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Artikel „Wüger, Gabriel“ von Hermann Arthur Lier in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 266–268, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:W%C3%BCger,_Gabriel&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 18:50 Uhr UTC)
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Wüger: Gabriel W., Benedictinerpater und Maler, mit seinem weltlichen Vornamen Jakob genannt, wurde im J. 1829 zu Teckborn am Untersee im Kanton Thurgau als Sohn calvinischen Eltern geboren. Er genoß eine fröhliche Jugendzeit und entwickelte schon als Kind eine große Liebhaberei für das Zeichnen. Sein Wunsch war es, Porträtmaler zu werden, doch wurde er, da die Malerei seinem Vater als eine brotlose Kunst erschien, nach Neuville auf das Gymnasium geschickt, um sich dort durch das Erlernen der französischen Sprache für den Handelsstand vorzubereiten. Ein Zeichenlehrer in Neuville erkannte indessen seine künstlerischen Fähigkeiten, ertheilte ihm Privatunterricht und bestärkte ihn in seinem Entschluß, Maler zu werden. Der Vater gab endlich nach, und im J. 1847 bezog W. die Akademie in München, an der er den regelmäßigen, vorgeschriebenen Studiengang durchmachte und sich durch erstaunlichen Eifer und Ernst auszeichnete. Einer seiner ersten Entwürfe, die er für den von Kaulbach geleiteten Componirverein anfertigte, war eine große Federzeichnung, die Jakob darstellte, wie er den blutigen Rock seines Sohnes Joseph erblickt. „An dramatischer Kraft, an Tiefe des Ausdrucks und Kernigkeit der Zeichnung übertraf er hier alles, was er bisher geleistet hatte. Er hat wol diese Kraft und Frische später nie mehr erreicht, außer etwa in dem zwölf Jahre später entstandenen Tell. Die Gestalten waren wie vom Knochen heraus gezeichnet, die Anatomie bis in die innersten Fasern verfolgt, das Gesetz der Falten nicht weniger streng durchgeführt.“ Wüger’s letzte Arbeit für den Componirverein war eine figurenreiche Darstellung des Triumphzuges des ägyptischen Joseph. Als er mit ihr nicht recht zu Stande kam, trat er aus dem Componirverein aus und schloß sich der damals in München, im Gegensatz zur Akademie aufgekommenen Schule Berdellé’s an, der ein feines coloristisches Talent besaß und vortreffliche Studien nach der Natur zu malen verstand. W. machte nun selbst die sorgfältigsten Naturstudien, begeisterte sich für Kunst der Renaissance und suchte sich die fortgeschrittene Technik der neueren Franzosen und Belgier anzueignen. Nebenbei aber fuhr er fort, sich im Componiren weiter zu üben und wählte für seine [267] Versuche meist Stoffe aus der Bibel, aus Dichtern und aus der Mythologie. Nachdem er vier Jahre lang in Berdellé’s Schule thätig gewesen war, fing er an, ein großes Gemälde zu entwerfen, dessen Gegenstand Kain’s Brudermord bildete. Er arbeitete etwa zwei Jahre mit größtem Fleiß an diesem Werk und war schon deshalb schwer enttäuscht, als sein Bild bei der Ausstellung im Münchener Kunstverein von der Kritik mit Spott behandelt wurde und dieser Spott sich gerade gegen den Ernst seines Strebens richtete. Ueber diesen Mißerfolg verstimmt, wandte er sich im J. 1857 nach Dresden, wo er in der Galerie weitere Studien nach Veronese, Rubens und anderen Meistern machte. Nach München zurückgekehrt, malte er ein „Gretchen vor der Madonna“ und hatte das Glück, dieses Bild auf der Ausstellung von 1858 zu verkaufen. Hierauf besuchte er die Seinigen in Steckborn und hielt sich bei ihnen längere Zeit auf, um verschiedene Porträts von Familienmitgliedern in Kohle zu zeichnen und ein Selbstporträt in Oel zu vollenden. Im Anfang des Jahres 1860 siedelte er nach Nürnberg über. Sein erstes dort entstandenes Werk war eine „Loreley“ in ein Drittel Lebensgröße mit entsprechender Landschaft. Das Bild wurde vom Münchener Kunstverein zur Verloosung im J. 1862 angekauft. Hierauf folgten zwei Fahnenbilder „St. Joseph“ und „Albrecht Dürer als Jüngling