecht (Stuttg. 1877), S. 3 ff. – Ein größerer Aufsatz über W. von dem Unterzeichneten wird demnächst in den Württ. Vierteljahrsheften f. Landesgeschichte Jahrg. 1896, Hft. 3. 4 erscheinen.