ADB:Weiffenbach, Crafft von

(Weitergeleitet von ADB:Weissenbach, Crafft von)

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Weiffenbach, Crafft von“ von Georg Winter in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 461–464, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Weiffenbach,_Crafft_von&oldid=- (Version vom 15. November 2024, 11:17 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 41 (1896), S. 461–464 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Kein Wikipedia-Artikel
(Stand Juni 2015, suchen)
Crafft von Weissenbach in Wikidata
GND-Nummer 139097449
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|41|461|464|Weiffenbach, Crafft von|Georg Winter|ADB:Weiffenbach, Crafft von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=139097449}}    

Weiffenbach: Crafft v. W., erwählter, aber nicht bestätigter protestantischer Abt des Stifts Hersfeld, entstammt einer hessischen Beamtenfamilie, welche in Nieder-Aula begütert war. Sein Vater, Johann v. W., war hersfeldischer Amtmann zu Hattenbach und besaß auch ein Haus in Hersfeld. Ueber Crafft’s Geburtsjahr und -ort ist nichts festzustellen. Aus späteren Angaben, die er selbst über die Zeit, welche er im Stift Hersfeld gewesen sei, gemacht hat, läßt sich schließen, daß er um die Mitte der 40er Jahre des 16. Jahrh. in das Stift Hersfeld als Capitelsherr eintrat. 1560 war er schon Propst von Göllingen; am 14. Mai 1571 wird er zum Dechanten des Stifts Hersfeld ernannt und erhält vom Abt Ludwig außer der Propstei Göllingen und der Dechanei noch die Propstei und das Kloster Creuzberg und den Hersfelder Antheil von Frauensee zum Nießbrauch zugewiesen. Eine nicht unwichtige Rolle nicht allein in der Geschichte der Abtei Hersfeld, sondern auch in der Geschichte der Reformation bezw. Gegenreformation in Deutschland überhaupt spielte er dadurch, daß von protestantischer Seite, und zwar von dem Landgrafen von Hessen, der nach altem Herkommen eine Schutzherrlichkeit über das Stift Hersfeld ausübte, der Versuch gemacht wurde, ihn, obwol er ein unzweifelhafter Protestant war, zum Abte des Stiftes Hersfeld zu machen, d. h. dem Protestanten die doch noch immer für erforderlich gehaltene Bestätigung seiner Kirchenwürde durch den Papst zu verschaffen. Der Versuch ist gescheitert, aber in seinem Verlaufe doch interessant genug, um ihn wenigstens in den Hauptzügen zu verfolgen. Für die hessische Landesgeschichte erheblich ist der Vorgang vor allem dadurch, daß er eine wichtige Phase in dem Entwicklungsproceß darstellt, in welchem die ursprünglich vollkommen selbstständige reichsunmittelbare Fürstabtei Hersfeld durch das Uebergangsstadium einer sich immer weiter entfaltenden Erbschutzgerechtigkeit hindurch schließlich vollkommen in Besitz und Eigenthum des Hauses Hessen-Kassel überging. Für den Kampf zwischen Protestantismus und Katholicismus überhaupt aber sind die fraglichen Vorgänge insofern von Bedeutung, als sie einen, wenn auch zunächst gescheiterten Versuch des hessen-kasselschen Hauses darstellten, dem der überwiegenden Mehrheit seiner Bevölkerung nach durchaus protestantisch gesinnten Stiftsgebiete auch zu einem protestantischen Oberhaupte zu verhelfen. Es ist also, wenn man Kleines mit Großem vergleichen darf, ein dem Unternehmen des Kölner Erzbischofs Gebhardt Truchseß verwandter Versuch, der ebenso wie jener an denselben Elementen des Widerstandes der altkirchlichen Kreise, die sich als mächtiger erwiesen, als die unter sich nicht einigen Protestanten, gescheitert ist.