in der Werkstatt“. Um diese Zeit fällt auch sein erster Versuch in der Wandmalerei. Er erhielt den Auftrag, für das Schloß Gleishamer „die Wege der Vorsehung“ nach Schwind’s Bilderbogen als Fries in Temperafarben auszuführen und einige eigene ergänzende Compositionen hinzuzufügen. Von seinen sonstigen Arbeiten aus der Nürnberger Zeit werden hervorgehoben eine Zeichnung, die Gertrud von Werth bei ihrem aufs Rad geflochtenen Gemahl wachend zeigt, und Entwürfe zu Faust, Egmont, der Braut von Messina, Genovefa, ferner die Gestalten des Glaubens, St. Heinrich und St. Kunigunde. Im December 1862 reiste er mit einem Freunde nach Italien und blieb vorerst in Florenz, wo ihm der Maler Cassioli einen Platz in seinem Studio im Palazzo dei Pazzi einräumte. Hier entstand eine seiner besten Arbeiten, die Federzeichuung: „Tell rettet den Baumgarten über den tobenden See, Landenbergische Reiter prallen am Ufer ab.“ In Rom, wohin er im Sommer 1863 übersiedelte, fügte er seinem Cyklus von Bildern aus der Schweizergeschichte noch weitere vier Cartons hinzu: die Schlacht bei Morgarten, zwei Blätter, dann Kaiser Albrecht’s Tod und Staufacher mit seinem Weibe. Der Aufenthalt in Rom und die Bekanntschaft mit katholischen Berufsgenossen bestimmten ihn, seinen calvinischen Glauben aufzugeben und am Feste der unbefleckten Empfängniß in der Capelle der Liguorianer das katholische Glaubensbekenntniß abzulegen. Infolge dieses Uebertritts ertheilten ihm die Ligorianer den Auftrag, für den Papst Pius IX. eine Copie der neu aufgefundenen alten Gnadenbildes in S. Maria del perpetuo soccorso anzufertigen. Bald darauf lieferte er drei Altarbilder für die Schweiz: eine Madonna nach Bichwyl, sowie einen heiligen Mauritius und Pancratius. Auch versuchte er sich als Bildnißmaler und erregte mit dem Porträt eines mecklenburgischen Edelmanns in Berlin Aufsehen. Durch einen Freund wurde ihm dann die malerische Ausschmückung der Mauruscapelle im Kloster Beuron an der Donau übertragen. Nachdem er im Winter 1868 in Rom gemeinsam mit seinem Schüler Fridolin Steiner die Compositionen für die Bemalung der Capelle entworfen hatte, begab er sich mit Steiner nach Beuron, wo er in den Sommern der Jahre 1868 und 1869 die Fresken ausführte und außerdem die Außenwände eines klösterlichen Wohnhauses neben der Capelle St. Maurus im Felde mit Bildern versah. Auf diese Weise legte er den Grund zu der Beuroner Kunstschule, die sich rasch und glänzend entwickeln sollte. Nach Vollendung seiner Arbeiten nahm W. im Herbste 1870 als P. Gabriel das Ordenskleid der Benedictiner von Beuron und sein Schüler Fridolin [268] Steiner folgte ihm als P. Lucas nach. Die durch diese beiden Männer und einen dritten Freund ins Leben gerufene klösterliche Kunstschule versah zunächst im Kloster Beuron Kirche und Haus reichlich mit Bildern, schmückte dann die Konradicapelle im Dome zu Constanz mit Fresken aus und stellte das älteste Kloster St. Benedict’s Monte Cassino mit Hülfe aller drei bildenden Künste wieder her, um schließlich mit der vollständigen Bemalung der gothischen Kirche von Emaus in Prag und mit den Stationsbildern der Marienkirche in Stuttgart ihre Thätigkeit vorläufig abzuschließen. An dieser langen Reihe von Schöpfungen, durch die sich allmählich ein neuer kirchlicher Stil bildete, war W. auf das lebhafteste betheiligt. Seine letzte Arbeit galt der Vollendung der Cartons für die St. Martinscapelle in Monte Cassino, wo er an innerer Verblutung am 31. Mai 1893 starb und beerdigt wurde.

Nach einem Artikel in den Historisch-politischen Bättern für das katholische Deutschland. München 1895. Bd. 116, S. 473–489 und S. 549–562, mit dem zu vergleichen die Würdigung der Leistungen der Beuroner Malerschule in Bd. 106, S. 321, 343 und 417–430. – Zeitschrift für christliche Kunst. Düsseldorf 1890. III, 269–275. – Die Künstler aller Zeiten und Völker. 4. Bd. Nachträge seit 1857. Bearbeitet von A. Seubert. Stuttgart 1870, S. 463.