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Artikel „Voget, Hermann“ von Ludwig Julius Fränkel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 158–160, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Voget,_Hermann&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 07:39 Uhr UTC)
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Voget: Hermann V., Publicist und Dramatiker, wurde aus einer alten Familie niederländischen Ursprungs und streng calvinischer Confession 1838 zu Bremen geboren, wo sein Vater erst Lohgerber, dann Tabakfabrikant war. Das Jahr 1848, das Voget’s Vater in die constituirende Bürgerschaft brachte, beeinflußte seine Entwicklung stark; er erhielt beim heimlichen Besuche der Predigten des Pastors Dulon Anstoß zum Zweifel an der reformirten Kirchenlehre, den er nicht verbarg, so daß ihn der orthodoxe Pietistenführer Mallet nur auf einen Compromiß hin confirmirte. 1854 wurde V., der sich selbst wegen angeblicher Theilnahme an einer Verschwörung denuncirt und kurze Untersuchungshaft erhalten hatte, aus dem Gymnasium ausgestoßen. Er hatte gehofft, eine längere Gefängnißstrafe zum Studiren und Dichten benutzen zu können, da er seinem in finanzielles Unglück gerathenen Vater nicht zur Last fallen wollte. Januar 1855 trat er, durch die Eltern aus der begonnenen schauspielerischen Laufbahn herausgerissen, als Lehrling in die Apotheke zu Varel, machte 1858 ein glänzendes Examen, obwol er gleichzeitig sich als Theaterkritiker die journalistischen Sporen verdiente, und wurde darauf Apothekergehülfe zu Neustadt-Gödens in Ostfriesland. Hier schuf er ein dramatisches Gedicht „Die Stedinger“, worin er den bekannten Ketzerkrieg des 13. Jahrhunderts, der schon so manchen nordwestdeutschen Poeten (zuletzt wol Georg Ruseler, 1890) begeistert hat, mit Glorificirung des altdeutschen Heidenthums auf Kosten des mittelalterlichen Christenthums verherrlichte, weshalb ihn ein frommer Kritiker seiner Vaterstadt als Apostel des Antichrists brandmarkte. Im Sommer 1860 erschien es, V. aber ging nun als Student der Medicin nach Marburg, trieb jedoch alle möglichen Studien. 1862 bezog er die Universität zu München, um seine geschichtlichen und volkswirthschaftlichen Kenntnisse zu vertiefen, betheiligte sich aber auch an politischen Agitationen. Den Unterhalt [159] brachten ihm Correspondenzen und Feuilletons für die „Weser-Zeitung“ und das „Frankfurter Journal“. Als er im Herbst 1863 in Hamburg Studien zu einem Werke über Adalbert von Bremen machte und die schleswig-holsteinische Frage wieder auf die Tagesordnung kam, wurde V., für die Bewegung entflammt, Secretär im Werbebureau des Comités für die Freiwilligen-Armee, im Januar 1863 Berichterstatter deutscher Journale auf dem Kriegsschauplatz. Im Sommer reiste er durch einen großen Theil Deutschlands, des Elsasses und der Schweiz und berichtete seit dem Herbst von Hamburg aus über die jetzt oft durchstreiften Elbherzogthümer für „Allgemeine Zeitung“, „Frankfurter Journal“, „Schwäb. Merkur“. 1864 erschien ein Schauspiel „Liebe und Leben“, auch schrieb er einen Roman „Irrfahrten“ (gedruckt 1866 in der Stuttgarter „Deutschen Zeitung“). Im Herbst 1865 übernahm V. die Redaction der verbreiteten „Itzehoer Nachrichten“, die am eifrigsten das Recht des Herzogs von Augustenburg vertraten und daher von dem preußischen Gouverneur Manteuffel für Schleswig, als dieser 1866 in Holstein einrückte, auch hier verboten wurden. Voget’s, des Hauptgegners der preußischen Annexion, Ausscheiden aus der Redaction, die er übrigens noch bis December 1867 von Hamburg aus leitete, war Bedingniß der Erlaubniß zum Fortbestande.

1868 wurde V. Redactionsmitglied der „Frankfurter Zeitung“, als deren Correspondent er 1870 mit ins Feld zog. Er lieferte anschauliche Schilderungen der Kämpfe von Wörth, Sedan, Straßburg, Orleans, wurde aber hier am 15. December auf Befehl des Großherzogs von Mecklenburg-Schwerin, weil seine Kritik dessen Feldherrntalent angezweifelt hatte, vom Heer weggewiesen. Diese Verfügung erregte, da Voget’s genaue Meldungen rasch beliebt geworden waren, arges Aufsehen. 1872 trat V., der einige Zeit wieder bei der „Frankfurter Zeitung“ thätig gewesen, in die Redaction des „Neuen Fremden-Blattes“ in Wien ein, der er bis Februar 1876 da es einging, angehörte, im September 1877 in die des „Fremden-Blattes“, wo er besonders die orientalischen Angelegenheiten besprach. Bis 1870 Großdeutscher, hielt er es, ein eifriger Verfechter der Fortdauer Oesterreichs aus Gründen der friedlichen und liberalen Entwicklung, seitdem für Pflicht, an seinem Theil für innigen Aneinanderschluß des Deutschen Reichs und Oesterreichs-Ungarns zu wirken. V., der sich aus der Heimath 1872 nach der Donau eine Lebensgefährtin, vorher eine geschätzte Schauspielerin, geholt hatte, die ihm drei Kinder gebar, führte eine äußerst harmonische Ehe, obwol er, wie seine Gattin, keiner Kirche angehörte und hoffte, seine Kinder im Glauben an die „Gott-Allheit“ aufwachsen zu lassen. Seit dem Herbste 1878, da ihm sein dreijähriges Lieblingssöhnchen plötzlich starb, sah er, von einer Herzkrankheit erfaßt, dem Tode ins Auge. Er verschied, geistig noch auf der Höhe seiner alten Regsamkeit, am 5. Juni 1883 nach Mitternacht zu Rodaun bei Liesing. Im Druck war seit jenen Dichtungen aus der früheren Periode außer verschiedenen Beiträgen zu allgemeinen Zeitschriften nur noch das Schauspiel „Versöhnt“ erschienen, 1878, in dem Jahre, da es mit seiner Frische bergab zu gehen begann. V., den die Wirrsale des Lebens und starke publicistische Anlagen an das journalistische Brot gefesselt hatten, hat doch seinen Beruf zum Dramatiker bis zuletzt betont, obwol er auf diesem Felde nie Anklang gefunden, geschweige denn Lorbeeren ernten durfte; im „Deutschen Litteraturkalender“ J. Kürschner’s steht bis zum Jahrgange nach seinem Tode neben dem Namen einfach die Notiz „Drama“.

Das Wesentliche über die äußeren Erlebnisse seines Lebens geben wir nach seiner im Nachlasse vorgefundenen Autobiographie, die am 6. Juni 1883 im „Fremdenblatt“, am 7. in der Abendausg. Beilage in der „Frankfurter Zeitung“ Nr. 158 abgedruckt wurde. Einige Ergänzungen dazu bietet der knappe, im [160] übrigen nicht völlig verläßliche Nekrolog der „Neuen Freien Presse“ vom 5. Juni, Abendblatt (Nr. 6742).