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Artikel „Wagner, Gregorius“ von Johannes Bolte in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 501–502, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wagner,_Gregorius&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 11:10 Uhr UTC)
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Wagner: Gregorius W., Schulmann und Dramatiker des 16. Jahrhunderts. Um 1512 zu Rössel in Preußen geboren, erlernte er anfangs das Schuhmacherhandwerk, wanderte dann aber 1530 nach der Universität Frankfurt a. O., wo er sich mit Hülfe seines Stiefbruders, des dort angestellten Professors Jodokus Willich, den humanistischen Studien widmete. Nachdem er die Magisterwürde erlangt, wurde er (vor 1538) als Rector an die Berliner Nikolaischule berufen. Darauf (vor 1547) kehrte er an die Frankfurter Universität zurück, wo er philologische Vorlesungen hielt und den Terenzcommentar seines Stiefbruders (Frankfurt 1550 u. ö.) herausgab. Daneben trieb er theologische Studien und wurde zum Doctor der Theologie promovirt. 1555 folgte er einem Rufe an die Katharinenkirche zu Danzig und starb dort 1559. – Als deutscher Dichter trat W. 1547 mit einer Uebersetzung von Reuchlin’s vielgelesenen Scenica progymnasmata hervor, die er zur Hochzeit eines mit ihm verwandten Frankfurter Rathsherren Servatius Radtman aufführte und unter dem Titel: „Ein hübsche Deutsche Comedi, die da leret das Vntrew seinen eigen Herrn schlecht“ (Frankfurt a. O. 1547) drucken ließ. Er giebt darin seine Vorlage in freier Weise und in recht geläufigem, wenn auch trockenem Ausdruck wieder. Die rasche, aus wenigen Worten bestehende Wechselrede vermag er freilich nicht nachzuahmen; jeder Sprechende muß wenigstens ein volles Verspaar hintereinander sprechen. Die fremdartigen Personennamen ersetzt er zumeist durch deutsche: Henno durch Heintz, Dromo durch Rompelt, Abra durch Käthe; aus dem Tuchhändler Danista macht er einen „argen Jüden“ Schalmach. [502] Die Eintheilung in Acte und Scenen (hier Handlung und Unterscheid genannt) behält er bei, doch läßt er statt der Chorlieder jedem Acte eine breite „Lehre“ folgen, in der er neben der Bibel, Homer und Pythagoras auch zwei orientalische Fabeln aus den Beispielen der alten Weisen (S. 31 und 35 in Holland’s Ausgabe) anführt. Seine Verstechnik ist unbeholfen; um die Achtzahl der Silben herzustellen, gestattet sich W. gewaltsame Verkürzungen wie „kein blutign Hellr“; „auffn Abend widr“, „abglogn“, „gutr“. Seine Reime sind dagegen sorgfältig; das Kunstmittel der Reimbrechung kennt er nicht. Daß W., wie Holstein annimmt, den auf demselben Stücke Reuchlin’s beruhenden Henno des Hans Sachs (1531) gekannt habe, ist unwahrscheinlich, da er nirgends in den Reimen oder in auffallenden Ausdrücken (wie IV, 1 Ein Mensch dreyer buchstaben scharff = trilittere, oder in den derben Ausdrücken der Bauern am Schlusse) mit ihm übereinstimmt. Dagegen mag er die kurz zuvor erschienene Verdeutschung des Nürnberger Rechenmeisters Joh. Betz (Ein Comedi, die sich mit dem Sprichwort vergleicht, so gesagt wirt: Ein betrug betreugt den andern, 1546) gesehen haben und dadurch in der Fassung des Titels beeinflußt worden sein. – Außerdem sind von W. noch 100 Verse „vom zötlichten Hosenteuffel“ erhalten, die sein berühmter Frankfurter College Andreas Musculus 1555 als Einleitung seiner gleichnamigen Schrift wider die Mode der Pluderhosen (Neudruck von Osborn 1894) abdrucken ließ. Er führt darin Citate aus der Bibel und den Kirchenvätern wider den Kleiderluxus ins Feld, der die Menschen von den Ziegenfellen zur Wolle, Leinwand, Seide, zu Perlen- und Goldschmuck und endlich zu den „lardumpschen Hosen“ gebracht habe, deren „Schnitt“ (Schlitze) wie Feuerflammen flinken“ (funkeln).

(Goedeke, Grundriß² 2, 393. 480. – Becmann, Notitia universitatis Francofurtensis, 1706, S. 226. – Küster, Altes und neues Berlin 1, 258 b (1737). – Ephr. Prätorius, Danziger Lehrer Gedächtnis, 1713, S. 6. – Friedländer, Matrikel der Univ. Frankfurt 1, 68 b. – Holstein, Reuchlins Komödien, 1888, S. 81. – Hofmeister und Bolte, Niederdeutsches Korrespondenzblatt 13, 1 und 29. – Osborn, Die Teufellitteratur, 1893, S. 102.