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Artikel „Weber, Ferdinand Wilhelm“ von Carl Gustav Adolf Siegfried in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 290–292, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Weber,_Ferdinand_Wilhelm&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 10:21 Uhr UTC)
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Band 41 (1896), S. 290–292 (Quelle).
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Weber: Ferdinand Wilhelm W. ward in Schwabach am 22. Octbr. 1836 geboren, wo sein Vater Brauereibesitzer war. In der Lateinschule seiner Vaterstadt und seit 1850 auf dem Nürnberger Gymnasium vorgebildet – schon [291] als Schüler mächtig durch Löhe (s. A. D. B. XIX, 116) in Neuendettelsau angezogen und einem bewußt lutherischen kirchlichen Christenthum gewonnen – bezog er 1855 die Universität Erlangen. Mit rastlosem Fleiß suchte er sich hier nicht bloß in allen Gebieten der Theologie heimisch zu machen, sondern trieb auch unter dem damals dort wirkenden Franz Delitzsch rabbinische Studien. Auf des letzteren Rath begab er sich nach Leipzig, wo er bei Fleischer arabisch lernte und seine rabbinischen Studien bei dem Judenmissionar D. Biesenthal fortsetzte. So bereitete er sich hier schon mit der ihm eigenen Rastlostgkeit auf die Thätigkeit der Judenmission vor. Nachdem er seine Studien in Erlangen zum Abschluß gebracht und den Grad eines Doctors der Philosophie daselbst erworben hatte, folgte er einem Ruf als Vicar und 2. Lehrer an die Löhe’sche Missionsanstalt in Neuendettelsau. Neben aufreibender praktischer Arbeit im Dienste der Mission strebte er auch wissenschaftlich weiter im Geiste der Erlanger Schule. Es entstand dort seine ganz die, freilich wissenschaftlich völlig unhaltbaren, Hofmann’schen Ansichten wiedergebende „Kurzgefaßte Einleitung in die h. Schriften A. u. N. T.’s“ (1862), welche, in diesen Kreisen eifrig gekauft, noch bei Weber’s Lebzeiten bis 1878 fünf Auflagen erlebte, aber auch nach seinem Tode es noch zu vier weiteren Auflagen brachte (vgl. darüber Pünjer, Theol. Jahresbericht I, 44, Lipsius, Theol. Jahresbericht VII, 35 f.; XI, 32). Die letzte (neunte) erschien 1891. – Derselben Zeit gehört auch seine Schrift: „Vom Zorne Gottes“ (Erlangen 1862) an, sowie die anonym erschienene Abhandlung über „das System des jüdischen Pharisäismus und des römischen Katholicismus“ (Allg. ev.-luther. Kirchenzeitung 1870, Nr. 44–46). Letztere ist wieder abgedruckt und mit werthvollen Verbesserungen und Zusätzen von der Hand Gustaf Dalman’s versehen in der Zeitschrift Nathanael, Jahrg. 6 (1890, Nr. 5, S. 142–161 und Nr. 6, S. 165–173). Man findet hier frappante Berührungspunkte zwischen beiden religiösen Erscheinungen sowol in den Principien als hinsichtlich der einzelnen Lehren nachgewiesen. – Da die Anstrengungen in Neuendettelsau für Weber’s Eifer, der sich nie genug thun konnte, zu groß wurden, zumal er nach vorübergehender pfarramtlicher Thätigkeit zu Diebach bei Schillingsfürst in Baiern im J. 1872 Löhe’s Amtsnachfolger wurde, so sah er sich genöthigt eine kleine Pfarre zu Polsingen in Mittelfranken anzunehmen. Aber auch hier war es ihm unmöglich sich die Ruhe, die er hätte haben können, zu gönnen. Redactionen von kirchlichen Zeitschriften, Vorträge vor kirchlichen Versammlungen, Arbeiten für praktische Exegese, wie „Der Prophet Jesaia in Bibelstunden ausgelegt“ (2 Thle. 1875/76) und vor allem seine fortgesetzten Studien für das gleich zu nennende Hauptwerk