Eingeleitet wurde das Unternehmen dadurch, daß bei zunehmendem Alter des auch kränkelnden Abtes Ludwig von Hersfeld, der sich äußerlich noch zum Katholicismus bekannte, auf Veranlassung des Landgrafen als Schutzherrn der Abtei der Dechant des Stifts Crafft v. W. am 13. Februar 1588 zum Coadjutor und künftigen Successor des Abts ernannt wurde. Trotz seines bestimmenden Einflusses auf die Abtei Hersfeld hatte der Landgraf Wilhelm IV. diesen immerhin gewagten Schritt doch nicht ohne jeden Widerstand von Seiten des [462] sonst ganz von ihm abhängigen und auch dem Protestantismus durchaus freundlich gesinnten Abtes Ludwig durchsetzen können, vielmehr hatte dieser gewichtige Bedenken geltend gemacht und vor allem darauf hingewiesen, daß für einen Nachfolger, an dessen protestantischer Gesinnung kein Zweifel obwalten könne, die päpstliche Bestätigung, welche für die bisherigen Aebte doch noch immer erreicht worden sei, nicht durchzusetzen sein werde. Erst durch eine zweimalige Gesandtschaft wurde der Widerstand des Abtes gebrochen und W. in der That zum Coadjutor ernannt.

Die Lage im Stift war in der That eine außerordentliche: der bisherige Abt war äußerlich noch Katholik, innerlich aber der neuen Lehre sehr zugeneigt, das ganze, von Wilhelm IV. wieder auf fünf Stiftsherrn gebrachte Capitel mit einer Ausnahme aus Protestanten bestehend, und nun auch ein Protestant zum Coadjutor ernannt. Es lag auf der Hand, daß Kaiser und Papst bei dem damals wieder lebhafter entbrannten Streit über die geistlichen Güter dieses Vorgehen nicht ohne weiteres hinnehmen würden. Zwar hatte die Curie, um das Stift wenigstens äußerlich beim Katholicismus festzuhalten und eine noch engere Verbindung mit den protestantischen Landgrafen von Hessen zu verhindern, die bisherigen, unter dem überwiegenden Einflusse der letzteren gewählten, dem Protestantismus freundlich gesinnten, aber doch äußerlich am Katholicismus festhaltenden Aebte bestätigt. Die Frage war, ob sie dieselbe Nachgiebigkeit auch gegenüber einem erklärten Protestanten zeigen würde. Und da trat dann alsbald zu Tage, daß Abt Ludwig richtig gesehen hatte, als er diese Frage verneinte. Schon die kaiserliche Bestätigung der Ernennung Crafft’s zum Coadjutor, die zu erwirken Landgraf und Abt einen eigenen Gesandten, den Hersfelder Schultheiß Winter, an den kaiserlichen Hof nach Prag entsandten, war trotz aller Bemühungen und Geldaufwendungen nicht zu erreichen. Im Gegentheil trat die Gefahr in immer greifbarere Nähe, daß beim Ableben des Abts Ludwig, um die Abtei beim Katholicismus festzuhalten, eine Incorporirung derselben in das Stift Fulda, welche schon früher einmal versucht worden war, ins Werk gesetzt werden würde. Der Landgraf traf, als Abt Ludwig ernstlich erkrankte, energische Gegenmaßregeln und setzte es in der That durch, daß nach dem am 6. September 1588 erfolgten Tode des Abtes das Capitel den bisherigen Dechanten Crafft v. W. zum Nachfolger erwählte (9. Sept. 1588).

