ADB:Walchner, Kasimir (2. Artikel)
*): Kasimir W., Jurist und Historiker, wegen seiner liberalen religiösen Gesinnung fälschlich als „würtembergischer katholischer Geistlicher der [778] wessenbergischen Richtung“ bezeichnet **), war im J. 1771 (nach andern 1773) zu Eichstädt geboren, an dessen Lyceum er seine gelehrten Studien begann und sich vorzüglich mit dem Geist und der Sprache der alten Römer vertraut zu machen suchte. Dabei vernachlässigte er aber keineswegs das Studium der neuen Sprachen und der vaterländischen Litteratur; von den tiefen Gedanken und den großen, erhabenen Bildern des Sängers der Messiade fühlte er sich ganz besonders angezogen. Auf der Hochschule zu Ingolstadt, wo er sich seine Berufsbildung als Rechtsgelehrter erwarb, beschäftigte er sich auch mit großem Eifer und Hingabe mit Geschichte und vornehmlich mit der Geschichte des deutschen Volkes. Mit reichen Kenntnissen mannichfacher Art, mit einer gründlichen Bildung in seinem Berufsfache und einer entschiedenen, glühenden Liebe zur Wissenschaft und besonders zur vaterländischen Geschichtsforschung ausgerüstet, trat er seine praktische Laufbahn zu Meersburg am Bodensee bei der dortigen fürstbischöflich constanzischen Regierung an, in deren Diensten auch sein Vater, Franz W., als Revierförster zu Wollmatingen stand. Dieser neue Lebenskreis war für den jungen Beamten und zumal für den angehenden Historiker sehr günstig, denn das fürstbischöfliche Archiv, das sich in guter Ordnung befand und durch treffliche Repertorien äußerst brauchbar gemacht war, sowie die reichhaltige Bibliothek des damaligen Fürstbischofs Karl Friedrich v. Dalberg gewährten seinen gelehrten Neigungen reichliche Nahrung und Hülfsmittel. Daneben förderte der Umgang mit einzelnen ausgezeichneten Beamten dieser Regierung seine Gewandtheit und Tüchtigkeit in den Berufsgeschäften. Bereits im J. 1795 wurde er als Advocat und Kanzlist bei der Regierung zu Meersburg angestellt, erhielt 1797 die Aufsicht über das Mineralien- und Conchyliencabinet und 1799 auch über die fürstbischöfliche Bibliothek daselbst. Der Fürstbischof, der den jungen Rechtsgelehrten nach Verdienst schätzte, vertraute ihm schon 1802 die selbständige Verwaltung des Amtes Bohlingen an. Seine Wirksamkeit daselbst dauerte jedoch nur 3 Jahre; bei der Mediatisirung des Hochstifts Constanz wurde er von der badischen Regierung übernommen und 1805 von dem Kurfürsten Karl Friedrich als Obervogt, bezw. Oberamtsrath nach Pfullendorf befördert. Die Einwohner dieser ehemaligen Reichsstadt verzichteten nur mit Schmerzen auf ihre alte Verfassung und Reichsunmittelbarkeit und sahen mit Bangen der Zukunft entgegen. Doch der Klugheit und dem menschenfreundlichen, wohlwollenden Gemüthe des neuen Beamten wurde es leicht, ihnen die bange Sorge abzunehmen. Ganz besonders schätzten die Amtsangehörigen seine strenge Rechtlichkeit und sein Wirken für Verbesserung der Jugendbildung und der Schule. Hierin handelte er, ganz im Sinne seines Landesherrn, im Verein mit seinem Freunde, dem Stadtpfarrer und nachmaligen Decan Strebel. 1811 wurde er als Oberamtmann nach Radolfzell versetzt, wo er in einem Wirkungskreise, der ungleich größere Schwierigkeiten bot, bis 1824 mit gleich wohlthätigem Erfolg arbeitete. In diesem Jahre wurde er auf sein wiederholtes Ansuchen in Anbetracht seiner geschwächten Gesundheit in den Ruhestand versetzt. Er lebte dann mit seiner Familie zuerst zu Freiburg im Breisgau, wo sein ältester Sohn, Friedrich August, damals Privatdocent war, und seit 1831 zu Constanz als landesherrlicher Commissär bei dem Verwaltungsrathe des Lyceumsfonds und der Districtsstiftungen; hier starb er am 13. April 1837. Schon während seiner amtlichen Thätigkeit, ausschließlich aber in den 12 Jahren seiner Zuruhesetzung war W. mit Forschungen zur vaterländischen Geschichte und besonders derjenigen der Bodenseegegend beschäftigt. Außer [779] zahlreichen Aufsätzen in Zeitschriften, zumal im „Hesperus“ und den „Blättern für litterarische Unterhaltung“ veröffentlichte er folgende größere und kleinere Abhandlungen: „Der schwäbische Landbote, eine Wochenschrift in 52 Nummern“ (Meersburg 1802); „Bischof Otto von Sonnenberg und Ludwig von Freyberg. Beitrag zur Geschichte des Bisthums Constanz“ (Constanz 1818); „Paul V. und die Republik Venedig. Nach P. Sarpi Amelot de la Houffaye“ (Teutschland 1819); „Die alemannischen Brüder oder Ulrich Gehring von Constanz und Johann von Stein“ (1824); „Politische Geschichte der im Jahre 1478 zu Florenz gehaltenen großen Kirchensynode und des Zwistes dieser Republik mit Papst Sixt IV.