ADB:Walther, Heinrich Andreas

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Walther, Heinrich Andreas“ von Wilhelm Grotefend in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 108–110, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Walther,_Heinrich_Andreas&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 02:36 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Walther, Hermann
Band 41 (1896), S. 108–110 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Heinrich Andreas Walther in der Wikipedia
Heinrich Andreas Walther in Wikidata
GND-Nummer 117131911
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|41|108|110|Walther, Heinrich Andreas|Wilhelm Grotefend|ADB:Walther, Heinrich Andreas}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117131911}}    

Walther: Heinrich Andreas W., Pastor an der Hauptkirche zu den Barfüßern, Senior des Ministeriums zu Frankfurt a. M., D., wurde am 21. December 1696 zu Königsberg bei Gießen geboren. Als Sohn des dortigen Predigers Andreas W. erhielt W. seinen ersten Unterricht im Hause seines inzwischen als Metropolitan nach Biedenkopf versetzten Vaters, der ihn im Vereine mit gelehrten Freunden soweit förderte, daß er bereits im J. 1712 die Universität Gießen beziehen konnte, um sich auf Verlangen seines Vaters der Theologie zu widmen, während er selbst mehr zum Studium der Rechtswissenschaft neigte und neben den theologischen juristische Vorlesungen hörte.

Was alle väterlichen Ermahnungen, auch ein längerer Aufenthalt im väterlichen Hause nicht vermocht hatten, bewirkte nach Walther’s eigener Aeußerung plötzlich ein einziger Umstand. Der Heiland erschien ihm im Traum, versprach auf seine Frage, wie er seine Zuhörer selig machen könne, ihm dann am nächsten sein zu wollen, wenn es in seinem Amte um ihn am dunkelsten sein würde, und überreichte ihm einen Stab, mit dem er seine Schafe weiden solle. Von da ab stand Walther’s Entschluß fest. 1715 wurde W. zum Major der Stipendiaten zu Gießen ernannt, erwarb alsbald die Magisterwürde und entfaltete eine rege Thätigkeit. Vorlesungen hielt er über Hebräisch, Chaldäisch, Lateinisch, Logik, Metaphysik, Ethik, Naturrecht und Politik. Im J. 1720 wurde W. zum Collegen des Gießener Pädagogiums bestellt, nachdem er im selben Jahre auf Kosten des Landesherrn pro licentia legendi et praesidendi disputirt hatte. Seit 1724 las W. auch theologische Collegien im eigentlichen Sinne, bestieg auch nicht selten die Kanzel, namentlich hielt er für den kränklichen Oberkirchenrath Bielenfeld die Donnerstagspredigten. Auf Einwirkung des Landesherrn, bei dem er sehr wohl gelitten war, lehnte W. mehrere an ihn ergangene ehrenvolle Berufungen als Professor bezw. als Prediger ab, leistete jedoch im J. 1729 einem wiederholten Rufe als Geistlicher nach Worms mit Genehmigung des Landgrafen Folge. Während seiner dortigen Wirksamkeit in den Jahren 1729 bis 1733 gab W. gleichzeitig Unterricht in den oberen Classen des Gymnasiums. Bei Gelegenheit einer Reise im J. 1732 besuchte W. Straßburg und hielt daselbst auf Ersuchen des Magistrats eine Gastpredigt, die ungemein gefallen haben muß. Wenigstenes empfahlen Straßburger Kaufleute, die nach Frankfurt a/M. zur Messe reisten, W. für die soeben zur Erledigung gelangte Stelle an der dortigen Katharinenkirche. Diese Empfehlung hatte zur Folge, daß der Frankfurter Magistrat nähere Erkundigungen über W. einzog und ihn nach deren günstigem Ausfall an die Katharinenkirche berief. Die Entscheidung über diesen Ruf wurde W. sehr schwer, da sein Amtsgenosse Götze nunmehr verschieden und in Worms allgemein der Wunsch herrschte, daß W. dessen Nachfolger werden möge. Sein Verhalten in dieser Angelegenheit ist recht bezeichnend für seine Geistes- und Gemüthsart. „Auf der einen Seite setzten ihn diese ungeduldigen Wünsche in Wehmuth und Unruhe, auf der anderen Seite sah er die offenbaren Fußtapfen der göttlichen Vorsicht. Um sich bei diesem Gemüthskampfe [109] nicht lediglich selbst überlassen zu bleiben, übergab er die Sache mit ihren Umständen fünf auswärtigen Gelehrten, deren Ausspruch ihn dann durch Mehrheitsbeschluß bestimmen sollte. Alle erklärten einmüthig die Berufung nach Frankfurt für göttlich. Dies beruhigte ihn und seine Gemeinde“. W. siedelte im Juli 1733 nach Frankfurt über, wo er sein Leben beschließen sollte. Im J. 1741 wurde er zum Pastor an der ersten Hauptkirche zu den Barfüßern, zum Senior des Ministeriums und Consistorialassessor befördert, auch von der theologischen Facultät der Universität Gießen zum D. ernannt. Er starb am 5. November 1748 unter Hinterlassung von 2 Töchtern und 2 Söhnen, die seiner im J. 1720 eingegangenen Ehe mit Martha Christiane Rube, Tochter des hess.-darmstädtischen Amtmannes zu Battenberg entsprossen waren. Neben seiner Berufsthätigkeit entfaltete W. eine rege litterarische Wirksamkeit.

