ADB:Wagner, Rudolf Christian
Joh. Andr. Schmidt, damals Professor der Logik und Metaphysik in Jena, empfohlen, der an dem strebsamen Jünglinge großes Gefallen fand, sich seines Studienganges mit Eifer und Erfolg annahm und besonders auch nach des Vaters Tode ihn edelmüthig unterstützte. Neben Studien in der Physik und Mathematik, der praktischen Geometrie und Architektur, die er u. a. bei Leon. Chr. Sturm und Joh. Heinrich Gengenbach trieb, beschäftigte er sich bei Wedel, Schelhammer u. a. auch fleißig mit der Medicin; 1689 hielt er bei J. Chr. Wenzel eine öffentliche Disputation de purpura sanguinis. Im September 1694 promovirte er zum Doctor der Philosophie; wie schon früher ertheilte er jetzt Jünglingen Unterricht in der Mathematik und Physik. Als J. A. Schmidt 1695 nach Helmstedt übersiedelte, folgte ihm W. zwei Jahre später auf seinen Ruf dorthin nach; am 5. Juni 1697 wurde er in Helmstedt immatriculirt. Er unterstützte hier Schmidt bei seinen Versuchen und hörte bei H. Meibom, Fr. Schrader und J. A. Stisser medicinische und botanische Vorlesungen. Auf Empfehlung Schmidt’s kam er 1698 als Privatsecretär zu Leibniz nach Hannover. Der Aufenthalt hier, der etwa 2 Jahre währte, war für seine Weiterbildung von großer Bedeutung; keinem Menschen, erklärte er später stets, verdanke er soviel wie Leibniz. Durch dessen Verwendung erhielt er 1701 in Helmstedt, wohin er 1700 zurückgekehrt war und Privatunterricht ertheilte, die Professur der Mathematik, die durch Chr. Tobias Wideburg’s Versetzung in die theologische Facultät (1699) leer geworden war; am 21. November d. J. wurde er in die philosophische Facultät aufgenommen. Seine Anstellung war schon unterm 13. Mai in Wolfenbüttel verfügt worden, doch verursachten die Bewerbung des Magister Elends um die Stelle und die Zweifel der Cellischen Regierung, ob W. zu dem Amte auch hinreichend befähigt wäre, einige Weiterungen. Obwohl die Bedenken durch die günstigen Erklärungen Leibniz’ und Schmidt’s bald beseitigt wurden, so scheint dennoch Ersterer deren Berechtigung nicht verkannt zu haben; er wiederholt in Briefen an Schmidt die Besorgniß, ob W. trotz seinen guten Anlagen und seinem anhaltenden Fleiße, sich in Helmstedt bewähren werde, da er zu Vielerlei treibe und, um Anderen sich gefällig zu erweisen, seine Kräfte zersplittere. Auch in Leibniz’ Interesse hat er nach wie vor noch viel gearbeitet, insbesondere die Anfertigung zweier Leibnizischer Rechenmaschinen in Helmstedt mit Eifer überwacht. Der Verkehr der beiden Männer währte bis zu Leibniz’ Tode; die königliche Bibliothek in Hannover besitzt 195 Briefe Wagner’s an Leibniz und vor einigen Jahren sind in der Universitätsbibliothek zu Halle 88 Briefe dieses an jenen aufgefunden worden. Sie enthalten den Gedankenaustausch der beiden Männer über die Fortschritte der Wissenschaften, insbesondere auf dem Gebiete der Philosophie, Mathematik und Physik. Neben der Professur der Mathematik wurde W. im Juni 1706 auch die der Physik, die durch Fr. Schrader’s Tod erledigt war, übertragen. Außerdem beschäftigte er sich auch eifrig mit Astronomie und lehrte zugleich die Construction und den Gebrauch optischer Instrumente, sowie das Glasschleifen. Auch die medicinischen Studien setzte er fort und noch im J. 1708 erwarb er in dieser Wissenschaft in Jena den Doctorgrad mit einer Dissertation „de contrafissura ex principiis mechanicis, physicis ac medicis“. Er hat auch seitdem [573] insbesondere bei den Armen sich als beliebter Arzt hülfreich erwiesen. Die eifrige und vielseitige Thätigkeit Wagner’s scheint auf seine Gesundheit allmählich einen nachtheiligen Einfluß ausgeübt zu haben. Schon 1712 litt er an leichtem Bluthusten, in vorgeschrittenem Alter wurde er wiederholt von Schlagflüssen heimgesucht. Bis zum März 1739 hielt er seine Vorlesungen, dann verschwindet er aus den Verzeichnissen; 1738 hat er noch zum 12. Male das Amt eines Decans versehen. Später versagten ihm zuerst die Beine den Dienst; zuletzt verlor er die Sprache und Sehkraft, so daß der Tod, der ihn am 6. April 1741 ereilte, einem bedauernswerthen Zustande völliger Schwäche des Körpers und Geistes ein erlösendes Ende machte. Seine Frau Katharina Maria, eine Tochter des Hofapothekers Ernst Leopold Andreä in Hannover, die er am 7. November 1702 geheirathet hatte, war schon vor ihm am 10. Januar 1735 gestorben; ihn überlebten drei zu sicherer Lebensstellung gelangte Söhne und zwei unvermählte Töchter; eine 1738 an einen Kaufmann Hagedorn in Lübeck verheirathete Tochter war bereits 1739 gestorben.
Wagner: Rudolf Christian W., Mathematiker und Physiker, † 1741, wurde am 14. März 1671 in Nesselröden im Kreise Eschwege im Hessischen geboren. Sein Vater Joh. Georg W., der wie seine Mutter Anna Katharina Kister aus Eisenach stammte, war hier Justitiar der Herren Treusch von Buttlar. Der Sohn erhielt seinen ersten Unterricht von den Geistlichen seiner Heimath und zeigte früh eine besondere Neigung für die Mathematik. Schon am 19. Juni 1685 wurde er in Jena immatriculirt. Hier wurde er von Joh. Dan. Haacke, Adjuncten der philosoph. Facultät an- Vgl. Memoriam Rud. Christ. Wagneri commendant Prorector et Senatus Academiae Juliae (Helmst. 1741), wo im Anhange auch Wagner’s nicht zahlreiche Schriften verzeichnet stehen. – J. Nentwig, Physik an der Univ. Helmstedt (Wolfenb. 1891), S. 85 ff. – Herzogl. Landeshauptarchiv in Wolfenbüttel.