“ (Constanz 1825); „Geschichte der Stadt Pfullendorf vom Jahre 916 bis 1811“ (Constanz 1825); „Geschichte der Stadt Radolfzell aus handschriftlichen und anderen zuverlässigen Quellen bearbeitet“ (Freiburg i. Br. 1825, 2. Titelausgabe 1837); „Das Zunftwesen. Geschichtlich und politisch betrachtet mit Rücksicht auf die Verhandlungen der badischen Stände-Versammlung“ (Freiburg i. Br. 1825); „Halsgerichtsordnung Kaisers Maximilian I. für die Stadt Radolfzell. Ein Beitrag zur Geschichte des Criminalrechts in Deutschland. In Eranien zum deutschen Privatrecht mit Urkunden, Forts. hrsg. von Dr. R. Falck. 2, 67–89“ (Heidelberg 1826); „Kleine Chronik denkwürdiger Begebenheiten der Stadt Freiburg“ (Freiburg i. Br. 1826); „Anekdoten, kleine Geschichten und Sittenzüge. Beitrag zur Geschichte der Stadt Freiburg und des Breisgaus“ (Freiburg i. Br. 1827); „Johann Heuglin von Lindau, Frühmesser zu Sernatingen, seine Lehre und sein Tod.“ In den Schriften der Gesellschaft für Beförderung der Geschichtkunde zu Freiburg i. Br. 1, 67–92 (1828); „Felix Malleolus, sein Leben und seine Schriften“. Daselbst 1, 135–210 (1828); „Verschiedenes aus der Zeit der Constanzer Kirchenversammlung, das Leben und die Sitten jener Zeit in dieser Stadt bezeichnend“. Daselbst 1, 211–40 (1828): „Biographie des Truchsessen Georg III. von Waldburg. Aus handschriftlichen Quellen bearbeitet“ (im Verein mit Joh. Bodent, Constanz 1832); „Joh. von Botzheim, Domherr zu Constanz, und seine Freunde“ (Schaffhausen 1836); „Das ehemalige Kloster Grünenberg. In Jos. Bader’s [älterer] „Badenia“ 2, 248–52 (1840); „Geschichte des bösen Pfennigs“ (in Jos. Bader’s „Breisgauischen Ständen“), S. 94–109 (1846).
WalchnerFast ebenso zahlreich sind seine handschriftlich hinterlassenen Arbeiten, die sich seit den 40er Jahren im großherzoglichen Generallandesarchiv zu Karlsruhe befinden und von Mone in seiner „Quellensammlung der bad. Landesgeschichte“ 1, (92) f. eingehend verzeichnet sind. Es sind: „Vorarbeiten zur Geschichte der Stadt Constanz“; „Leben der Bischöfe von Constanz 517–1803“; „Ueber die Kelnhöfe“; „Entwurf einer Geschichte von Villingen“; „Zur Geschichte des Cölibats, besonders im Bisthum Constanz“; „Collectanea, die Burg und Edlen von Langenstein, die Herzoge von Urslingen und die Orte Schienen und Schrotzburg betr.“; „Constanzer Biographie“; „Nachrichten über das Leben und die Schriften des Joachim Rosenlecher von Treptow, ehemal. Prof. d. Dichtkunst zu Freiburg i. Br., mit einer kurzen Notiz über Georg Thibianus, Schullehrer zu Ueberlingen“; „Oehningen, der Ort, die Grafen und das Kloster daselbst“; „Historische Notizen über das ehemal. Frauenkloster Grünenberg (s. o.), das Geschlecht der Herren von Grünenberg und die sog. Höri“; „Reichenau, Kloster-Inkorporation, Bibliothek“.
Von den Söhnen Walchner’s hat sich außer dem bereits genannten Friedrich August (XL, 656 f.) noch besonders Fr. Hermann, Arzt zu Bühl, durch litterarische Arbeiten aller Art wie namentlich durch seine freimüthigen „Lebenserinnerungen und Lebensbilder aus Südfrankreich und Unteritalien“ (Rastatt 1858) bekannt gemacht.
- [780] Nach X. Schreiber, Freiburg i. Br. mit seinen Umgebungen (Freib. 1825, S. 391 f.). – Fr. v. Weech, Bad. Biographien. 1. Tl. (Heidelb. 1875, S. 420 f. [J. Marmor].)
[777] *) Zu Bd. XL, S. 657.
[778] **) Der Verfasser des Artikels in der A. D. B. XL, 657 ist durch Hurter, Nomenclator irre geleitet worden, da ihm andere Materialien nicht zu Gebote standen. Er ist dem Verfasser der vorstehenden Berichtigung sehr dankbar.