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Artikel „Valentin, Gabriel Gustav“ von Julius Pagel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 463–464, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Valentin,_Gabriel_Gustav&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 17:30 Uhr UTC)
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Valentin: Gabriel Gustav V., berühmter Physiolog, wurde am 8. Juli 1810 von jüdischen Eltern (als Sohn eines Goldschmieds) zu Breslau geboren. Er besuchte das Maria-Magdalenen-Gymnasium seiner Vaterstadt, wo er schon als 17jähriger Jüngling einen in griechischen Distichen geschriebenen Glückwunsch zum Geburtstage des Rectors Kluge im Druck erscheinen ließ. 1828 begann er gleichfalls in seiner Vaterstadt das Studium der Medicin und Naturwissenschaften und widmete sich mit besonderer Vorliebe physiologischen und mikroscopischen Studien unter Purkinje. 1832 erlangte er mit der Dissertation: „Historiae evolutionis systematis muscularis prolusio“ die Doctorwürde. Ein Jahr später ließ er sich als Arzt in Breslau nieder, setzte zugleich seine unter Purkinje begonnenen wissenschaftlichen Arbeiten fort und machte erst 24 Jahre alt gemeinsam mit diesem die berühmte Entdeckung der Flimmerbewegung. Eine bald darauf vollendete Abhandlung „Histiogenia comparata“ über die Entwicklung der Pflanzen und Thiere, ein Manuscript von 1050 Seiten mit 40 Tafeln eigener Zeichnung und 50 Seiten Erklärung, erwarb ihm neben schmeichelhaftester Anerkennung Alexander v. Humboldt’s den großen Preis von 3000 Francs für Experimentalphysiologie seitens des „Institut de France“, sodaß V. dadurch in die Lage kam, die Kosten für ausgedehnte wissenschaftliche Reisen zu bestreiten. Fortab widmete er sich ausschließlich wissenschaftlichen, besonders physiologischen Studien, als deren Ergebniß er eine Reihe geradezu bahnbrechender Arbeiten, [464] theils in Gestalt von kleineren Abhandlungen theils als umfangreiche Werke veröffentlichte. Wir heben daraus u. a. hervor: „Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugethiere und Vögel“ (Berlin und Paris 1835); „Ueber den Verlauf und die letzten Enden der Nerven“ (Bonn 1836); „Ueber Mechanik des Blutumlaufs“ (Leipzig 1836). Diese Schriften verschafften ihrem Autor einen solchen Ruf, daß er fast gleichzeitig an drei Universitäten, Lüttich, Dorpat und Bern, Berufungen als ordentlicher Professor der Physiologie erhielt. Die beiden ersteren schlug er aus, weil er in die daran geknüpfte Bedingung des Confessionswechsels nicht willigte und entschied sich für Bern, wo er von 1836 ab in ununterbrochener Folge 45 Jahre lang in segensreicher Weise als Lehrer und Forscher wirkte. Hier bekleidete er einige Jahre lang noch das Lehramt der Anatomie, feierte 1876 sein 40jähriges Amts- und 1882 sein 50jähriges Doctorjubiläum, mußte aber, an einem Schlaganfall erkrankt, im Herbst 1881 seine Aemter niederlegen und starb am 24. Mai 1883. – V. gehört zu den bedeutendsten Physiologen des 19. Jahrhunderts. Seine glänzenden Leistungen, die fast alle Gebiete dieser Specialdisciplin betreffen, stempeln ihn zu einem Gelehrten und Forscher ersten Ranges. Die Lehre vom Blut und der Blutbewegung, von der Athmung, die Muskel- und Nervenphysiologie verdanken ihm wichtige Neuerungen und Bereicherungen; er entdeckte 1844 die diastatische Rolle des Bauchspeichels bei der Verdauung der Kohlehydrate, verwendete das polarisirte Licht bei der Mikroscopie, wodurch er zur Verfeinerung der Technik derselben nicht wenig beitrug, lieferte eine große Reihe von Arbeiten zur Physiologie der Sinnesorgane, namentlich des Gesichts, des Geschmacks, des Geruchs und der Tastempfindung, ferner zahlreiche Aufsätze toxicologischen Inhalts u. v. a. Die Titel einiger der bezüglichen Schriften sind: „De functionibus nervorum cerebralium et nervi sympathici libri IV“ (Bern und St. Gallen 1839); „Beiträge zur Anatomie des Zitteraales (gymnotus electricus)“ (Neuschâtel 1841); „Anatomie du genre Echinus“ (ebd.); „Die Untersuchung der Pflanzen- und Thiergewebe im polarisirten Licht“ (Leipzig 1861); „Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Nerven- und Muskelsystems“ (ebd. 1863); „Versuch einer physiologischen Pathologie der Nerven“ (ebd. 1864); „Versuch einer physiologischen Pathologie des Blutes und der übrigen Körpersäfte“ (ebd. 1866); „Die physicalische Untersuchung der Gewebe“ (ebd. 1867). Am bekanntesten ist Valentin’s werthvolles „Lehrbuch der Physiologie des Menschen“ (Braunschweig 1844, 2 Bände; 2. Aufl. ebd. 1847–50), sowie ein Auszug daraus unter dem Titel: „Grundriß der Physiologie des Menschen“ (ebd. 1846; 4. Aufl. 1854). – Von 1836–43 gab V. ein „Repertorium für Anatomie und Physiologie“ heraus. Außerdem rühren von ihm zahlreiche kleinere Journalartikel, Abhandlungen und Aufsätze in größeren Sammelwerken her, z. B. im Berliner encyklopädischen Wörterbuch der med. Wissenschaften, in Schmidt’s Jahrbüchern, Joh. Müller’s Archiv f. Physiologie, Wagner’s Handwörterbuch der Physiologie, Hecker’s Annalen der Heilkunde u. a.

Vgl. noch Biogr. Lexikon hervorr. Aerzte VI, 56 und die daselbst genannten Quellen.