ADB:Voigt, Balthasar (Dramatiker)

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Artikel „Voigt, Balthasar d. Ae.“ von Eduard Jacobs in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 198–200, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Voigt,_Balthasar_(Dramatiker)&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 19:12 Uhr UTC)
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Voigt: Balthasar V. d. Ae., Komödiendichter, geboren zu Wernigerode um 1557, † daselbst am 23. April 1636. Aus seiner Jugendzeit fehlen bestimmte Nachrichten. Daß ihm darin sein Theil Kreuz nicht fehlte, erklärt er gelegentlich selbst. Daraus, daß er nicht nur den Rath seiner Vaterstadt, sondern auch den Halberstädter seinen mächtigen Förderer und Mäcenaten nennt, werden wir folgern dürfen, daß er nächst der Wernigerödischen Lateinschule auch die Halberstädter Stadtschule besuchte. Seine weitere Ausbildung erlangte er aber auf der seit 1565 unter dem Abt Peter Ulner blühenden Anstalt zu Kloster Berge, die ihren theologischen Professor hatte und nach damaligem Zuschnitt eine Mittelstufe zwischen einer lateinischen Stadt- und einer eigentlichen Hochschule bildete. Jedenfalls wurde V. in Magdeburg ordinirt, ohne eine Universität besucht zu haben. Von seinen Kenntnissen zeugen, abgesehen von dem Urtheil von Zeitgenossen, seine Briefe und Schriften. Auch erweiterte er seine Kenntnisse noch eifrig während seiner Amtsthätigkeit. Zunächst wurde er zu Kl. Berge Mitglied des Convents und führte in Magdeburg Regina, die Tochter des Secretärs Köhne als Gattin heim, die ihm mehrere Kinder schenkte. Gegen Ende 1588 wurde er als Conrector an die lateinische Stadtschule zu Wernigerode berufen, an der er fünf Jahre wirkte. Von seiner Tüchtigkeit als Lehrer gibt einer seiner trefflichsten Schüler, Mag. Joh. Fortman, ein sehr schönes Zeugniß, der bekennt, daß durch ihn besonders seine Liebe zur Wissenschaft geweckt sei. Aber was für Voigt’s besondere litterarische Bedeutung bemerkenswerth ist, wir haben auch wiederholte Zeugnisse, daß zu seiner Zeit Schauspiele sowol im Spielsaale des Rathhauses als auf öffentlichem Markt ausgeführt wurden und auch, daß er bei solchen betheiligt war. Bestimmt hören wir das von der Komödie vom verlorenen Sohn und dem Spiel von Goliath und David, das drei Tage dauerte. So gern V. bei der Schule bleiben mochte, sein knappes Gehalt bei wachsender Familie nöthigte ihn, sich um eine Pfarrstelle zu bewerben. Nachdem es ihm in wenigstens zwei Fällen mißglückt war, verhalf Graf Wolf Ernst zu Stolberg, der dem Conrector wegen seiner poetischen und Geistesgaben wohlwollte, zu der Pfarrstelle in Dorf und Kloster Wasserleben, die er im December 1593 antrat. In dieser Stellung hatte er bei den ziemlich unordentlichen sittlichen Zuständen jener Zeit manche Widerwärtigkeiten zu erleiden. Verschiedene Gemeindeglieder, bei denen er durch Uebung seines Strafamts angestoßen haben mochte, dann die Domina Grell und ihr Anhang, die zum römischen Bilder- und Reliquienwesen zurückkehrten, machten ihm viel zu schaffen, so daß er zeitweise seines Amtes enthoben wurde. Besonders aber war, wesentlich auf Beklagen des Wasserleber Convents, Graf Johann zu Stolberg leidenschaftlich gegen ihn erregt. Daß aber im wesentlichen V. im Recht, seine Widersacher im Unrecht waren, geht aus sicheren Zeugnissen hervor. Graf Heinrich z. St., Graf Johann’s jüngerer Bruder, erklärt ausdrücklich, daß V. keine Schuld zu geben sei. M. Marc. Buchholtz, Voigt’s Nachfolger, bezeugt, daß dieser der Kirche ganz treu vorgestanden habe. Endlich spricht ein namhaftes von ihm gestiftetes Werk, die zwischen 1600 und 1608 durch ihn erbaute [199] S. Maria-Elisabeth- oder Gottesackerkirche, für ihn. Da dieses Werk viele freiwillige Opfer erforderte, so konnte es nur durch einmüthiges Zusammenstehen von Pfarrer und Gemeinde hinausgeführt werden. Für Vogt’s geistiges Sinnen ist es übrigens bemerkenswerth, daß er die neue Kirche mit 48 Wappen von Bauern und Einwohnern des Dorfs schmücken ließ. Eine Befreiung aus seiner schlimmen Lage dem Grafen Johann gegenüber trat ein, als im J. 1611 die gräflichen Brüder eine Theilung der Grafschaft Wernigerode vornahmen und der jüngere der Brüder den von ihm geschätzten Wasserleber Pastor der Domina und Gemeinde zu Drübeck empfahl, die zu seinem Antheil gehörten, während er es zu erreichen wußte, daß Graf Johann’s ehemaliger Praeceptor und Schützling Mart. Schmiedichen die Pfarre zu Wasserleben erhielt. Als die Drübecker Gemeinde V. zuerst gehört hatte, lautete das Urtheil: Gott Lob und Dank, daß wir einmal eine rechte Predigt gehört. Von da an blieb er 25 Jahre lang bei der Gemeinde als fleißiger treuer Seelsorger in guten und noch mehr in den bösen Tagen des großen deutschen Krieges. Wiederholt wurde er von kaiserlichem Kriegsvolk so völlig ausgeplündert, daß sein in Elbing im Amte stehender Sohn für ihn die Mildherzigkeit bemittelter Gönner in Anspruch nahm. Endlich wurde der fast 80jährige Greis das Opfer der Brutalität dieser Kriegsknechte. Als nämlich im Frühjahr 1636 V. mit seiner Gemeinde vor dem rohen Kriegsvolk sich in den Harzwald geflüchtet hatte, ließ er sich durch List zur Rückkehr locken. Da forderte ein roher Kriegsknecht unter wildem Dräuen Lebensmittel, Futter und besonders Geld. Und als V. ihm keine verborgenen Schätze zeigen konnte, bearbeitete der Herzlose den Greis mit einer Peitsche und trieb ihn wie einen Kreisel um. Aber der rüstige Alte ermannte sich, zerbrach die Peitsche und flüchtete nach Wernigerode. Hier erholte er sich soweit, daß er noch am 14. April die Gründonnerstagspredigt hören konnte. Aber bald nach derselben wurde er vom Schlage getroffen und gab nach zehn Tagen seinen Geist auf. Fortman, der ihn 47 Jahre lang gekannt hatte, urtheilte kurz nachher, daß er ein ehrwürdiger, gelehrter und wahrhaft verdienter Mann war, durch dessen Dahinscheiden in der Geistlichkeit der Grafschaft Wernigerode eine empfindliche Lücke gerissen, ja ihr eine tödtliche Wunde geschlagen sei. Die Gemeinde Drübeck habe mit ihm ihren Hirten und Leiter, ihren geistigen Vater verloren, dessen sie gerade in dieser traurigen Zeit so dringend benöthigt gewesen sei. Neben seiner amtlichen Thätigkeit war V. auch litterarisch thätig. Von Gelegenheitsschriften abgesehen, schrieb er eine „Arithmetica“, die er dem Rathe von Wernigerode widmete. Erst 1625 wurde ihm dafür das lange vorher versprochene Bürgerrecht ertheilt. Eine eigenartige Schrift war sein „Catechismus Reim- und Gesangsweise durch Balthasar Voidium, ein Wernigeröder, Pfarrherrn zu Waterleger“ (Helmstedt 1600). Sein Hauptwerk ist aber die von ihm gedichtete Komödie „JOSEPHUS | das ist | Von der Er- | bermlichen Verkauffung | schweren Dienstbarkeit, vnd gewalti- | gen Herrschaft Josephs des Sohnes JACOB: | Ein geistliche Comoedia ..... durch | BALTHASARUM VOIDIUM von Wernigerode, Pastorem zu Drübeck. Typis Grosianis. | Im Jahr: M. D. C. XVIII. Vorrede: Drübeck 1618. Am Schluß: Leipzig, in verlegung Henning Grosen des älteren Buchhändlers. Gedruckt durch Georgium Liger. Anno M. D. C. XIX. 164 Bl. 8°.

