ADB:Walther, Emil Adolf Ferdinand
[100] durch eine fremde Macht zu bewahren. In seiner Gymnasialzeit, die er an der Dresdener Kreuzschule verlebte, erfüllte sich seine leicht erregbare Phantasie mit warmer Begeisterung für die Welt des alten Hellas, und Schiller’s Gedicht: „Die Götter Griechenlands“ entzündete in ihm eine nachhaltige Gluth. Dagegen empfand er schon in seinen Jünglingsjahren „einen wahren Haß und Abscheu vor allem confessionellen Kirchenthum“, in dem ihn die gleiche Gesinnung seines überaus sittenstrengen, aber nichts weniger als kirchenfreundlichen Vaters bestärken mochte. Nachdem er die Maturitätsprüfung wohl bestanden hatte, bezog er im J. 1838 die Universität Leipzig, an der er nach dem Willen seines Vaters die Rechtswissenschaft studiren sollte. Obwol er keine innere Neigung für den ihm zugedachten Beruf eines Juristen hatte, ließ er sich doch in Leipzig die Vorbereitung für ihn angelegen sein. Er besuchte die Vorlesungen der Professoren fleißig und führte seine Collegienhefte musterhaft. Im Winter des Jahres 1839 siedelte er an die Universität Berlin über, um an ihr seine juristischen Studien fortzusetzen. In Berlin aber trat die entscheidende Wendung in seinem Leben ein. Durch den Besuch des königlichen Theaters und durch die mustergültigen Darstellungen, die er in Berlin sah, angeregt, kam er zu dem längst in ihm im geheimen herangereiften Entschluß, die juristische Laufbahn aufzugeben und sich dem Berufe eines Schriftstellers und Schauspielers zu widmen, obwol er wußte, daß dieser Plan nicht die Billigung seines Vaters finden würde, und daß er auf weitere Unterstützung durch das elterliche Haus nicht mehr rechnen dürfte. Um zu seinem Ziele zu gelangen, kehrte er nach Leipzig zurück und fing hier an journalistisch thätig zu sein, indem er für den „Komet“, für Gutzkow’s „Telegraph“ und für den von Philippi redigirten „Planet“ eine Reihe von Aufsätzen schrieb, die sämmtlich eine dramaturgische Tendenz verfolgten. In jenen Jahren verfaßte er auch einen Künstlerroman, der unter dem Titel: „Eduard Sternthal. Eine Charakter-Skizze“ im J. 1841 in Leipzig erschien. Der Held dieses Romans ist der Autor selbst, der in ihm seine eigene Sturm- und Drangperiode zu schildern versucht hat. Damals nahm er auch den Namen Emil Walther an, unter welchem Pseudonym er seine Arbeiten erscheinen ließ, und unter dem er später als Schauspieler bekannt wurde. Ein zweiter, zwei Bände umfassender Roman erschien im J. 1852 zu Dresden u. d. T.: „Kunst- und Liebesleben … nebst einem dramatischen Intermezzo“. Als W. endlich von Hause die widerwillig ertheilte Erlaubniß, zur Bühne zu gehen, erhalten hatte, wandte er sich nach Weimar, wo er als Volontär beim Theater zugelassen wurde. Da er in Weimar nicht vorwärts kam, begann er ein Wanderleben, das ihn der Reihe nach an die Bühnen zu Gotha, Bremen, Detmold, Elberfeld, Köln, Aachen und an andere mehr führte. Im J. 1845 war er am Königstädtischen Theater in Berlin, hierauf in Königsberg und in Halle engagirt. Im Jahre 1847 erhielt er einen Antrag zu einem Gastspiel am Dresdner Hoftheater. Er gastirte als Eduard in „Eine Familie“ und als Faust und wurde, da sein Auftreten von großem Erfolg begleitet war, für das Hoftheater engagirt, an dem er volle vier Jahrzehnte thätig gewesen ist. In dieser Stellung brachte er es im Laufe der Jahre vermöge seiner treuen Hingebung an seine Kunst, seiner strengen Pflichterfüllung und Rechtschaffenheit zu einer allgemeinen Werthschätzung bei seinen Collegen und beim Publicum. Obwol er jede Virtuosenleistung verschmähte und die Bedeutung der Bühnenkunst immer nur in einem möglichst gleichmäßigen und guten Ensemble suchte, so galt er doch in der Glanzzeit des Dresdener Schauspiels, zu den Zeiten Gutzkow’s und Devrient’s, als einer der besten Darsteller seiner Kunst. Er spielte zuerst jugendliche Liebhaber- und Heldenrollen, machte dann fast alle Rollenarten, die auf der Bühne vorkommen, durch und kam schließlich bei dem Fach der Heldenväter [101] an. Allerdings mußte er das Ideal seiner Jugend, „daß die Bühne an die Stelle der Kirche treten sollte und daß die classischen Meisterwerke unserer Nationalliteratur das gesammte Volk zu jener Schönheit