So veröffentlichte er eine Reihe seiner anscheinend gern gehörten Predigten, verschiedene Dissertationen, mehrere Programmabhandlungen, die ohne Namen erschienene Schrift: „Finsterniß in dem vermeynten Lichte der Römisch-Catholischen Lehre, oder gründliche sowohl aus der Schrift als aus der Kirchenhistorie und den Zeugnissen papistischer Scribenten selbst hergenommene Widerlegung eines von einem Jesuiten ohnlängst herausgegebenen Büchleins, genannt Licht in der Finsterniß, d. i. die Wahrheit der Catholischen Lehre; herausgegeben von einem Liebhaber der Wahrheit“ (1721); „Exegesis epistolae Judae cum praefat. Jo. Laur. Moshemii“, Helmst. 1727, vor allem: „Erste Gründe der Weisheit und Tugend“, 1731, 2. Aufl. 1735, 3. Aufl. 1749, von Friedrich Andreas W. (dem Sohne) besorgt. „Heilige Reden über wichtige Stücke der christlichen Glaubens- und Sittenlehre“, Theil 1 1734, neu aufgelegt 1740, Theil 2 1736, Theil 3 1737, Theil 4 1738, Theil 5 1739, Theil 6 1745, Theil 7 1748, Theil 8 und 9 (besorgt von Franz Ludwig Wallacher) 1750 und Vorrede „Von der kindlichen Einfalt der Christen“ zu den Poetischen christlichen Kindergedanken aus den Sonn- und Festtags-Evangelien und Episteln eines frommen Rechtsgelehrten (seines bereits genannten Schwiegervaters zu Battenberg) 1737. Vorrede „Von dem göttlichen Ursprunge der heiligen Schrift“, zu der Ausgabe der deutschen Handbibel (1742) und Vorrede „vor den Frankfurtischen Catechismus“ (1742). Ferner gab W. heraus des D. u. Prof. Bielenfeld’s Erklärung der Sonn- und Festtags-Evangelien, unter dem Titel „Das doppelte Zeugniß Gottes an der Menschenseele“ (1725) und „Erläuterter Katechismus Lutheri, darinnen alle Worte desselben deutlich erkläret und die Wahrheiten selbst vorsichtig auseinandergesetzt, gründlich bewiesen, auch zu Pflicht und Trost angewendet werden in einer ganz gleichen Lehr-Art nebst einem Anhang der Festlectionen, der Lehre von der Confirmation und einer Ordnung des Heils aus dem Catechismo, auf Verlangen christlicher Freunde herausgegeben“ (1746). Unter den 20 von ihm bekannten geistlichen Liedern sind u. a. folgende: „Nun wollen meine Glieder nach Deiner Ordnung wieder“ etc.; „Großer König Jesu Menschenfreund“ etc.; „Herr unser Hort, Herr unser Heil“ etc.; „Gelobet sei das höchste Gut“ etc.

W. war ein äußerst fruchtbarer Schriftsteller, so fruchtbar, daß er durch seine Schriftstellerei bisweilen mit den Pflichten seines Pfarramts in Widerstreit kam und Gefahr lief, nun keinem von beiden Berufen voll gerecht zu werden. In der Einleitung zu dem 6. Bande seiner heiligen Reden hielt er es für nöthig, ausdrücklich die Bitte an seine Leser auszusprechen, es gütigst entschuldigen zu wollen, wenn das Buch infolge des Dranges seiner Geschäfte hier und da Flüchtigkeitsspuren aufweise. Als Kanzelredner der pietistischen Richtung scheint W. segensreich gewirkt zu haben und es dürfte hier der Schwerpunkt seiner Thätigkeit liegen.

[110] Friedr. Neubauer, Nachricht von den itztlebenden Evangelischen Lutherischen und Reformirten Theologen in und um Deutschland. Züllichau 1743, S. 990–1013. – Elias Friedrich Schmersahl’s zuverlässige Nachrichten von jüngst verstorbenen Gelehrten. Zelle 1748, S. 713–730. – Friedrich Wilhelm Strieder’s Grundlage zu einer Hessischen Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte. Marburg, Bd. 16. Herausgeg. von Ludwig Wachler 1812, S. 451–463.