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Artikel „Vincentius, Petrus“ von Adolf Schimmelpfennig in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 735–736, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Vincentius,_Petrus&oldid=- (Version vom 21. Dezember 2024, 09:51 Uhr UTC)
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Vincentius: Petrus V. (Vietz), Schulmann, Sohn eines Goldschmieds in Breslau, geboren 1519 am 1. März, † 1581 am 1. October, studirte von 1538 an in Wittenberg unter Luther und Melanchthon und wurde 1543 an die Lorenzschule in Nürnberg und von dort auf Bugenhagen’s Empfehlung 1546 als Professor nach Greifswald berufen. Nachdem er dort sechs Jahre docirt, nahm er 1552 am 4. November das pecuniär einträglichere Rectorat des Lübecker Gymnasiums an und erwarb sich so hohe Gunst, daß ihn der Rath dem in Angelegenheiten der Stadt nach England gesendeten Bürgermeister Falk als Begleiter zuordnete; trotzdem sah er sich durch das Treiben der alles verdächtigenden Flacianer bewogen, 1557 um seine Entlassung zu bitten, die ihm in ehrenvollster Weise bewilligt wurde. V. kehrte nach Wittenberg zu Melanchthon zurück, um nach fünfjähriger aufreibender Schularbeit in neuen Studien Ruhe und Erholung zu suchen. Die ersehnte und gehoffte Muße währte indeß nicht lange; noch in demselben Jahre wurde ihm die Professur der Eloquenz übertragen und nachdem er 1558 das Decanat der Artistenfacultät verwaltet und 1560 auch das damals semesterweise wechselnde Rectorat bekleidet hatte, mußte er 1561 noch die Professur der Dialektik übernehmen. Melanchthon’s Tod scheint für den in seinen dogmatischen Ansichten schwankenden V. das Signal zu einer Schwenkung gewesen zu sein; die entschiedenen Melanchthonianer rechnen ihn zu den Halben und Schlaffen, und so kann es nicht befremden, daß er nach dem Fehlschlagen seiner Hoffnung, 1563 in Preußen ein Bisthum zu erlangen, die ihm vom Rathe in Görlitz 1565 gemachten Anträge, das dort zu gründende Gymnasium einzurichten, willig annahm. Indeß es währte nicht lange, so bereute er bitter, „aus der Universität entbrochen und ein gut Werk in patria zu stiften, kitzlich gewesen zu sein“, wie er an Crato in Breslau schreibt, und um keinen Preis will er länger unter diesen Affen und Meerkatzen leben. Durch seine Erfolge in Görlitz und die von ihm unter dem Titel „Disciplina et doctrina Gymnasii Gorlicensis“ 1566 erschienene Schul- und Studienordnung, welche auf jeder Seite den erfahrnen und in langer Praxis bewährten Schulmann erkennen ließ, hatte er seine pädagogische Befähigung glänzend dargethan und so wurde es Crato ein leichtes, den Breslauer Rath für die Berufung des V. an das Elisabethan zu gewinnen. Mit 200 Mark Besoldung, 2 Stoß Holz und freier Wohnung in einem besondern Hause wurde er 1569 zum Rector des Elisabethgymnasiums und Inspector der Breslauer Schulen bestellt. Die nach seinen Vorschlägen organisirte Anstalt blühte unter seiner energischen Leitung rasch auf und wurde die Hauptschule Schlesiens. 1570 erschien seine auf Befehl des Rathes ausgearbeitete „Der Stadt Breslaw Schul Ordnung“; der Görlitzer ganz conform, gehört sie zu den besten des 16. Jahrhunderts; Herzog Georg II. von Brieg richtete nach ihr das von ihm gegründete Gymnasium ein. In schwerer Arbeit früh gealtert und 1578 emeritirt, starb V. im 3. Jahre seiner Quiescenz. Von Schriften sind außer der von den Zeitgenossen viel gelobten „Elegia de origine, incrementis ac laudibus inclytae urbis Lubecae“, Rostochii 1552, die 50 in den Scriptis acad. Witteb. publicis enthaltenen Programme zu erwähnen, die er in den Jahren 1557–1564 als Professor in Wittenberg [736] verfaßt hat. Außerdem besitzen wir von ihm eine Sammlung der Epigramme Melanchthon’s in 6 Büchern aus dem Jahre 1563.

Die Verdienste des Petrus V. um das höhere Schulwesen Schlesiens hat Dr. Robert Tagmann in einer der Philologenversammlung in Breslau gewidmeten Monographie: Petrus Vincentius, der erste Schul-Inspector in Breslau (1857) gewürdigt.

Außer der Tagmann’schen Monographie: Ehrhardt, Presbyterologie I, 97. – Gillet, Crato von Crafftheim II, 67–70; I, 263–264.