der Seele und jenem vollendeten Menschenthum führen müßten, welche wir mit dem griechischen Worte Kalokagathie bezeichnen, als das erkennen, was es war, als einen schönen, göttlich schönen Traum“, aber wenn er ihn auch nicht erfüllt sah, so ließ er sich dabei in seinem künstlerischen Streben „nach der naturgemäßen Darstellung des menschlichen Charakters auf der Bühne“ nicht irre machen. Wie ideal er über seinen Beruf dachte, darüber sprach er sich in einer am 22. November 1869 in Dresden gehaltenen Vorlesung aus, die er unter dem Titel: „Der Schauspielerberuf in künstlerischer, gesellschaftlicher und sittlicher Beziehung“ (Dresden 1870) erscheinen ließ. Mit besonderer Begeisterung und Hingabe aber widmete er sich den Bestrebungen des Freimaurerordens, dem er seit dem 23. Decbr. 1847 angehörte. Seit seinen Knabenjahren hatte er sich für nichts in der Welt so interessirt, als für „geheime Gesellschaften, Verbindungen und Bündnisse, die durch das Geheimniß, in welches sie sich hüllten, eine gleichsam geisterhafte Macht überall ausübten und Dinge vermochten, die sonst außer dem Wirkungskreise der gewöhnlichen menschlichen Bestrebungen lagen“. Später aber nahm er eine Zeit lang an der sittlichen Haltung ihm bekannter Brüder Anstoß, bis ihm Meyer’s Leben des Schauspielers Ludwig Schröder in die Hände fiel und aufs neue sein Interesse an dem Freimaurerthum mächtig fesselte. Einmal in den Bund aufgenommen, machte er schnell die verschiedenen vorgeschriebenen Grade durch, bis er im J. 1869 zu der Würde eines Meisters vom Stuhl vorrückte, die er seitdem neunzehn Jahre lang an der Spitze der Dresdener Loge zu den drei Schwertern und Asträa zur grünenden Raute i. O. innegehabt hat. W. war aber nicht bloß ein überzeugter Anhänger des Bundes, sondern hat auch als Reformator dadurch bahnbrechend gewirkt, daß er eine „gewisse gesunde Vereinfachung des Rituals“ in die Schwerterloge einführte, „die, ohne das Wesentliche zu vernachlässigen, an Stelle eines leicht das Interesse abstumpfenden Einerleis Abwechselung und Vereinfachung setzte“. Unter seiner Mitwirkung erhielt die Loge ein neues Gesangbuch und ein neues Gesetzbuch, vor allem aber brachte er der Loge die Anerkennung als juristische Person und damit die erste officielle Bestätigung an Stelle der früheren stillen Duldung. Nebenbei wirkte er als Schriftsteller für die Ausbreitung und Vertiefung des Bundes. Er war Mitherausgeber und Mitarbeiter des „Dresdner Logenblattes“ und veröffentlichte eine Auswahl seiner Aufsätze unter dem Titel „Aus meiner Werkstätte“ (Dresden 1873) und „Bruchsteine zum Bau“ (Leipzig 1882), die auch dem ferner Stehenden Einblicke in sein ideales Streben gewähren. – Er starb plötzlich an einem Schlaganfall am Abend des 30. August 1888 und wurde, seinem Wunsche entsprechend, zur Feuerbestattung nach Gotha überführt.
Walther: Emil Adolf Ferdinand W., Schauspieler, wurde am 6. Febr. 1820 zu Dresden als Sohn des hochangesehenen Arztes und späteren Hofrathes Dr. Ferdinand Rumpelt und seiner Gattin Emilie, deren Familiennamen Walther er als Schauspieler führte, geboren. Wie er selbst berichtet (vgl. Aus meiner Werkstätte. Dresden 1873, S. 549), erhielt er im elterlichen Hause „eine sehr ernste, strenge und geregelte Jugenderziehung, bei der die Strafe dem Vergehen so sicher folgte, wie das b dem a im Abc“. Dadurch wurde W., dessen Charakteranlage ursprünglich zur Zerfahrenheit und Sinnlichkeit hinneigte, von früher Jugend an an das Gebot der Pflicht gewöhnt, sodaß der kategorische Imperativ und die Entsagung für ihn zum Lebensprincip wurden. Während er sich aber schon früh bemühte, sich den Forderungen der Außenwelt zu unterwerfen, wußte er die ideale Welt, die in seinem Inneren lebte, vor jeder Berührung- Vgl. Tagebuch der kgl. sächs. Hoftheater vom Jahre 1888 von Friedr. Gabriel u. Fr. Rößler. 72. Jahrg. Dresden 1889, S. 77–83. – Festschrift z. Jubiläum des 150jähr. Bestehens der Loge zu den drei Schwertern und Asträa zur grünenden Raute im Orient. Dresden 1890. Manuscript f. BBr. F.-M. Dresden o. J., S. 66–81. – A. Kohut, Das Dresdner Hoftheater in der Gegenwart. Dresden u. Leipzig 1888, S. 214–216. – Dresdener Anzeiger 1888, Nr. 245. 1. September, 4. Beilage.