Nunmehr galt es den schwierigen Versuch zu machen, die päpstliche Bestätigung für den Gewählten zu erreichen. Denn auf diese zu verzichten, würde der Landgraf bei der damaligen Lage der politischen Verhältnisse in Deutschland nicht gewagt haben. In der That wurden nun die mannichfachsten diplomatischen Verhandlungen mit Rom angeknüpft, wobei auch ansehnliche Geldzahlungen nicht gespart wurden, ohne welche, wie der Landgraf sich ausdrückte, in Rom nichts zu erreichen sei. Das Capitel richtete das übliche Promotorialschreiben an einen der Cardinäle, wahrscheinlich Madrucci, in welchem es neben den andern erforderlichen Angaben auch kurz des Gewählten katholischen Glauben bezeugte. Als eine directe Unwahrheit wird man das insofern nicht bezeichnen können, als die Protestanten damals sich noch energisch dagegen verwahrten, daß nur die Anhänger der alten Kirche als katholisch bezeichnet würden; aber unzweifelhaft ist es doch, daß das ganze Schriftstück eine gewisse Doppelzüngigkeit und Zweideutigkeit athmete. Außerdem sollte aber auch eine persönliche Einwirkung auf die maßgebenden Stellen in Rom versucht werden. Zur Vermittlung hiefür wählte der erwählte Abt einen ihm empfohlenen mainzischen Rath, der sich eben damals in Rom aufhielt, Martin Selge. Der Landgraf war damit nicht recht einverstanden, sondern hätte es lieber gesehen, wenn ein eigener Gesandter geschickt worden wäre. In der That zeigte es sich nach kurzer [463] Zeit, daß der mainzische Rath trotz der sehr erheblichen Geldmittel, die ihm für die Taxen der päpstlichen Kanzlei und auch zu directen Bestechungszwecken angewiesen wurden, doch keinen rechten Erfolg mit seinen Bemühungen hatte und mit den Verhandlungen nicht recht vorankam. Es wurde ihm nicht direct eine abschlägige Antwort ertheilt, sondern man zog die Sache in Rom absichtlich in die Länge. Sehr zweifelhaft aber ist es doch, ob die von dem Landgrafen gewünschte eigene Gesandtschaft einen besseren Erfolg gehabt haben würde. Monate vergingen, ehe die erste, vom Landgrafen mit ungeduldiger Spannung erwartete Nachricht von dem Bevollmächtigten einging. Die für die päpstliche Bestätigung festgesetzte dreimonatliche Frist war schon verstrichen, als der Bericht Selge’s endlich einging. Der Cardinal Madrucci trat noch nicht gleich mit seiner wahren Ansicht hervor, nach der die Bestätigung wegen der protestantischen Ueberzeugung des Gewählten versagt werden müsse, sondern er machte zunächst formale Bedenken gegen die vom Capitel übersandten Zeugnisse geltend. Schließlich aber kam es so weit, daß der Unterhändler Martin Selge in Rom verdächtig wurde, einen falschen Eid für den Abt geleistet zu haben, und flüchten mußte. Zugleich erfuhr man, daß die römischen Cardinäle aus Deutschland die genauesten Nachrichten über Gesinnung und Ueberzeugung des Gewählten hätten. Damit war die Hoffnung auf einen günstigen Ausgang der Sache auf ein sehr geringes Maß zurückgeführt. Der Landgraf machte dann doch noch einen Versuch, durch Vermittlung des Großherzogs von Toscana auf den päpstlichen Hof einzuwirken, an den er einen eigenen Gesandten, Dr. Amandus Rudenscheidt, schickte. Dessen erste Audienz beim Papst verlief ziemlich günstig, so daß der Landgraf noch einmal einen günstigen Ausgang zu erhoffen begann. Allein bald darauf zeigte sich, daß auch dieser letzte Versuch gescheitert war. Die Cardinäle theilten Rudenscheidt mit, daß die Sache an den päpstlichen Nuntius in Köln zur Erledigung überwiesen sei.

Ueber diesen Verhandlungen, welche gänzlich resultatlos verlaufen waren, waren mehr als 1½ Jahre vergangen. Die Sache drängte zur Entscheidung, und es war kaum noch zweifelhaft, wie sie fallen würde. Im Juli 1590 erhielt Rudenscheidt trotz eines nochmaligen Vermittlungsversuches des Großherzogs von Toscana, eine endgültige, entschieden abschlägige Antwort in Rom. Da aber bald darauf Papst Sixtus V. starb und dann mehrmals ein schneller Personenwechsel auf dem päpstlichen Stuhle erfolgte, so zog sich die endgültige Entscheidung der Sache noch lange hin, und der nicht bestätigte Abt blieb noch zwei Jahre im Besitze seiner Würde. Erst der am 20. Januar 1592 gewählte thatkräftige Papst Clemens VIII. nahm die Sache wieder energisch in Angriff, indem er dem päpstlichen Nuntius in Köln Octavius den Befehl ertheilte, das Hersfelder Capitel zur Wahl eines neuen Abtes an Stelle des nicht bestätigten Crafft v. W. aufzufordern. Sollte diese Wahl innerhalb 6 Monaten nicht erfolgen, so werde er, der Papst, einen neuen Abt ernennen.

