ADB:Wasserschleben, Ludwig Wilhelm Hermann
Birnbaum’s am 20. Mai 1875 Kanzler der Universität. Bereits im September 1863 war er zum Geheimen Justizrath, am 30. September 1873 zum lebenslänglichen Mitgliede der ersten hessischen Kammer ernannt worden. Das Kanzleramt legte er nach eigener Mittheilung infolge verschiedener durch persönliche Fragen hervorgerufener Schwierigkeiten im J. 1883 nieder, das Lehramt selbst mit Ende des Wintersemesters 1888 auf 1889. W. hat niemals eine eigentlich politische Thätigkeit entwickelt, sein Wirken war dem Lehramte und litterarischer Thätigkeit gewidmet. Alle seine Schriften tragen das Gepräge ernsten Studiums, reifer Bearbeitung, liebevoller Hingebung an die Sache, gründlicher Vorbereitung. Für das katholische Kirchenrecht, oder richtiger gesprochen das kanonische Recht, ist es das Gebiet der alten Quellen, welchem er durch Abhandlungen und Ausgaben in hervorragender Weise und mit verdienstlichem Erfolge sich zuwandte in den Schriften: „Beiträge zur Geschichte der vorgratianischen Kirchenrechtsquellen“ (Leipz. 1839); „De patria decretalium Pseudoisidor.“ (Breslau 1843); „Beiträge zur Geschichte der falschen Dekretalen“ (1844); in den Ausgaben: „Reginonis abbatis Prumiensis libri duo de synodalibus causis“ cet. (Leipz. 1840); „Die Bußordnungen der abendländischen Kirche, nebst einer rechtsgeschichtlichen Einleitung“ (Halle 1843); „Die Irische Kanonensammlung“ (Gießen 1874, in 2. Aufl. Leipz. 1885). Diese drei Ausgaben sichern W. für alle Zeit einen Platz in der Litteratur des kanonischen Rechtes. In dem Aufsatze „Oesterreich und die Deutschkatholiken“ (1846, Prophet Bd. 8), den Schriften: „Gutachten über die Civilehe“ (Gießen 1869); „Die Parität der Konfessionen“ (1871); „Die deutschen Staatsregierungen und die katholische Kirche der Gegenwart“ (1872) tritt er als scharfer Gegner des römischen Systems auf und fordert namentlich in der letzteren den vollen Bruch des bisherigen Verhaltens der Staatsregierungen durch die Loslösung der römischen Kirche vom Staate. Dem evangelischen Kirchenrechte sind gewidmet: „Die symbolischen Bücher und der Staat“ (Breslau 1843, Prophet 2); „Das Kirchenregiment und die bevorstehende Reorganisation der evangelischen Kirche. Ein kirchenrechtliches Gutachten“ (1849); „Die Entwickelungsgeschichte der evangelischen Kirchenverfassung in Deutschland. Eine Festrede“ (Gießen 1861); „Bemerkungen zu dem officiellen Entwurf einer Verfassung der evang. Kirche des Großh. Hessen“ (1871); „Das landesherrliche Kirchenregiment“ (1872); „Das Ehescheidungsrecht kraft landesherrlicher Machtvollkommenheit“ (1877, 2. Beitr. 1880); Aufsätze in Zeitschriften. W. steht auf positivem Standpunkte ohne orthodoxe Strenge, hält fest an der historischen Stellung des Landesherrn, tritt aber gleichzeitig ein für geregelte und umfassende Theilnahme der Gemeinden bezw. Mitglieder [237] der Kirche an deren Leitung durch Vertretung. Dem deutschen Rechte gehören an: „Sammlung deutscher Rechtsquellen“ (2 Bde., Gieß. 1860, Leipz. 1892); „Das Prinzip der Successionsordnung nach deutschem, insbesondere nach sächsischem Rechte“ (1860); „Die germanische Verwandtschaftsberechnung und das Prinzip der Erbenfolge nach deutsch. insbes. sächsischem Rechte. Eine Replik“ (1864); „Prinzip der Erbenfolge“ (1870); „Ueber die Succession in Fuldische Lehen“ (in Zeitschr. der Savigny-Stift. Germ. Abth. XI, 1890). Dazu kommen noch Aufsätze in Zeitschriften, Herzog’s Encykl. u. s. w. Von großer kräftiger Gestalt, ernstem ausdrucksvollem Gesicht, gediegen durch und durch war W. das Muster eines kernigen den Eindruck einer ausgeglichenen Persönlichkeit bietenden echten norddeutschen Mannes und Charakters.
Wasserschleben: Ludwig Wilhelm Hermann W., Germanist und Kanonist, geboren am 22. April 1812 zu Liegnitz als Sohn eines Geheimen Regierungsrathes, † am 28. Juni 1893 zu Gießen. Er besuchte die Schule seiner Vaterstadt, machte die Gymnasialzeit an der dortigen Ritterakademie durch, widmete sich hierauf vom Herbst 1831–1836 dem Studium der Rechte an den Universitäten Breslau und Berlin, wurde an letztgenannter Universität am 25. Juni 1836 Dr. juris und im Herbste desselben Jahres Privatdocent der Rechte. Am 18. August 1841 erhielt er eine außerordentliche Professur der Rechte in Breslau, am 23. Februar 1850 eine ordentliche in Halle, die er am 28. April 1852 mit einer solchen in Gießen vertauschte. Dieser Universität gehörte er seitdem an als einer der thätigsten Lehrer und wurde nach dem Rücktritte- Meine Gesch. der Quellen III. 2 u. 3, S. 247 (nach autobiographischer Notiz).