V. arbeitete an seinem Josephus schon in jüngeren Jahren. Da er Joseph’s Jugendgeschichte erst später hinzufügte und dem fertigen Stück vorsetzte, so hat dasselbe statt der gewöhnlichen fünf sechs Acte. Es kommen nicht weniger als 81 Personen vor. Der Dichter gibt aber Anweisung, wie man es ’mit Ueberhüpfung unterschiedlicher Stellen‘ auch mit weniger Personen und auch an einem statt an zwei Tagen, für welche es ursprünglich berechnet war, aufführen [200] könne. Mit dem Maßstabe der Zeit gemessen ist der Josephus ein Schauspiel von dramatischer Kraft und nicht ohne gesunden Witz. Eigenthümlich sind die volksthümlich-harzischen Stellen, die besonders durch die Lieblingsfigur des Bettlers Lentzo Sauprange, sonst Enjers vom Harz genannt, herbeigeführt werden. Hierin tritt uns die harmlos witzige Person des Dichters entgegen, wie sie uns auch von den Zeitgenossen bezeugt wird. Als er sich 1593 um die Neustädter Pfarrstelle bewirbt, müssen auch die Gegner anerkennen, daß V. ein ’guter Geselle‘ sei. Unmittelbar nach seinem Ableben erinnert aber Fortman die Amtsbrüder daran, wie er durch sein mit geziemender Würde gepaartes anmuthiges Wesen und seinen feinen Witz sie oft aufs höchste ergötzt habe. Wie weit er bei den sonstigen in Wernigerode während seiner Amtszeit als Conrector aufgeführten Schauspielen ebenfalls dichtend oder umdichtend thätig war, wird sich nicht entscheiden lassen.

Vgl. Zeitschr. d. Harzver. f. Gesch. u. Alterth.-Kunde I (1868), S. 87 bis 99, 113–117; 18 (1885), S. 238–241 und die Pfarrbestallungen von Wasserleben, Drübeck u. a. Correspondenzen im fürstl. Arch. zu Wernigerode.