Der Landgraf und das Hersfelder Capitel standen nun also vor der Frage, ob sie die Wahl Crafft’s gegenüber der päpstlichen Entscheidung aufrecht erhalten sollten. Da man es in diesem Falle nicht allein mit dem Papste, sondern auch mit dem Kaiser, der das Stift einem seiner Söhne zu übertragen wünschte, zu thun gehabt hätte, so war der Landgraf doch wenig geneigt, es auf das Aeußerste ankommen zu lassen. Er versuchte noch einmal, durch Verhandlungen mit dem päpstlichen Nuntius zum Ziele zu kommen; mitten in diesen Verhandlungen und den mit seinen Räthen über das weitere Verhalten in der Sache gepflogenen Berathungen ist Landgraf Wilhelm IV. von Hessen gestorben. Sein Nachfolger Moritz aber war noch weniger geneigt, es zu gewaltsamen Schritten kommen zu lassen, sondern beschloß, sich der päpstlichen [464] Entscheidung zu fügen und seinen Schützling fallen zu lassen, doch bestand er darauf, daß wenigstens formell die Nachgiebigkeit nicht eine unbedingte sei. Der Abt sollte zwar auf seine Würde resigniren, damit man zu einer Neuwahl schreiten könne, aber weder in dem neuen Wahlinstrument, noch in der Resignation sollte die Nichtbestätigung der Wahl als Grund der Neuwahl angegeben, sondern die Sache so dargestellt werden, als verzichte der Abt wegen seines hohen Alters und wegen Kränklichkeit auf seine Würde. Für den Unterhalt des Resignirenden sollte in angemessener Weise, und zwar zunächst durch Ueberweisung der Propstei Creuzberg, gesorgt werden; außerdem sollte er natürlich Capitelsherr von Hersfeld bleiben. Auf diesen Grundlagen kam am 26. October 1592 der Resignationsvertrag zwischen dem Landgrafen und Crafft v. W. zu Stande, worauf dann die Wahl des neuen Abtes, des einzigen noch katholisch gebliebenen Mitgliedes des Capitels Joachim Roëll erfolgte, dessen Bestätigung durch den Papst ohne Schwierigkeit vor sich ging. Daß der neue katholische Abt der Ausbreitung und Erhaltung des Protestantismus in seinem Stiftsgebiete keine Schwierigkeiten entgegenstellen konnte, selbst wenn er dazu geneigt gewesen wäre, dafür sorgte der überwiegende Einfluß des hessischen Landgrafen, dem sich der neue Abt ebenso wenig zu entziehen versuchte wie sein Vorgänger. Materiell blieb danach Alles beim Alten, aber formell hatte der Landgraf doch nachgeben müssen. Bei der damaligen Lage der Verhältnisse und der Abneigung der vornehmsten protestantischen Fürsten vor einer gewaltsamen Entscheidung hatte die Wahl des Protestanten Crafft v. W., nachdem sie die päpstliche Bestätigung nicht erhalten hatte, doch nicht aufrecht erhalten werden können. Crafft hat dann noch drei Jahre als Propst von Creuzberg gelebt: am 13. September 1595 ist er zu Rothenburg an der Fulda gestorben.

Vgl. Georg Winter, Die Wahl des Protestanten Krafft von Weiffenbach zum Abt von Hersfeld (1588). Historisches Taschenbuch, begründet von Fr. v. Raumer, hsg. von W. Maurenbrecher. Sechste Folge, Neunter Jahrgang. S. 115–162. Nach Acten des Marburger Archivs.