seines Lebens rieben seine erschöpfte Kraft nur immer weiter auf. – Der Eifer für die Judenmission hatte W. schon 1861 getrieben mit einer in novellenartiger Form geschriebenen Schrift: „Hermann der Prämonstratenser“ die Geschicke der Juden unter der Kirche des Mittelalters darzustellen. Das Verlangen nach gründlicherer Fundamentirung seines Wissens vom Judenthum hatte ihn 1864 veranlaßt, einen jüdischen Proselyten ins Haus zu nehmen. Eine Missionsreise nach dem Osten (März bis Mai 1872), dargestellt in seinen „Reiseerinnerungen aus Rußland“ (1873), führte ihn tiefer in die Kenntniß des orthodoxen Judenthums ein. Von etwa 1869 an beschäftigten ihn die gründlichsten Quellenstudien zur Ergründung der dem ältesten Judenthum eigenthümlichen Lehren. Unablässig thätig im Sammeln der Materialien aus den Quellen, im Ausfeilen der Darstellung sollte er leider die Veröffentlichung dieses seines Hauptwerkes nicht mehr erleben. Am 10. Juli 1879 hauchte der wahrhaft vom Eifer für das Haus des Herrn verzehrte, erst 43jährige, Mann seine Seele aus. Zwei Freunde des Verstorbenen Professor Franz Delitzsch und Dr. Georg Schnedermann besorgten die Herausgabe des im [292] wesentlichen handschriftlich vollendeten Werkes, das unter dem Titel: „System der altsynagogalen palästinischen Theologie aus Targum, Midrasch und Talmud dargestellt“ zu Leipzig 1880 erschienen ist. Mit staunenswerthem Fleiß sind aus den auf dem Titel genannten Quellorten die zersplitterten Daten der altjüdischen Lehre gesammelt und es ist aus ihnen ein System dieser Theologie zu gewinnen versucht. In einem ersten Theile stellt der Verf. die Principienlehre dar. Er unterscheidet dabei das Materialprincip des Nomismus, worin im wesentlichen über die gesetzliche Grundlage der jüdischen Religion in ihrer Basirung auf der Thora gehandelt wird, und das Formalprincip des Nomismus, wobei die Lehre von der Schrift und dem Schriftbeweise zur Darstellung kommt. Der zweite Theil geht alsdann auf die einzelnen Lehren ein. Insonderheit wird besprochen: der jüdische Gottesbegriff nebst den Lehren von der himmlischen Welt und den sie bevölkernden Hypostasen, die Lehren von Schöpfung der Welt und des Menschen, von der Sünde und ihren Folgen. Dann kommen die Lehren von der Erlösung, ihrem Rathschlusse und ihrer Offenbarung und von der Art und Weise, wie die Versöhnung mit Gott hergestellt wird. Den Schluß bildet der eschatologische Lehrkreis. Wie der Leser sieht, ist das System der christlichen Dogmatik auf die Gruppirung von entscheidendem Einfluß gewesen, denn die jüdischen Quellen selbst disponiren nirgend so, aber man kann die Einführung dieses Schematismus nicht tadeln, denn in der That hat das biblische Lehrmaterial bei beiden Religionen, der jüdischen wie der christlichen, eine ähnliche formale Ausgestaltung zur Folge gehabt. Des weitern verweist der Unterzeichnete auf seine Besprechung des in Rede stehenden Werkes in den Göttingischen gelehrten Anzeigen, Jahrg. 1881, Stück 12, 13, S. 372–394. Auszüge hat auch G. B. Stevens in Old Testament Studen, Jahrg. 1889, August, S. 72–86 gegeben. – Im J. 1886 ist vom Verleger eine neue Lieferungsausgabe des Werkes unter verändertem Titel („Die Lehren des Talmud etc.“) veranstaltet worden, vgl. Lipsius’ theol. Jahresber. VI, 62, 64.

Vgl. die schöne, nur in der Chronologie nicht immer ganz klare Lebensskizze des Verstorbenen von F(ranz) D(elitzsch) in der Zeitschrift „Saat auf Hoffnung“ 1879, S. 228–234 u. die dort mitgeth. Briefe S. 234–239.